Regina Riel, Bea Robein
Christian Husar
Christian Husar

Baden entdeckt „Fatinitza“ wieder

Im Stadttheater der Bühne Baden ist am Samstag mit der Operette „Fatinizza“ von Franz von Suppe eine nicht unproblematische Rarität zur Aufführung gelangt. Was 1876 noch ein Riesenerfolg war, wirkt heute trotz allen Bemühens doch eher befremdlich.

„Religion und Glaube“ – so lautet das Motto, das Intendant Michael Lakner der laufenden Saison verpasst hat. Hier geht es nun um einen historischen militärischen Konflikt zwischen Russland (dargestellt durch pelzbemützte Chargen) und der Türkei (im Outfit radikalmuslimischer IS-Kämpfer) und somit auch zwischen Christentum und Islam. Robert Kolar und Regisseur Leonard Prinsloo haben eine Textneufassung des Librettos von Richard Genee und F. Zell alias Camillo Walzel erarbeitet, die manchen erkenntlichen Gegenwartsbezug hervorbringt, aber infolge gelegentlicher Aufwärmung übelster Klischees und bedauerlicher Textundeutlichkeit wenig Mehrwert erzeugt, schreibt Ewald Baringer (Austria Presse Agentur) in seiner Kritik.

Die Titelrolle wird von einer Frau gespielt, die als Hosenrolle einen Mann darstellt, der eine Frau mimt. Daraus ist heutzutage eher wenig an Erotik abzuleiten, auch wenn die Partie mit Bea Robein schauspielerisch wie stimmlich hervorragend besetzt ist. Was an der Fürstin Lydia (Regina Riel meistert die anspruchsvolle Rolle stimmlich respektabel, wird aber kostümmäßig von der sonst fantasievollen Ausstatterin Monika Biegler wenig vorteilhaft ausstaffiert) so begehrenswert erscheint, bleibt ebenso unbegreiflich wie die martialische und doch sentimentale Erscheinung des peitschenknallenden Generals Kantschukoff (Reinhard Alessandrini).

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Bea Robein, Regina Riel, Thomas Zisterer sitzen auf einem Sessel
Christoph H. Breneis
Bea Robein (l.) spielt die Titelrolle
Thomas Zisterer, Bea Robein
Christian Husar
Sie spielt in Hosenrolle einen Mann, der eine Frau mimt
Regina Riel
Christian Husar
Regina Riel spielt die stimmlich anspruchsvolle Rolle der Fürstin Lydia
Beppo Binder, Thomas Zisterer, Robert Kolar
Christian Husar
In „Fatinizza“ geht es um einen historischen militärischen Konflikt zwischen Russland und der Türkei
René Rumpold
Christian Husar
Der Culture Clash anno 1876 ist weniger gegenwartstauglich als erhofft, schreibt Ewald Baringer in seiner APA-Kritik
Thomas Zisterer, Franz Suhrada
Christoph H. Breneis
Die Oper feierte am Samstagabend Premiere in Baden
Schauspieler in russischem Outfit
Christian Husar
Russland wird durch pelzbemützte Chargen dargestellt
Beppo Binder, Reinhard Alessandri, Robert Kolar
Christian Husar
Reinhard Alessandrini (Mitte) spielt den peitschenknallenden General Kantschukoff
Regina Riel, Bea Robein
Christian Husar
Zum Finale tanzen Männer in Strapsen und Frauen in Anzügen über die Bühne

Die aus heutiger Sicht unerträglich dämliche Handlung wird durch Ironie ansatzweise erträglicher. Dazu tragen u.a. Robert Kolar als Sergeant, Robert Herzl als Eunuch und Pope und nicht zuletzt Franz Suhrada als wienerischer Pascha – alternierend mit Rene Rumpold – bei. „Mich fasziniert besonders die Parodie auf den Krieg, gerade in einer Zeit, in der militärische Konflikte omnipräsent waren“, erklärt Prinsloo. „Aber auch das Spiel mit Sexualität und Pikanterie, dass sich wie ein roter Faden durch das Spiel zieht, ist bemerkenswert für diese Zeit.“

Und so kommt es im Finale zum umfassenden Gender-Tausch: Männer in Strapsen, Frauen in Anzügen tanzen über die Bühne. Dazu wandern Skelette als Memento mori über den Hintergrund (Videokonzept: Aron Kitzig). Das allein macht die Chose aber auch nicht prickelnd. Und einmal mehr bestätigt sich die Vermutung, dass es oft schon gute Gründe dafür gibt, warum Raritäten, auch wenn sie einstmals erfolgreich waren, eben Raritäten im Repertoire geblieben sind, berichtet Ewald Baringer (APA) in seiner Premierenkritik.