Gesundheit

„Dr. Google“ als Gesundheitsgefahr

Im Internet kursieren immer wieder medizinische Falschmeldungen. Experten sehen darin eine Gefahr. „Dr. Google hat viele Nachteile, es gibt sehr viel Müll im Internet“, sagt Gerald Gartlehner von der Donau-Universität Krems im „NÖ heute“-Interview.

Gerade im Internet kursieren viele Unwahrheiten und medizinisch nicht belegte Daten. Über ein besonderes Beispiel von Fake-News im Gesundheitsbereich wurde am Donnerstag bei einem internationalen Kongress, dem Europäischen Forum für evidenzbasierte Prävention (EUFEP), in Perchtoldsdorf (Bezirk Mödling) diskutiert. In Japan ließen sich in den vergangenen Jahren 70 Prozent der Bevölkerung gegen HPV (Humane Papillomviren) impfen, die Gebärmutterhalskrebs verursachen können. Nach einer Fake-News-Kampagne von Impfgegnern sank die Durchimpfungsrate von 70 auf ein Prozent.

Berichterstattung im Gesundheitsbereich oft verfälscht

Auch abgesehen von derart außergewöhnlichen Beispielen sei die Berichterstattung im Gesundheitsbereich oft verfälscht, hieß es bei dem Kongress. Eine Studie zeigte, dass in knapp 60 Prozent der Medienbeiträge zu medizinischen Fragestellungen stark über- oder untertrieben wird.

Wie man seriöse Informationen erkennt und worauf Patienten achten müssen, erklärte Gerald Gartlehner, Department-Leiter für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation der Donau-Universität Krems, im „NÖ heute“-Interview.

noe.ORF.at: Früher war die Medizin eine Art Geheimwissenschaft, nur die Doktoren hatten das Wissen und die dicken Bücher, wo die Weisheit der Wissenschaft enthalten war. Ist das jetzt nicht ein großer Vorteil, Beschwerden und Symptome einfach im Internet nachzulesen?

Gartlehner: Diese Zeiten sind eindeutig vorbei. Das heißt, die besten und idealsten medizinischen Entscheidungen sind sogenannte „informierte Entscheidungen“, das heißt, eine gemeinsame Entscheidung zwischen Patienten und Arzt, wo Nutzen und Schaden einer Behandlung gemeinsam abgewogen werden. Das heißt, informierte Patienten sind in der heutigen Zeit sehr wichtig.

Robert Ziegler und Gerald Gartlehner beim Studiogepräch
ORF
ORF-NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler (l.) im Gespräch mit Wissenschaftler Gerald Gartlehner

noe.ORF.at: Sobald Symptome auftreten, recherchieren viele Menschen sofort im Internet. Wie risikoreich ist es, wenn ich mich aufgrund von Beschwerden über eine Suchmaschine informiere und dann vielleicht verwirrt bin?

Gartlehner: Dr. Google hat auch viele Nachteile, es gibt sehr viel Müll im Internet, wie wir wissen. Es gibt aber auch einiges an guten Informationen. Das Schwierige ist es, die gute von der schlechten Information zu trennen.

noe.ORF.at: Es gibt ein Beispiel aus Japan, wo die Durchimpfungsrate von Gebärmutterhalskrebs aufgrund von Fake News in den Keller gesunken ist. Könnte so etwas bei uns auch passieren?

Gartlehner: Grundsätzlich kann es immer passieren. Es hat in Japan damals wirklich eine Dynamik der Falschinformation und der Verschwörungstheorien gegeben und die Durchimpfungsrate ist von über 70 Prozent auf unter ein Prozent runtergefallen, was natürlich ein absolutes Desaster ist. Aber ich glaube, wirklich gefeit ist davor kein Land. Deswegen ist es auch so wichtig, dass die öffentliche Hand seriöse, interessenskonfliktfreie Gesundheitsinformationen für die Bevölkerung bietet.

Gespräch mit Gerald Gartlehner von der Donau-Universität

Gerald Gartlehner, Departmentleiter an Donauuniversität Krems, über medizinische Arbeit in Zeiten der Informationsbeschaffung aus dem Internet.

noe.ORF.at: Gibt es Kriterien auf Suchmaschinen, die mir die Zuverlässigkeit der Information gewährleisten?

Gartlehner: Es gibt sehr klare Kriterien, was gute und schlechte Information sind. Das Ganze ist auch in einem Gütesiegel zusammengefasst, dem Hon-Code. Das ist der Hinweis darauf, dass es sich um qualitätsvolle, gute Information im Internet handelt.

noe.ORF.at: Welche Empfehlung geben Sie, wenn ich Beschwerden habe? Ist der erste Weg zum Arzt oder hat es durchaus Sinn, mich im Internet zu informieren?

Gartlehner: Information ist grundsätzlich etwas Gutes. Patienten sollen sich informieren, wenn sie sich informieren möchten. Aber es macht natürlich Sinn zuerst auf Websites zu gehen, von denen bekannt ist, dass sie verlässlich sind. Es gibt in Österreich zum Beispiel das Gesundheitsportal, wo ausgewogen über das heimische Gesundheitssystem informiert wird. Wir betreiben an der Donau-Universität Krems eine Plattform namens „Medizin transparent“, wo man direkt anfragen kann, und wir beantworten Fragen über Gesundheitsbehauptungen. Jeder kann anfragen und wir recherchieren dann die wissenschaftliche Evidenz dahinter und fassen das in einer verständlichen Antwort zusammen.

Das Gespräch mit Gerald Gartlehner führte ORF-NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler