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ORF.at/Christian Öser
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Politik

25 Jahre EU: Wie Niederösterreich profitierte

Am 1. Jänner 1995 ist Österreich der Europäischen Union beigetreten. Damit wurden auch in Niederösterreich viele neue Entwicklungen eingeleitet. Das Bundesland hat in den vergangenen 25 Jahren vom EU-Beitritt profitiert und sich wirtschaftlich weiterentwickelt.

Österreich zählt unter der EU-Mitgliedstaaten zu den sogenannten Nettozahlern und zahlt demzufolge mehr Geld an Brüssel, als es direkt zurückbekommt. Laut Angaben der Österreichischen Nationalbank fließt etwa ein Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der 28 EU-Mitgliedstaaten in das EU-Budget. Etwa 92 Prozent davon erhalten die Mitgliedstaaten als Förderungen direkt wieder zurück, cirka sechs Prozent werden für die EU-Verwaltung aufgewendet.

Mit Blick auf die Statistik der letzten 25 Jahre dürfte die Bilanz für Niederösterreich sowohl durch die direkten als auch durch die indirekten Transferleistungen deutlich positiv ausfallen. Damals noch hauptsächlich Agrarland, entwickelte sich Niederösterreich mittlerweile zu einem wirtschaftlich breit aufgestellten Bundesland.

Vranitzky beim Unterzeichnen des EU-Beitrittvertrags
ORF/Archiv
Bei der Vertragsunterzeichnung zum Beitritt Österreichs zur Europäischen Union waren die Effekte der Entscheidung auf Niederösterreich noch ungewiss

Wirtschaft und Tourismus mit deutlichen Steigerungen

Die Zahl der Betriebsstandorte ist mit 116.437 laut Angaben der Wirtschaftskammer Niederösterreich heute mehr als doppelt so hoch wie im Jahr 1995, als sie bei 54.482 lag. Niederösterreichs Unternehmen wurden auch im EU-Ausland immer erfolgreicher. Lag der Wert der Beteiligung an Auslandstöchtern 1995 bei 616 Millionen Euro, liegt diese Zahl heute ca. 30 Mal so hoch bei 17,9 Milliarden Euro. Auch der Tourismus wurde seither angekurbelt und meldet jährlich neue Rekorde. Die Gästezahlen aus Tschechien, Ungarn und der Slowakei haben sich seit 1995 beispielsweise verdreifacht. Etwas mehr als verdreifacht haben sich auch die Passagierzahlen am Flughafen Schwechat, der sich seit 1995 zur Drehscheibe in Zentraleuropa entwickelte und im Jahr 2018 27 Millionen Passagiere zählte. 1995 waren es noch acht Millionen Fluggäste.

Ein in den Augen der politisch Verantwortlichen wesentlicher Punkt in der Entwicklung Niederösterreichs zu einem wirtschaftlich und auch wissenschaftlich zunehmend bedeutenden Land stellen die europäischen Förderungen dar. Seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union lukrierte Niederösterreich Fördermittel in der Höhe von elf Milliarden Euro. Für Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und EU-Landesrat Martin Eichtinger (ÖVP) sei Niederösterreich „ein großer Gewinner des Beitritts, von dem alle Regionen profitiert hätten.“

EU Förderprojekte von Forschung bis Infrastruktur

Beispiele für Projekte, die mithilfe von Brüsseler Finanzspritzen realisiert wurden bzw. derzeit umgesetzt werden, gibt es viele. Im Bereich der Wirtschaft wird im Jahr 2020 beispielsweise die 2019 ins Leben gerufene Lehrlingsoffensive fortgesetzt. 46 Millionen Euro – unter anderem mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds – stehen dabei für Qualifikationsprogramme von jungen Erwachsenen bis 25 Jahren zur Verfügung und sollen helfen, die Jugendarbeitslosigkeit zu senken – mehr dazu in Lehrlingsoffensive geht in die Verlängerung (noe.ORF.at; 27.12.2019).

Ein prominentes Beispiel wirtschaftlicher Regionalförderung einer ehemals strukturschwachen Gegend ist die Therme Laa (Bezirk Mistelbach), die sich mithilfe der Europäischen Union zum Tourismus- und Jobmotor der tschechischen Grenzregion entwickeln konnte – mehr dazu in Therme Laa wird immer regionaler (noe.ORF.at; 9.11.2019).

Da der wirtschaftliche Aufschwung sowie der Fall der Eisernen Mauer zu einer massiven Steigerung des Verkehrsaufkommens in Niederösterreich führten, waren Lkw-Kolonnen in vielen niederösterreichischen Gemeinden die Folge. Durch Poysdorf (Bezirk Mistelbach) beispielsweise rollten täglich bis zu 3.000 Schwerfahrzeuge. Entlastung brachte die A5, die Nordautobahn. Ihr Ausbau zwischen Schrick und Poysbrunn (beide Bezirk Mistelbach), der etwa 21 Millionen Euro kostete, wurde durch die Europäische Kommission kofinanziert. Zuletzt bekam auch Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) eine Umfahrung, an deren Finanzierung sich die Europäische Union ebenfalls beteiligte – mehr dazu in Freigabe für Umfahrung Drasenhofen (noe.ORF.at; 7.9.2019).

Auch in der Wissenschaft konnte sich Niederösterreich nach dem EU-Beitritt erstmals einen Namen machen. Kofinanziert mit europäischen Förderungen errichtete das Land Technologie- und Forschungszentren. Auch das über die Landesgrenzen hinaus bekannte und in den Ergebnissen seiner Grundlagenforschung anerkannte Institute of Science and Technology Austria (ISTA) wurde von der Europäischen Kommission mit etwa 46 Millionen Euro gefördert – mehr dazu in IST Park in Klosterneuburg eröffnet (noe.ORF.at; 30.9.2019).

Die March-Auen mit Seitenarm aus der Vogelperspektive
viadonau
Eines von vielen europäischen Förderbeispielen: Die Renaturierung der March-Auen

Im Bereich des Umweltschutzes wurden niederösterreichische Flüsse mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Kommission renaturiert. Nach Jahren der Regulierung und einem damit einhergehenden Artensterben in den Ökosystemen der Gewässer wurden beispielsweise Abschnitte der Traisen, der Donau oder der March rückgebaut. Dadurch sollen sie wieder vermehrt zum Lebensraum selten gewordener Tiere und Pflanzen werden – mehr dazu in March-Auen: Artenvielfalt erholt sich wieder (noe.ORF.at; 3.11.2019).

Mikl-Leitner: „Mehr Geld für Regionalpolitik“

Um weitere ähnliche Projekte umsetzen zu können, will Niederösterreich auch in Zukunft möglichst hohe Förderungen aus Brüssel an Land ziehen. Laut Landesrat Martin Eichtinger zahle sich jede europäische Kofinanzierung für Niederösterreich mehrfach aus: „Jeden aufgewendeten Euro bekommen wir dreifach aus Brüssel zurück. In den letzten 25 Jahren waren wir sehr professionell unterwegs, kein europäisches Fördergeld liegen zu lassen.“

Für Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner seien aus niederösterreichischer Sicht in Bezug auf die Verhandlungen zum neuen EU-Budget zwei Förderbereiche besonders wichtig: „Zum einen, dass es auch weiter Geld gibt für Regionalpolitik, sodass wir auch weitere Projekte umsetzen können, bei denen die EU spür- und fühlbar bleibt in den Regionen. Zweitens geht es uns um die Agrarförderungen, sodass die Qualität der Produktion weiter beibehalten werden kann und vor allem auch die Kleinstrukturiertheit unserer Landwirtschaft“, so Mikl-Leitner.