Pferd beim Rücken im Wald
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Landwirtschaft

Forstwirtschaft mit gezügelter Pferdestärke

Die Technologisierung hat auch vor der Forst- und Landwirtschaft nicht haltgemacht. Damit verschwanden auch Pferde aus dem Arbeitseinsatz. Den modernen Holzknecht samt Ross und schwerem Gerät gibt es gelegentlich aber doch noch.

Manuel Willstorfer ist einer der letzten Holzknechte Österreichs, und seine beiden Noriker Gandi und Vincent Diamant sind zwei der wenigen Arbeitspferde, die in der gewerblichen Forstarbeit eingesetzt werden. Im Jahr 2019 kann aber auch Willstorfer auf moderne Technik und schweres Gerät nicht verzichten – seine Pferde sieht er als perfekte Ergänzung für die vielfältigen Tätigkeiten, die im Wald anfallen: „Am Ende des Arbeitstages sieht man den riesigen Holzberg, den wir gemeinsam gerückt haben. Oft kommen Forstleute vorbei und fragen, wie wir solche Mengen in so kurzer Zeit geschafft haben. Mit Maschinen allein erreicht man das einfach nicht – nur mit Pferden allerdings auch nicht“, erzählte der 33-Jährige.

Willstorfer hat selbst keine Wurzeln in der Land- oder Forstwirtschaft. Die Begeisterung für Pferde begleitete ihn seit Kindheitstagen, zum Beruf machte er seine Leidenschaft aber erst 2016. Heute wendet er sein seither im Selbststudium erworbenes Wissen mit seinem zwei Pferdestärken starken Team gewerblich an und hält bereits Vorträge für andere interessierte Forstwirte. Über mangelnde Aufträge kann er sich nicht beklagen: „Das Interesse an unserer Arbeit ist unglaublich. Mittlerweile sind wir Sommer wie Winter beschäftigt“, erzählte er.

Pferd hat Vorteile in dichten Wäldern

Einen unschlagbaren Vorteil sieht Willstorfer vor allem in der Wendigkeit von Pferden. „Außerdem verletzen wir den Boden überhaupt nicht während unserer Arbeit und sind im Vergleich zu Maschinen im Bestand selbst wahnsinnig schnell unterwegs.“ Während kettengetriebene Forstmaschinen teilweise tiefe, nur schwer heilende Wunden im Waldboden hinterlassen, erledigen die Pferde ihre Arbeit deutlich sanfter. Damit werde einer Verdichtung des Bodens vorgebeugt, sodass er weiterhin Wasser aufnehmen und in tiefere Erdschichten weiterleiten könne, so Willstorfer.

In der Praxis arbeitet das Trio gemeinsam mit anderen Fachkräften. Sobald die Stämme gefällt und entastet sind, kommen die Pferde zum Einsatz und rücken sie bis zum Sortierplatz, wo moderne Maschinen übernehmen und die Stämme sortieren und ablegen bzw. abtransportieren. „Das heißt, dass wir den Bestand eigentlich nicht verlassen müssen“, so Willstorfer. „Sobald wir an der Forststraße sind, übernimmt der Traktor mit Rückewagen – das ist optimale Arbeitsteilung.“

Forstwirt Manuel Willstorfer mit seinen zwei Norikern
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Willstorfer ist einer der wenigen gewerblich in der Forstwirtschaft mit Pferden Tätigen Österreichs

„Noriker mögen die Arbeit im Wald“

In der Zusammenarbeit mit Mensch und Maschine müssen die Kaltblutpferde nicht nur stark sein, sondern dürfen vor allem nicht schreckhaft sein, wenn unmittelbar neben ihnen Motorsägen aufheulen, Bäume fallen und Traktoren rangieren. „Damit ein Pferd im Wald zum Einsatz kommen kann, müssen sie bereits als ganz junge Tiere an ihre Aufgaben gewöhnt werden. Etwas hinter sich herzuziehen, das auch noch Lärm macht, muss für ein Fluchttier wie ein Pferd erst gelernt sein“, erklärte Willstorfer. Weil er bei der Arbeit im Wald gelegentlich zehn bis 15 Meter von seinen Pferden entfernt steht, muss die Zusammenarbeit auf Zuruf funktionieren. Gandi und Vincent kennen seine Kommandos – ob links, rechts, halt oder Marsch, langsamer oder schneller.

Ihr Besitzer ist davon überzeugt, dass den Pferden die Arbeit Spaß macht. „Der Noriker ist die typische österreichische Arbeitspferderasse. Ich denke, dass sie die tägliche Arbeit brauchen, und man merkt, dass sie das auch wirklich mit vollem Einsatz und Eifer erledigen, weil es ihrem Naturell entspricht“, so Willstorfer mit Blick auf die beiden Riesen, die mehr als 700 Kilogramm auf die Waage bringen und noch weiter Muskelmasse auf bis zu 900 Kilogramm aufbauen werden. „Auf kurze Distanzen können sie ihr eineinhalbfaches Körpergewicht bewegen. Im Normalfall arbeiten sie mit Stämmen bis zu 40 Zentimeter Durchmesser, die auf circa vier Meter lange Teilstücke zugeschnitten werden.“

Bis in die 1930er waren Pferde erste Wahl im Forst

Jahrhundertelang war das Pferd aus der Forst- und Landwirtschaft nicht wegzudenken und fixer Bestandteil bäuerlicher Betriebe. Mitte des 20. Jahrhunderts verloren Rösser langsam ihren Stellenwert, schwere Geräte und Maschinen verdrängten sie ab den 1930er Jahren beinahe zur Gänze als Arbeitstiere. Rückungen per Pferd im Forsteinsatz wurden zur absoluten Seltenheit.

