Außenaufnahme mit dem Logo der NÖ Gebietskrankenkasse in St. Pölten
APA/SOPHIA KILLINGER
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Gesundheit

Kassenfusion: Die letzten Tage der NÖGKK

Die umstrittene Kassenfusion steht nun bevor. Am 1. Jänner 2020 werden alle Gebietskrankenkassen von der neuen Österreichischen Gesundheitskasse abgelöst. noe.ORF.at zeigt, was sich für die 1,2 Millionen Versicherten der NÖGKK ändert.

Wie bei einem Start-Up sehe es bei ihm im Büro aus, scherzt Bernhard Wurzer. Der St. Pöltner ist als Generaldirektor der neuen Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) hauptverantwortlich für die geplante Milliardenfusion der Gebietskrankenkassen. Ab Jänner wird Wurzer für mehr als sieben Millionen Österreicherinnen und Österreicher zuständig sein. Für die Vorbereitungen hat er einen kleinen Bürotrakt des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger in Wien bezogen. Einen Schreibtisch hat der Generaldirektor nicht, nur einen hohen Besprechungs- und einen kleinen Glastisch sowie einen Monitor für Videokonferenzen.

Bernhard Wurzer
ORF / Novak
Bernhard Wurzer in seinem Büro

Wichtig ist Wurzer vor allem eines. Die Ummeldung soll automatisch passieren: „Der Versicherte muss gar nichts tun, für ihn ändert sich nichts. Er kann die E-Card weiter benutzen, das bleibt alles gleich.“ Betroffen sind in Niederösterreich all jene Unselbstständigen samt Angehörigen, die momentan bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (NÖGKK) versichert sind. Sie wird ab 1. Jänner 2020 lediglich eine Landesstelle der Österreichischen Gesundheitskasse sein.

Finanzen und Versorgung in St. Pölten

Dass nur die Schilder an den Türen ausgetauscht werden, bestreitet Generaldirektor Wurzer gegenüber noe.ORF.at. So soll die Verwaltung der ÖGK in Fachbereichen organisiert sein, die auf die einzelnen Landesstellen verteilt sind. Die Landesstelle in St. Pölten, also der ehemalige NÖGKK-Standort, wird auf der einen Seite bundesweit für Finanzen zuständig sein, auf der anderen Seite für Versorgungsmanagement, also etwa Apotheken oder Bandagisten. Außerdem wird der Kundenservice jedes Bundeslands nach wie vor regional geregelt.

Alle Standorte der bisherigen Gebietskrankenkassen sollen erhalten bleiben. Neu ist, dass sich Versicherte ab Jänner auch an Servicestellen in anderen Bundesländern wenden können. Niederösterreicher können dann etwa auch Standorte der Gesundheitskasse in Wien oder Oberösterreich nutzen.

Vereinheitlichung verzögert sich deutlich

Großes Ziel der Kassenfusion ist außerdem die bundesweite Vereinheitlichung der Leistungen. Nach Möglichkeit soll diese Angleichung nach oben erfolgen. Es müsse laut Wurzer langfristig sicher sein, „wenn eine Leistung bewilligt oder auch abgelehnt wird, dass das vom Bodensee bis zum Neusiedlersee gleich ist.“

In vielen Bereichen wird die Angleichung bereits ab Jänner Realität sein. So habe man bisher in Wien für eine MRT-Untersuchung eine Bewilligung gebraucht, in Niederösterreich aber nicht. Mit dem Jahreswechsel wird hier das niederösterreichische Modell übernommen.

Einiges geht sich allerdings nicht aus. Nicht alle Verträge im Hintergrund werden bis zum Jahresende neu ausverhandelt sein. Das bedeutet, dass es in den nächsten Jahren in einzelnen Bereichen je nach Bundesland noch unterschiedliche Leistungen geben wird. „In Niederösterreich haben wir etwa Verträge mit niedergelassenen Ergotherapeuten, in anderen Bundesländern nicht. Das können wir nicht schlagartig harmonisieren, weil wir da auf unsere Vertragspartner angewiesen sind“, sagt Wurzer. Es handle sich um knapp 30.000 Verträge, die angeglichen werden müssten. Wurzer geht davon aus, dass das bis Ende 2024 geschehen wird.

Verfassungsrichter prüfen Gesetz

Eine weitere Unsicherheit gibt es nach wie vor: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) prüft, ob die geplante Kassenfusion überhaupt mit der Verfassung vereinbar ist. Ein entsprechender Antrag wird seit Montag in der jüngsten VfGH-Session behandelt. Insgesamt 14 Beschwerden gab es gegen die türkis-blaue Reform der Sozialversicherung, unter anderem wegen des Aspektes der Selbstverwaltung – mehr dazu in VfGH vertagte Entscheidung über ÖVP-FPÖ-Reformen (news.ORF.at; 18.10.2019).

ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer wünscht sich hier schnelle Klarheit, glaubt aber nicht an fundamentale Änderungen durch das Höchstgericht. Fest steht für ihn jedenfalls: „Ein Zurück bei der Fusion gibt es jetzt nicht mehr. Es ist alles auf den ersten Jänner ausgerichtet und da können wir jetzt nichts mehr stoppen.“