Rote AIDS-Schleife
APA/dpa/Fredrik von Erichsen
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Gesundheit

HIV: Späte Diagnose bei Heterosexuellen

Am Sonntag ist Weltaidstag. Immer noch infiziert sich im Schnitt jeden Tag ein Mensch in Österreich mit dem HI-Virus. Zuletzt sind immer öfter Menschen ab dem 50. Lebensjahr betroffen. Vor allem bei Heterosexuellen wird die Krankheit oft spät diagnostiziert.

Die Weinviertlerin Wiltrut Stefanek traf es vor mehr als 20 Jahren. Ihr Mann, der mittlerweile verstorben ist, trug den HI-Virus in sich und steckte sie damit an. Erst Jahre später erfuhr sie davon. Glück im Unglück: Ihr Sohn blieb von der Infektion verschont. „Ich bin dann ziemlich schnell in die Aidshilfe zur Beratung gegangen, weil es für mich als Mutter sehr viele Fragen gegeben hat. Wie lebe ich mit meinem Kind weiter zusammen? Auf was muss ich aufpassen? Darf ich ihn umarmen?“

Da Wiltrut Stefanek ab einem gewissen Punkt offen mit der Krankheit umging, ist sie immer wieder Anfeindungen ausgesetzt, ebenso wie ihr Kind. „Mein Sohn wurde beschmipft in der Schule, er kam auch einmal mit einem blauen Auge nach Hause“, so Stefanek über die Reaktionen mancher Klassenkameraden ihres Sohnes.

Stigmatisierung im Alltag: „Wann sag ich’s?“

Auch der gebürtige Mostviertler Gerhard Raxendorfer ist HIV positiv. Sex mit einer Frau – ohne Kondom – hat sich bei ihm gerächt. „Gemerkt habe ich nach ein paar Wochen, dass ich Fieberschübe bekommen habe mit über 40 Grad, obwohl ich sonst nie Fieber hatte, dazu Gelenkschmerzen und Lymphknotenschwellungen“, erklärt Raxendorfer die ersten Symptome. Die größten Probleme hat er bei der Suche nach einer neuen Partnerin: „Wenn ich jemanden kennenlerne, wann sag ich es der Person am besten? Die Stigmatisierung bei vielen Menschen wird so bleiben.“

Da es in Niederösterreich kein HIV Zentrum gibt, werden die meisten der knapp 500 niederösterreichischen Patientinnen und Patienten in Wien behandelt, mehr als die Hälfte davon im AKH. „Das größte Risikokollektiv sind nach wie vor schwule Männer. Wir sehen allerdings auch auf konstantem Niveau Neudiagnosen im heterosexuellen Bereich. Und es fällt generell auf, dass der Anteil jener über 50 Jahre bei Diagnose derzeit doch knappe 20 Prozent beträgt“, so Armin Rieger, Leiter der HIV-Ambulanz im AKH in Wien.

Daher sollten sich auch ältere Heterosexuelle beim Thema HIV angesprochen fühlen. Denn bei Homosexuellen würde die HIV-Infektion in den meisten Fällen früh diagnostiziert. „Auf der anderen Seite haben wir die Heterosexuellen, die spät diagnostiziert werden. Deren Risiko, sich zu infizieren, ist zwar viel geringer. Aber wenn ich einen mit Risiko behafteten Kontakt hatte, sollte ich auch als heterosexueller Mann daran denken, dass ich mich anstecken kann und dann sollte ich mich testen lassen“, rät Rieger.

Tests für Zuhause in Apotheke

Die Scham im Labor oder beim Arzt danach zu fragen beziehungsweise die Aidshilfe in Wien aufzusuchen, in der der Test gratis möglich ist, ist aber bei vielen groß. Daher empfiehlt Rieger in solchen Fällen Tests für Zuhause, die seit einem Jahr in Apotheken erhältlich sind.

Mittlerweile haben Menschen mit HIV, wenn sie rechtzeitig therapiert werden, eine normale Lebenserwartung. Neu am Markt ist ein Medikament, das das Risiko für Nebenwirkungen weiter senkt, denn es enthält nur noch zwei Wirkstoffe statt bisher drei Substanzen. In den vorliegenden Studien sei keine Unterlegenheit im Vergleich zu den Dreifachtherapien festzustellen, betont Rieger.

Um mehr Bewusstsein für HIV zu schaffen, treten Stefanek und Raxendorfer regelmäßig bei Veranstaltungen auf und engagieren sich in der Selbsthilfe. Was sie Gesunden raten: „Ich finde wichtig, dass man sich über HIV informiert, dass man sich schützt und dass man sich regelmäßig testen lässt, wenn man sexuell aktiv ist“, sagt Wiltrut Stefanek. Und Gerhard Raxendorfer ergänzt: „Wir wollen kein Mitleid, wir wollen Verständnis und akzeptiert werden – wie jeder normale Mensch bei jeder anderen chronischen Erkrankung.“