Ganz verschwunden ist die Tradition der Land- und Forstwirtschaft mit Mensch-Pferde-Teams nicht. Die Anzahl der gewerblich mit Pferden arbeitenden Forstwirte ist heute aber überschaubar. Laut Auskunft der Österreichischen Interessensgemeinschaft Pferdekraft (ÖIPK) sind österreichweit zwischen 15 und 20 Menschen mit Pferden im Arbeitseinsatz, ein nicht genau zu beziffernder Teil davon ist – wie Willstorfer aus Wilhelmsburg – auch gewerblich tätig.

Bestand mancher Nutztierrassen mittlerweile bedroht

Die eingebrochene Nachfrage nach Arbeitspferden machte sich auch in den Züchtungsstatistiken bemerkbar. Die in Österreich am häufigsten eingesetzte Pferderasse für die Land- und Forstwirtschaft sind Noriker. Der Bestand der mittelschweren, trittsicheren und wenig schreckhaften Gebirgskaltblutpferde war bereits so stark zurückgegangen, dass sie auch heute noch im österreichischen Agrarumweltprogramm als gefährdet eingestuft sind.

Mittlerweile gibt es eigene Vereine, die sich dem Erhalt der Arbeitspferderassen verschrieben haben. Dem Handbuch der Arche Austria, eines Vereins zur Erhaltung seltener Nutztierrassen, ist allerdings zu entnehmen, dass der Bestand nur aufrechtzuerhalten sei, wenn etwa 25 Prozent der Norikerfohlen der Fleischvermarktung zugeführt werden. „Ohne diese Absatzmöglichkeit wäre die Rasse wahrscheinlich in weit geringerer Zahl erhalten geblieben“, ist dort nachzulesen.

Die Vorzüge der Noriker im Bewusstsein zu erhalten, ist das erklärte Ziel der Österreichischen Interessensgemeinschaft Pferdekraft (ÖIPK). „Diese Pferde können, was vor allem die kleinstrukturierte Landwirtschaft Österreichs braucht. Dafür wurden sie eigens gezüchtet. Was aber teils verlorengegangen ist, ist das dafür nötige Wissen“, sagte Wolfgang Ehmeier, der selbst als Landwirt mit Pferden arbeitet. Um dem Arbeitspferd wieder seinen verdienten Platz im Wald und auf dem Feld einzuräumen, bietet die ÖIPK beispielsweise Fortbildungen an und entwickelt Arbeitsgeräte, die in der heutigen Land- und Forstwirtschaft mit Pferden gebraucht werden.

Zwei Pferde beim Rücken im Wald
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Pferde beim Rücken im Wald sind zum seltenen Anblick geworden

Pferdeeinsatz erlebt sanfte Renaissance

Die Bemühungen zum Erhalt des Pferdeeinsatzes in Land- und Forstwirtschaft machen sich laut Ehmeier bereits bemerkbar. Neuerdings erleben Kaltblutpferde in Österreich ein sanftes Revival. Zuletzt verzeichnen die Züchter und Interessensgemeinschaft ein steigendes Interesse an der Arbeit mit Pferden, vor allem beim vielseitig einsetzbaren Noriker: „Der Noriker ist das einzige Pferd, das in seiner Rassebeschreibung das Zugpferd sogar noch vor der Reiteignung führt. Aber auch als Hobby- und Freizeitpferd erfährt diese Rasse neue Beliebtheit, was gut für die Bestände ist.“ Die Rösser für gewerbliche Arbeit zu nützen bleibt zwar nach wie vor die Ausnahme, die Hoffnung der Vereinsmitglieder ist aber, dass die Maschinen aber schon bald wieder vermehrte Verstärkung durch „echte Pferdestärken“ bekommen könnten, so Ehmeier.

Forstwirtschaftsschüler erlernen alte Tradition

Damit die Tradition des Rückens nicht in Vergessenheit gerät, werden auch an der Landwirtschaftlichen Fachschule Edelhof bei Zwettl die Schülerinnen und Schüler des Forstschwerpunktes mit Hilfe eines schuleigenen Pferdes im Wald ausgebildet. „Und ist wichtig, dass die Jugendlichen nicht nur die Arbeit mit schweren Maschinen lernen. Aber natürlich muss man realistisch genug sein, um zu wissen, dass die Waldbewirtschaftung heute vor allem wirtschaftlich sein muss. Da wird das Pferd vermutlich nie wieder jenen Stellenwert bekommen, den es vor hundert Jahren noch gehabt hat“, sagte Direktorin Michaela Bauer.

Dennoch wolle sie den Schülerinnen und Schülern nahelegen, dass der Einsatz von Pferden große Vorteile habe – „vor allem in sehr dichten Wäldern oder dort, wo das Gelände keinen schweren Maschinen erlaubt. Aber auch bei kleinen Waldbeständen zahlt sich das Pferd im Gegensatz zu Maschinen eher aus“, erklärte Bauer. Angewandt wird die Tradition dennoch in den seltensten Fällen. „Professionisten, die das auch gewerblich nutzen, kenne ich im Waldviertel nicht“, so die Direktorin. Aber auch sie sieht die Zukunft der modernen Forstwirtschaft in einer sinnvollen Ergänzung von Mensch, Tier und Maschine.