Angeklagter im Gerichtssaal
ORF/Fuchs
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Gericht

Mordprozess: Zeugen wurden befragt

Der erste Tag im Mordprozess gegen einen 29-Jährigen, der im März seine 75-jährige Großmutter in ihrem Haus im Bezirk Neunkirchen getötet haben soll, ist am Dienstagnachmittag mit Zeugenbefragungen abgeschlossen worden. Der Angeklagte sagte vor Gericht aus, sich an die Tat nicht erinnern zu können.

„Das geht in meinen Kopf alles nicht hinein“, sagte der Vater des 29-Jährigen bezüglich der Attacke auf seine Schwiegermutter. Dass sein Sohn die angeklagten Taten gesetzt haben soll, könne er nicht nachvollziehen: „Ich wüsste auch nicht, wie er das hätte bewerkstelligen sollen.“

Die Nachbarin der 75-Jährigen erzählte von zahlreichen Streitigkeiten zwischen dem Beschuldigten und seiner Großmutter, deren Ohrenzeugin sie geworden war. Einige Male habe sie auch die Polizei aufgrund von Vorfällen um den Angeklagten alarmiert. Das spätere Opfer habe das „aber immer wieder heruntergespielt“ und zu seinem Enkel gehalten. Spezielle Wahrnehmungen habe sie in der Nacht auf den 23. März keine gemacht, erklärte die 51-Jährige – nur ein längeres auf- und abdrehen des Wasserhahns. Es sei aber ausgeschlossen, dass an dem Abend außer dem 29-Jährigen jemand das Haus der Pensionistin betreten habe.

Ebenfalls befragt wurde ein Beamter, der bei der Festnahme des 29-Jährigen an Ort und Stelle war. Er gab an, dass der Beschuldigte, nachdem er vom Tod seiner Großmutter erfahren hatte, gesagt habe: „Es ist eh Zeit, dass sie gestorben ist.“ „So eine Aussage habe ich sicher nicht gemacht“, replizierte der Angeklagte.

Staatsanwältin: „Brutale Vorgehensweise“

Der zum Tatzeitpunkt 28-jährige Österreicher soll in der Nacht auf den 23. März die im Bett liegende 75-Jährige im Schlafzimmer ihres Hauses geschlagen, gewürgt und ihr zahlreiche Stiche und Schnitte zugefügt haben. Die Staatsanwältin sprach in ihrem Eröffnungsvortrag am Landesgericht Wiener Neustadt von einer „brutalen Vorgehensweise“. Verwendet wurden laut Anklage ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von etwa zehn Zentimetern und ein Messer aus der Küche der Großmutter (Klingenlänge: 11,6 Zentimeter). Infolge mehrerer Stichverletzungen am Hals starb das Opfer der Anklageschrift zufolge an Herz-Kreislauf-Versagen.

Justizwachebeamte mit dem Angeklagten vor der Verhandlung im LG Wiener Neustadt
APA/CHRISTOPHER ECKL
Der Angeklagte muss sich wegen Mordes vor Gericht verantworten

Die 75-Jährige wurde am 23. März tot in ihrem Haus in einer Marktgemeinde im Bezirk Neunkirchen entdeckt. Neben der Leiche wurde im Schlafzimmer ein Brief an die Frau gefunden, den ihr Enkel erfasst haben soll und in dem es u.a. heißt: „…es gibt mehrere, wenn nicht viele, Gründe warum Sie nicht verdienen zu leben…“ Vom Verdächtigen ist in dem Schriftstück in der dritten Person die Rede. In der Nacht auf den 24. März wurde der Mann im Bezirk Baden festgenommen und in die Justizanstalt Wiener Neustadt eingeliefert. Er wird unter anderem durch mehrere DNA-Spuren belastet.

Zwischen dem Opfer und dem Beschuldigten bestand nicht nur eine verwandtschaftliche, sondern in Summe eine „besondere Bindung“, wie die Staatsanwältin im Eröffnungsvortrag festhielt. Die Frau soll den 29-Jährigen laut Anklage immer wieder unterstützt haben, emotional und auch finanziell. Außerdem soll sich das spätere Opfer um den Enkel gekümmert haben, obwohl dieser mehrmals Gewalt gegen Verwandte und andere Personen in seinem Umfeld ausgeübt haben soll. Vor dem 23. März nächtigte der Angeklagte mehrmals bei der 75-Jährigen – davor war er eigenen Angaben zufolge auch immer wieder obdachlos gewesen.

Angeklagter mit Persönlichkeitsstörung

Der 29-Jährige leidet laut einem psychiatrischen Gutachten an einer Persönlichkeitsstörung und einer paranoiden Schizophrenie. Laut der Expertise ist der Angeklagte dennoch zurechnungsfähig, aber potenziell gefährlich. Die Staatsanwaltschaft beantragte deshalb die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß Paragraf 21 Absatz 2 Strafgesetzbuch.

Verteidiger Wolfgang Blaschitz knüpfte an das Gutachten an und befand, dass der Beschuldigte „im wahrsten Sinne des Wortes nicht normal“ sei. Der Jurist verwies unter anderem auf die Drogenvergangenheit des heute 29-Jährigen und darauf, dass dieser an Wahnvorstellungen litt. „Beim ersten Treffen hat er mir gesagt, dass er weiß, dass er geisteskrank ist“, sagte der Anwalt. Daran, was in der Nacht auf den 23. März geschehen ist, kann sich der Angeklagte laut Blaschitz jedoch nicht erinnern. Zum Tatzeitpunkt sei der 29-Jährige unzurechnungsfähig gewesen, meinte der Verteidiger.

Zustand „unbegründeter Wut“

Im Zeugenstand sagte der Angeklagte aus, sich an eine Attacke auf die Großmutter nicht erinnern zu können. Auf Nachfrage seines Anwaltes hielt er es dann aber doch für möglich, in einem Zustand „unbegründeter Wut“ gehandelt zu haben. „Irgendjemand muss die Frau ja getötet haben“, sagte Verteidiger Blaschitz bei der Befragung zu seinem Mandanten. „Wäre es ein mögliches Szenario, dass sie einen ‚Schub‘ hatten und es doch waren, aber null Erinnerung daran haben?“ Der 29-Jährige antwortete: „Das halte ich leider schon für möglich mittlerweile.“ Er könnte einmal mehr „Sachen für die Wahrheit gehalten haben, die keinen Bezug zur Realität haben“ und dadurch aggressiv geworden sein, mutmaßte der Beschuldigte.

Zuvor hatte der Mann detailliert vom Verlauf des 22. März berichtet. Stunden, bevor die 75-Jährige attackiert wurde, habe er Drogen zu sich genommen – „zwei Tropfen LSD und nachher dann zwei Lines Amphetamine“, sagte der Angeklagte. Versprochen habe er sich davon „eine ‚Gaude‘“, er sei mit Freunden unterwegs gewesen.

„Tod noch immer nicht realisiert“

Später sei er dann von einem Verwandten zu seiner Großmutter zurückgefahren worden. Am Abend habe er bei ihr etwas gegesessen, „zwei, drei Zigaretten geraucht“, sich gegen 21.00 Uhr von der 75-Jährigen verabschiedet und anschließend das Haus verlassen. „Dann bin ich spazieren gegangen, nach Neunkirchen.“ Gelandet sei er schließlich am nächsten Tag in der Früh im Haus seines Vaters. Den Tod der Großmutter habe er „noch immer nicht“ realisiert, das Geschehen sei grausam. Das im Schlafzimmer der 75-Jährigen gefundene Schreiben habe er nicht verfasst, sagte er.