Nachbarschaftshilfe in Pölla
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Soziales

Neues Leben für gute Nachbarschaft

Nachbarn haben sich am Land immer gegenseitig unterstützt und so vor allem älteren Menschen bei der Bewältigung des Alltags geholfen. Mit der Abwanderung und der steigenden Vollzeittätigkeit gibt es in vielen Orten die Nachbarschaft so nicht mehr. Im Waldviertel will man dieser Entwicklung mit Vereinen entgegenwirken.

Ab einem gewissen Alter werden tägliche Erledigungen wie der Einkauf oder ein Arzttermin zur Herausforderung. Roland Handl engagiert sich in Pölla (Bezirk Zwettl) ehrenamtlich beim Verein NachbarschaftshilfePlus und hilft älteren Menschen, diese Herausforderungen zu meistern. Für ihn steht das Kennenlernen im Mittelpunkt, sagt Handl: „Ich sehe es für mich selbst als Geschenk, etwas zu tun, Menschen zu helfen, die bestimmte Dinge nicht mehr bewerkstelligen können, gleichzeitig ist das Persönliche so wichtig.“

Fahrten für die Älteren

In Pölla sind die häufigsten Dienste Autofahrten ins Krankenhaus oder zum Arzt. Etwa 15 Dienste fallen pro Woche an. 40 Ehrenamtliche kümmern sich um jene Menschen, die die Dienste des Vereins in Anspruch nehmen, für die Autofahrten bekommen sie Kilometergeld. Für Projektleiterin Doris Maurer ist die Vermittlung und Terminkoordinierung über eine Angestellte einer der wichtigsten Aspekte: „Denn so haben die Freiwilligen kein schlechtes Gewissen, wenn sie einmal absagen müssen, weil sie ja nicht direkt der Klientin oder dem Klienten (jene Menschen, die Dienste des Vereins nützen,; Anm.) absagen. Und die Klienten bekommen nie direkt eine Absage.“

Nachbarschaftshilfe in Pölla
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Neben Tätigkeiten wie dem Einkauf, den Roland Handl hier mit Hildegard Gföhler erledigt, steht vor allem das Leisten von Gesellschaft im Mittelpunkt

Folgen des modernen Berufslebens

Hildegard Gföhler nimmt beispielsweise den Besuchsdienst einmal pro Woche in Anspruch: „Ich bin froh, dass überhaupt jemand herkommt, damit ich nicht so alleine bin. Dann gehen wir auf einen Kaffee oder fahren für ein, zwei Stunden irgendwohin.“ In ihrem Wohnhaus könne sie bei niemandem klingeln, da hauptsächlich junge Menschen dort wohnen, die tagsüber arbeiten. Das sei auch bei ihren Kindern der Fall.

Viele Einwohner Pöllas pendeln zudem täglich weite Strecken in größere Städte. Die ältere Generation sei deshalb auf die Nachbarschaftshilfe angewiesen, sagt Doris Maurer vom Verein gegenüber noe.ORF.at: „Es wohnen weniger Menschen im Ort. Früher war es auch anders, weil es viel mehr Landwirte gab. Die waren mehr zu Hause und für die Älteren immer greifbar. Die Landwirte werden weniger, und das hat Auswirkungen auf das soziale Leben.“

Nachbarschaftshilfe in Pölla
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Pölla, Röhrenbach (Bezirk Horn), Rastenfeld sowie Lichtenau (Bezirk Krems) starteten im April 2018 mit der Nachbarschaftshilfe. Haugschlag, Litschau, Eisgarn, Eggern und Gastern (Bezirk Gmünd) arbeiten an einer Umsetzung

Ähnliche Probleme in Orten im Burgenland

Die Idee für die professionelle Nachbarschaftshilfe kam von einem gleichnamigen Projekt aus dem Burgenland, wo ein solcher Verein seit fünf Jahren besteht – mehr dazu in Fünf Jahre Nachbarschaftshilfeprojekt (burgenland.ORF.at; 29.07.2019). Auf 17 Gemeinden erstreckt sich NachbarschaftshilfePlus dort mittlerweile. In Niederösterreich überlegen fünf weitere Orte im Waldviertel, die Struktur aufzubauen. Für eine Gemeinde kostet das Projekt etwa 20.000 Euro, auch über ein EU-Förderprogramm kommen finanzielle Mittel. Damit werden das Kilometergeld und die vier Angestellten des Vereins bezahlt.

Nach etwa eineinhalb Jahren sieht Doris Maurer auch gesellschaftliche Vorteile. Ein Ehepaar hätte wegen des hohen Alters beider Partner nicht mehr mit dem eigenen Auto fahren wollen, ohne die Fahrtdienste des Vereins wären sie in ein Pflegeheim gekommen. „Im öffentlichen Verkehr wird nur der Schulbus angeboten, und wenn es ein Taxi gibt, sind die Strecken zu weit und zu teuer. Man muss mobil bleiben und das ermöglichen wir den älteren Menschen.“ Am Anfang stoße das Projekt aber in jedem Ort auf Skepsis: „Die größte Herausforderung war, den älteren Menschen, die Hilfe brauchen, klarzumachen, dass es kostenlos ist und sie kein schlechtes Gewissen haben brauchen, wenn sie die Hilfe auch in Anspruch nehmen.“