Kultur

Stararchitekt Peichl ist tot

Der bekannte Architekt und Karikaturist Gustav Peichl ist im Alter von 91 Jahren gestorben. Unter dem Pseudonym Ironimus beobachtete er und karikierte er jahrzehntelang die Politik. Parallel dazu entwarf Peichl international bedeutende Bauten.

„80 Prozent Architekt, 10 Prozent Karikaturist und beim Rest fröne ich dem Vergnügen“, so beschrieb sich Gustav Peichl einmal selbst. Geboren am 18. März 1928 in Wien, studierte Peichl nach dem Besuch der Staatsgewerbeschule Mödling und der Bundesgewerbeschule in Linz an der Akademie der bildenden Künste in Wien in der Meisterklasse Clemens Holzmeister. 1955 eröffnete er sein eigenes Architekturbüro in Wien und errang bald internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung.

Gustav Peichl, Karikaturist und Architekt anlässlich der Eröffnung „IRONIMUS 90 ? Jetzt mal keine Politik! Cartoons von 1948 bis 2018“
APA/HANS PUNZ
Gustav Peichl im Vorjahr anlässlich seines 90. Geburtstags

Als Architekt wurde er vor allem durch den Bau von mehreren Landesstudios für den ORF bekannt. Auch das ORF-Landesstudio-Niederösterreich in St. Pölten wurde von Gustav Peichl entworfen, genauso wie der Millenniumstower und das Kunstforum in Wien, die Probebühnen für das Burgtheater Wien und die Kammerspiele in München.

Viele Ausstellungen über Peichls Schaffen

Klare Formgebung, die Verwendung von Sichtbeton und spielerische Akzente sind für seinen Stil charakteristisch. „Wenn sich ein Architekt mit dem Zeitgeist verheiratet, ist er sehr bald Witwer“, charakterisierte Peichl einmal seinen entwerferischen Zugang. 1993 zeigte das Historische Museum der Stadt Wien die erste repräsentative Gesamtschau seines Werkes, im Vorjahr widmete das MAK dem Architekten, der 70 Bauprojekte realisieren konnte und dabei ein deutliches Faible für Kulturbauten erkennen ließ, die Personale „15 Bauten zum 90sten“.

Das ORF Landesstudio NÖ von außen
ORF
Fast alle Landesstudios entstammen der Feder Gustav Peichls – auch jenes in St. Pölten

Von 1973 bis 1996 leitete Peichl die Meisterschule für Architektur an der Akademie der bildenden Künste, wo er 1987/88 auch als Rektor fungierte. Peichl nahm zweimal an der Architekturbiennale in Venedig und an der documenta in Kassel teil. Zahlreiche Auszeichnungen – wie der Große Österreichische Staatspreis, der Mies-van-der-Rohe-Award, der Goldene Ehrenring der Kammer der Architekten oder der Architekturpreis Berlin – würdigten sein Schaffen. In Berlin eröffnete 2013 das Gustav-Peichl-Archiv, 2014 wurde in Wien der Gustav-Peichl-Preis für Architekturzeichnung gestiftet.

Beide Talente in einem Haus vereint

2001 wurde in Krems das von ihm entworfene Karikaturmuseum mit dem Ironimus-Kabinett eröffnet, wo sich die beiden Schaffenszweige von Gustav Peichl vereinten – jener des international erfolgreichen Architekten und jener des politischen Karikaturisten.

Peichl war kein Angepasster, man konnte ihn nicht in eine Schublade einordnen. Um sich sein Studium zu finanzieren, begann Gustav Peichl schon früh mit dem Zeichnen von Karikaturen. Als Ironimus wurde er zu einem der bekanntesten politischen Karikaturisten Österreichs. Karikaturen zeichnete er unter anderem für „Die Presse“, die „Süddeutsche Zeitung“ und den ORF. 25 Jahre lang gestaltet er für Letzteren den Ironimus-Silvester-Jahresrückblick.

Karikaturmuseum Krems
Faruk Pinjo
Das Karikaturmuseum zählt zu Peichls bedeutendsten Entwürfen

Bis zuletzt war er als Karikaturist aktiv, unter anderem brachte er erst im August 2019 im Amalthea-Verlag das Buch „Offene Geheimnisse“ mit späten Zeichnungen und Collagen heraus. Im Olaf Gulbransson Museum in Tegernsee (Bayern) wurde Ende September 2019 die Einzelausstellung „Ironimus / Cartoons von 1948 bis 2018“ eröffnet, die bis Jänner 2020 läuft. Der Architekt lebte bis zuletzt in einem von ihm selbst entworfenen und 1962 fertiggestellten Haus in Wien-Döbling. Peichl starb am vergangenen Sonntag nach kurzer Krankheit. Er hinterlässt drei Kinder und drei Enkelkinder.

Bestürzte Reaktionen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich in einer Reaktion auf Peichls Tod betroffen: "Kreativ und kritisch hat er Jahrzehnte der Zweiten Republik künstlerisch geprägt und kommentiert.“ Van der Bellen sprach von „beeindruckenden Bauwerken“ des Architekten, der sich auch „immer wieder zum Zeitgeschehen geäußert“ und „Modernität und Tradition verbunden“ habe.

Für Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) war Peichl „ein ganz Großer der Architektur und Karikatur, der unserem Land tief und innig verbunden war“. Niederösterreich habe ihm viel zu verdanken. „Mit seinen vielseitigen Begabungen hat Gustav Peichl Niederösterreich nicht nur hervorragende Bauwerke geschenkt, sondern auch viel zur Weiterentwicklung und internationalen Positionierung unseres Landes beigetragen. Wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.“

ORF ändert Programm

„Als Architekt hat Gustav Peichl mit dem Bau von sieben ORF-Landestudios wesentlich zum unverwechselbaren Erscheinungsbild des ORF beigetragen", sagte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. „Dabei hat er die wichtigste Funktion des ORF – die Verbindung zum und Dienstleistung am Publikum – mittels einer offenen, klaren und zugänglichen Formsprache verwirklicht.“

Neben der aktuellen Berichterstattung zeigt ORF 2 am Montag um 23.30 Uhr die Dokumentation „Gustav Peichl: Der Doppeltäter – Am Anfang war der Strich“. Radio Ö1 wiederholt in memoriam Gustav Peichl am Freitag um 16.05 Uhr unter dem Titel „Ich bin ein Anhänger der sparsamen Grundrisse“ ein „Im Gespräch“ aus dem Jahr 2015.