Besucherinnen und Besucher des Trauercafes in St. Pölten
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Soziales

Über das Trauern im Café reden

Der mobile Hospizdienst der Caritas Lilienfeld bietet seit Oktober in Zusammenarbeit mit dem Hippolythaus Sankt Pölten ein Trauercafe an. Dieses soll Trauernden in ungezwungener Atmosphäre Zeit und Raum bieten, um über die eigene Situation zu sprechen und um Trost zu finden.

Seit einigen Tagen können Menschen, die nahe Angehörige, Verwandte oder Bekannte verloren haben, miteinander im Clubcafé des Hippolythauses in Sankt Pölten über ihre Gefühle und Gedanken sprechen. An jedem letzten Mittwoch im Monat öffnet am Nachmittag das Trauercafé der Caritas. Bereits beim ersten Termin am 30. Oktober kamen 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.

Eine von ihnen war Gabriele Parsch, deren Mann nach langer schwerer Krankheit gestorben ist. Ihr Besuch im Trauercafé half ihr, weil sie sah, dass auch andere Menschen mit einer ähnlichen Situation konfrontiert sind wie sie selbst. „Es klingt vielleicht komisch, aber es tut gut zu sehen, wie viele Betroffene es eigentlich gibt. Beim Trauercafé waren wir eine sehr nette Runde, die sich auch gut ausgetauscht hat“, so Parsch.

Erfahrungen teilen, um die Trauer zu bewältigen

In ungezwungener Atmosphäre offen reden zu können, ist das Ziel des Trauercafés. Die Teilnahme ist jederzeit möglich und kostenlos. „Reden ist wirklich das Beste in der Trauer. Denn jedes Mal wenn man etwas rauslassen und sich jemandem anvertrauen kann, nimmt das ein Stückchen der Last und hilft. Sobald mir jemand zuhört und mich in meiner Situation versteht, ist mein Problem nicht nur alleine meines, sondern geteilt“, erzählt Martina Groll, die ebenfalls ihren Mann durch eine schwere Erkrankung verloren hat und zum Trauercafé kam. Sie ist froh ist, wenn sie ihre Erfahrungen teilen kann.

Mit welchen Erwartungen Trauernde ins Café kommen und was sie dort erwartet, darüber hat „NÖ heute“-Moderatorin Nadja Mader mit Marina Schmidt-Schmidberger gesprochen. Sie ist Koordinatorin des mobilen Hospizdienstes Lilienfeld und die Organisatorin dieser neuen Einrichtung in St. Pölten.

noe.ORF.at: 25 Personen waren beim ersten Termin des Trauercafés im Hippolythaus in Sankt Pölten. Mit welchen Bedürfnissen kommen die Betroffenen?

Martina Schmidt-Schmidberger: Die Menschen kommen mit dem Bedürfnis, einen Raum zu haben, sich mit der eigenen Trauer zeigen zu können und einen Raum zu haben, um sich auszutauschen und mitzuteilen und auch um Menschen in einer ähnlichen Situation kennenzulernen."

Martina Schmidt-Schmidberger mit ORF-NÖ-Moderatorin Nadja Mader
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Martina Schmidt-Schmidberger (re.) mit ORF-NÖ-Moderatorin Nadja Mader

noe.ORF.at: Sie sagen, Trauer zu verarbeiten, kann sehr unterschiedliche Wege nehmen, es muss nicht immer über das Reden sein. Könnte auch jemand zu Ihnen ins Café kommen, bei dem oder der der Schock vielleicht noch so tief sitzt, dass man nicht reden kann?

Schmidt-Schmidberger: „Auch darum geht es bei diesem niederschwelligen Angebot. Man muss sich nicht anmelden, man kann auch kommen, nur um zuzuhören oder früher gehen, wenn man das möchte. Das Trauercafé ist nur eine von mehreren Möglichkeit, die man als trauernder Mensch in Anspruch nehmen kann.“

noe.ORF.at: Es trauert natürlich jeder Mensch auf seine eigene, persönliche Art und Weise. Was ist Ihrer Erfahrung nach in der Trauerarbeit besonders wichtig? Was kann man einem Menschen mitgeben, der sich in der Trauer befindet?

Schmidt-Schmidberger: „Ein wichtiger Punkt ist, auf sich selbst gut zu schauen und sich selbst zu spüren. Was in einem Menschen gerade vorgeht, das kann vieles sein: Dass man weint oder zornig ist. Man hadert mit Gott und der Welt. Es gehört dazu, dass man auch fröhlich sein darf, und dass man diese Fröhlichkeit auch einfordern kann, wenn man es braucht. Man muss nicht so tun, als wäre nichts gewesen. Man muss sich auch nicht dem Druck aussetzen, es müsste ja schon wieder gut sein – etwa nach einem Jahr. Trauer kann Menschen ein Leben lang begleiten. Es geht darum, die Trauerarbeit in das Leben zu integrieren.“

noe.ORF.at: Wenn in der eigenen Trauerarbeit Unsicherheiten oder Fragen auftauchen: Gibt es abgesehen vom Trauercafé weitere Angebote?

Schmidt-Schmidberger: „Weitere Möglichkeiten umfassen die individuelle Begleitung. Je nachdem wie Betroffene das möchten, begleiten wir Menschen auch eine Zeit lang zu Hause und besuchen sie in den eigenen vier Wänden. Außerdem gibt es geschlossene oder offene Trauergruppen oder Spaziergänge und Wanderungen für Trauernde. Dadurch können Trauernde ein Angebot suchen, das für ihn oder sie in der jeweiligen Situation am besten ist.“

Das Gespräch mit Martina Schmidt-Schmidberger führte Nadja Mader, noe.ORF.at