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Filmsammlung „Niederösterreich privat“
Wissenschaft

„Bewegte Landbilder“ des 20. Jahrhunderts

Das Symposium „Bewegte Landbilder“ präsentiert erste Ergebnisse zur Erschließung der Filmsammlung „Niederösterreich privat“, die mit mehr als 60.000 Amateurfilmen eine der weltweit größten regionalen Kollektionen ihrer Art ist. Sie dokumentiert das Alltagsleben in Niederösterreich im 20. Jahrhundert.

Das Forschungsnetzwerk Interdisziplinäre Regionalstudien first organisiert in Kooperation mit dem Filmarchiv Austria und dem Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich diese Tagung, die am Mittwoch und Donnerstag im Haus der Geschichte in St. Pölten stattfindet. Die Sammlung „Niederösterreich privat“ ist das Ergebnis eines Aufrufs zur Zurverfügungstellung von Schmalfilmen von Land Niederösterreich und dem Filmarchiv Austria im Jahr 2013.

Eine der größten regionalen Amateurfilmsammlungen

Die Schmalfilmsammlung ‚Niederösterreich privat‘ ist ein Kleinod in der landeskundlichen und kulturgeschichtlichen Sammlungslandschaft Niederösterreichs und weltweit eine der größten regionalen Amateurfilmsammlungen", sagen die Projektverantwortlichen, Ulrich Schwarz-Gräber und Brigitte Semanek, vom Institut für Geschichte des ländlichen Raums.

VW-Bus aus den 1970er Jahren
Filmsammlung „Niederösterreich privat“
„Dieses Foto zeigt ein Dorf in Niederösterreich, der genaue Ort lässt sich nicht mehr feststellen, irgendwann in den 1970er Jahren“, so Ulrich Schwarz-Gräber vom Institut für Geschichte des ländlichen Raums

Private Filmaufnahmen aus den ersten neun Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts geben Zeugnis über Außergewöhnliches wie Alltägliches. Die Sammlung zeigt vergangene Lebenswelten von Menschen bei der Arbeit und beim Feiern. „Die Filme dokumentieren Lebensträume vom Hausbau bis zur Weltreise. Sie zeigen politische Ereignisse aus bisher unbekannten Blickwinkeln und geben Einblicke in Alltägliches, wenn scheinbar nichts passiert: Gartenarbeit, Kaffeekränzchen, Herbstspaziergang oder die ersten Blumen im Frühjahr. Stets bewegt und oft auch bewegend“, so Schwarz-Gräber und Semanek.

Das Bild des eigenen Landes in Bewegung bringen

Auf diese Weise, hätten die Filme das Potenzial, das Bild des eigenen Landes und seiner Geschichte in Bewegung zu bringen, ergänzt Johanna Zechner, die im Auftrag der Abteilung Kunst und Kultur des Landes Niederösterreich das Projekt koordinierte: „Vom Geschichtsunterricht in Schulen über die Geschichtsvermittlung in Ausstellungen und Museen bis zur zeitgeschichtlichen Forschung.“

Die Sammlung ist das Ergebnis des Suchaufrufs nach Schmalfilmen, den das Land Niederösterreich gemeinsam mit dem Filmarchiv Austria im Jahr 2013 initiierte. Mehr als 60.000 Filme wurden übergeben und durch das Filmarchiv Austria gesichert, archiviert und digitalisiert.

Feuerwehrjubiläum in Horn im Jahr 1923
Filmsammlung „Niederösterreich privat“
Fest zum 50-Jahr-Jubiläum der Feuerwehr Horn, 1923

Alltägliches und Außergewöhnliches in 60.000 Filmen

Seit 2018 arbeitet ein Team aus dem Forschungsnetzwerk Interdisziplinäre Regionalstudien im Auftrag der Abteilung für Kunst und Kultur des Landes Niederösterreich in Kooperation mit dem Filmarchiv Austria an der systematischen Erschließung dieser Sammlung. Die Forscherinnen und Forscher erarbeiteten ein Konzept für ein Suchportal, das die Orientierung und gezielte Suche nach Inhalten in dem großen Filmangebot ermöglichen soll.

Neben dem Umfang lag die Herausforderung auch in den besonderen Eigenschaften von Amateur- und Familienfilmen. „Die selbstgemachten Filme lassen sich häufig nicht durch die sonst im Film üblichen Kategorien ordnen und erfordern kreative und maßgeschneiderte Lösungen, damit in naher Zukunft Forscherinnen und Forscher sowie interessierte Menschen in einer neu geschaffenen ‚Niederösterreich privat‘-Datenbank recherchieren können“, erklären Ulrich Schwarz-Gräber und Brigitte Semanek.

Beim Symposium „Bewegte Landbilder“ werden neben der Präsentation zahlreicher Filmbeispiele die Entstehung der Sammlung vorgestellt und die Fortschritte bei der inhaltlichen Erschließung dargestellt. Am Donnerstag, dem zweiten Tag des Symposiums, diskutieren österreichische und internationale Experten in Workshops über Herausforderungen und Potenziale der Amateur- und Familienfilme.