Podiumsgespräch und Grenzbesuch anlässlich des 30. Jahrestags der Öffnung des Eisernen Vorhangs an der österreichisch-tschechischen Grenze in Laa/Thaya
Parlamentsdirektion/Thomas Topf
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Politik

Ein kleiner Schnitt mit großen Folgen

Vor exakt 30 Jahren, am 17. Dezember 1989, haben Österreichs Außenminister Alois Mock, Niederösterreichs Landeshauptmann Siegfried Ludwig und der tschechoslowakische Außenminister Jiri Dienstbier den Eisernen Vorhang zwischen Österreich und der Tschechoslowakei durchtrennt. Ein historisches Ereignis, an das am Montag in Laa an der Thaya erinnert wurde.

Die Schülerinnen und Schüler aus Tschechien und Österreich, die am Montag gemeinsam im Rathaus in Laa an der Thaya über den Fall des Eisernen Vorhangs diskutierten, kennen diesen nur aus den Geschichtsbüchern. Sie waren vor 30 Jahren, als am 17. Dezember 1989 Historisches passiert worden war, noch nicht einmal auf der Welt. Die Wanderung, die sie gemeinsam zum Grenzübergang unternahmen, wäre vor diesem Tag undenkbar gewesen. Doch das Jahr 1989 änderte alles.

„Für mich war da die Welt aus“

Sie sei ein paar Tage vor dem 17. Dezember 1989 vom Außenministerium angerufen und gefragt worden, ob sie bei diesem Ereignis dabei sein wolle, erinnerte sich Monika Dienstbier-Akai. Die Tochter Jiri Dienstbiers hatte zu diesem Zeitpunkt als Staatenlose in Österreich gelebt, nachdem sie zum Studieren hierhergekommen war. „Als ich aus Tschechien weggefahren bin, wurde mir gesagt, dass ich niemals zurückfahren darf und mich niemand besuchen darf“, schilderte sie am Montag. Am 17. Dezember habe es schließlich eine unglaubliche Euphorie gegeben, und einen „totalen Auflauf an Journalisten und Fotografen“. Jeder habe das beste Foto schießen wollen.

Podiumsgespräch und Grenzbesuch anlässlich des 30. Jahrestags der Öffnung des Eisernen Vorhangs an der österreichisch-tschechischen Grenze in Laa/Thaya
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Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka diskutierte am Montag gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern sowie Zeitzeugen über die historischen Ereignisse im Jahr 1989

„Der Eiserne Vorhang war nicht nur eine militärische Grenzmaßnahme, sondern auch eine symbolische Grenze, die sich in den Köpfen der Menschen beider Seiten nachhaltig verankerte“, erinnerte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Ähnliches berichtete Brigitte Ribisch, Bürgermeister von Laa an der Thaya (ÖVP): „Für mich war da die Welt aus.“ Die Grenzöffnung habe der Region das Tor geöffnet, so Ribisch. Als Stadt habe man davon enorm profitiert. Spürbar nicht zuletzt dadurch, dass mehr als 30 Prozent der Gäste der Therme Laa aus Tschechien kommen.

„Alois Mock war ein großer Visionär“

Heute erinnert in Laa an der Thaya eine Gedenktafel am Grenzübergang an die Barriere, die Jahrzehnte lang Ost und West getrennt hatte. Hier fanden am Montag gleich mehrere Veranstaltungen statt, um an die historischen Ereignisse im Jahr 1989 zu erinnern. Auch Landtagspräsident Karl Wilfing (ÖVP) erinnert sich noch genau an den 17. Dezember 1989. Er war damals noch Lokalpolitiker und Obmann der JVP Niederösterreich. „Ich bin damals nach Drasenhofen gefahren, denn das ist von mir der nächstgelegen Grenzübergang gewesen. Wir haben die Tschechinnen und Tschechen begrüßt, es wurde Glühwein getrunken, wir haben mit den Bürgermeistern gefeiert und dann schnell Kontakte geknüpft.“ Wenn man bedenke, welche wirtschaftlichen Chancen sich dadurch ergeben hätten, sei es so gesehen „vielleicht der historisch wichtigste Tag in seinem Leben“ gewesen, so Wilfing.

Landesrat Martin Eichtinger (ÖVP), der am Montag ebenfalls nach Laa an der Thaya kam, war vor 30 Jahren der persönliche Sekretär Alois Mocks. Als solcher war er zwar nicht beim Durchtrennen des Zaunes zur Tschechoslowakei dabei, allerdings schon ein paar Monate zuvor, im Juni 1989, als Außenminister Mock und sein ungarischer Amtskollege Gyula Horn den Eisernen Vorhang zu Ungarn durchtrennt hatten. Er habe als junger Diplomat das Glück gehabt, zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle gewesen zu sein, meinte Eichtinger rückblickend. „Mich hat besonders gefreut, dass Alois Mock damals schon die Vision hatte, dass diese Länder zur Europäischen Union dazu gehören sollen. Da war Alois Mock ein großer Visionär und hat Weitblick bewiesen“, so Eichtinger.

Podiumsgespräch und Grenzbesuch anlässlich des 30. Jahrestags der Öffnung des Eisernen Vorhangs an der österreichisch-tschechischen Grenze in Laa/Thaya
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Die versammelten Schülerinnen und Schüler kennen den Eisernen Vorhang nur noch aus den Geschichtsbüchern

Vereintes Europa „keine Selbstverständlichkeit“

Heute ist Tschechien längst Teil der EU und die Grenze hat ihren Schrecken verloren. Dennoch sollte man sich vergegenwärtigen, dass das vereinte Europa keine Selbstverständlichkeit ist, mahnte Nationalratspräsident Sobotka bei der Diskussionsrunde mit den Schülerinnen und Schülern. Die nachkommenden Generationen würden ein geeintes Europa, das in den letzten beiden Jahrzehnten von Frieden, wirtschaftlicher Prosperität und politischem Dialog geprägt war, als selbstverständlich ansehen. „Dieses Europa – wie wir es heute kennen und lieben – ist aus einem Prozess der Veränderung entstanden. Ein Prozess, der von mutigen Menschen in Ost und West getragen wurde“, so der Nationalratspräsident.

Dieses Bewusstsein müsse man von Generation zu Generation weitergeben. Die Entwicklung der Europäischen Union sei noch nicht zu Ende, vielmehr gelte es, nach vorne zu schauen – etwa in Richtung der Staaten des Westbalkans. „Sie sind ein Teil Europas. Dort müssen wir in den nächsten Jahren den Fokus unseres Handelns sehen“, sagte Sobotka. Und auch mit der eigenen Vergangenheit müsse man sich schonungslos auseinandersetzen.