Bergungsarbeiten nach Einsturz des Wohnhauses in Wilhelmsburg
APA/TECHT Hans Klaus
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Chronik

Wilhelmsburg: Die Lehren der Katastrophe

Es war eine der größten Tragödien in Niederösterreich in den letzten Jahrzehnten. Am 2. Dezember 1999 stürzte in Wilhelmsburg (Bezirk St. Pölten) nach einer Gasexplosion ein dreistöckiges Wohnhaus ein. Zehn Menschen kamen ums Leben. Eine Katastrophe, die nicht nur in Erinnerung blieb, sondern aus der sowohl EVN als auch Einsatzkräfte Lehren zogen.

Es war eine gewaltige Detonation, die in den Abendstunden des 2. Dezember 1999 Wilhelmsburg (Bezirk St. Pölten) erschütterte. Das dreistöckige Gebäude im Conrad-Lester-Hof 4 sackte komplett in sich zusammen. Ein bis zu acht Meter hoher Schuttkegel blieb. Unmittelbar nach der verheerenden Explosion machten sich hunderte Retter auf die Suche nach Überlebenden. Landesfeuerwehrkommandant Dietmar Fahrafellner war damals selbst im Einsatz. Er erinnert sich noch heute gut an das „düstere Bild“ vor Ort: „Ein dreistöckiges Haus, das fast zerbröselt ist. Schreie von Menschen“, schildert er im Gespräch mit noe.ORF.at.

40 Vermisste wurden anfangs befürchtet. Neun Menschen wurden schließlich tot aus den Trümmern geborgen. Eine zunächst lebend gerettete 76-jährige Frau, der noch vor Ort beide Beine amputiert werden mussten, erlag knapp vier Wochen später ebenfalls ihren Verletzungen. Eine „Extremsituation“ für die Einsatzkräfte, erinnert sich Fahrafellner.

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Bergungsarbeiten nach Einsturz des Wohnhauses in Wilhelmsburg
APA/Robert Jaeger
Das dreistöckige Haus sackte bei der Explosion komplett zusammen
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Zurück blieb ein bis zu acht Meter hoher Schuttkegel
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Hunderte Einsatzkräfte suchten nach Verschütteten
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Neun Menschen konnten nur tot geborgen werden
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Einer 76-jährigen Frau wurden vor Ort zwei Beine amputiert. Sie starb später im Krankenhaus.
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Eine 15-Jährige wurde in den Morgenstunden unter den Trümmern entdeckt. Sie überlebte.
Bergungsarbeiten nach Einsturz des Wohnhauses in Wilhelmsburg
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Man habe aus der schrecklichen Katastrophe gelernt, sagen Einsatzkräfte und EVN.

Der heutige Landesfeuerwehrkommandant war damals gerade beim Übersiedeln als die Alarmierung kam. Auch Stefan Zach kann sich heute noch genau an den Tag erinnern und an die Bilder „von dem Haus, das eigentlich nicht mehr vorhanden war“. Er war damals wie heute Sprecher der EVN. „Das war für alle Kolleginnen und Kollegen und auch für mich ein totaler Schock“, sagt er heute.

Wichtige Erkenntnisse für die Ausbildung der Mitarbeiter

Wenigen Stunden vor der Katastrophe hatte ein Blitzschutzmonteur versehentlich eine Gasleitung angebohrt. Das Gebäude wurde daraufhin evakuiert, nach Gasmessungen durch die EVN durften die Bewohner gegen 17.00 Uhr in ihre Wohnungen zurückkehren. Um 18.32 Uhr kam es zur Explosion. Ein Dutzend Einzelfaktoren habe letztlich zu dieser Katastrophe geführt, sagt Stefan Zach rückblickend: „Es war damals eine Verkettung von einem Dutzend ungewöhnlicher Umstände. Wenn nur eine einzige Sache nicht gewesen wäre, wäre das nicht oder ganz anders passiert.“

Man habe aus der schrecklichen Katastrophe gelernt, so der EVN-Sprecher. Die Erkenntnisse aus diesem Ereignis seien in die Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingeflossen, die „sehr gut ausgebildet“ seien und „regelmäßig nachgeschult“ werden. „In der Lehrausbildung legen wir größten Wert auf Sicherheit und das gilt auch für die regelmäßigen Trainings danach. Jemand, der in ein Haus hineingeht, wo es einen Gasalarm gibt, begibt sich in große Gefahr. Es sind nicht nur andere Menschen in Gefahr, sondern auch er begibt sich in Gefahr. Er muss mit solchen Situationen umgehen können und das muss regelmäßig trainiert werden“, so Zach.

Feuerwehren und EVN trainieren gemeinsam

Außerdem habe man die Kooperation mit den Feuerwehren in Niederösterreich intensiviert. Seit ein paar Jahren wird in Tulln auch gemeinsam trainiert. Im Sicherheitszentrum der Feuerwehr betreiben Feuerwehr und EVN gemeinsam eine Gasübungsstrecke. „Hier sind Gasleitungen und Gasregelstationen, die man mit Leckagen verlegen kann“, erklärt Fahrafellner. „Hier geht es darum, richtig zu messen, die Gefahr zu erkennen und Explosionsbereiche abzustecken. Das sind Erkenntnisse, die aus diesen Ereignissen natürlich hervorgegangen sind.“

Außerdem hätten die Feuerwehren auch ihre Alarmpläne entsprechend adapiert, so Fahrafellner. Elf Jahre nach der Explosion in Wilhelmsburg kam es in St. Pölten noch einmal zu einer schweren Gasexplosion. Im Juni 2010 stürzte nach einer Explosion in Folge eines Lecks in einer Gasleitung ein Haus teilweise ein. Fünf Personen überlebten das Unglück nicht. Auch daraus habe man gelernt, so Fahrafellner, und die Taktik bei solchen Einsätzen entsprechend angepasst.