Medikamente und Rezeptgebühren
APA/HELMUT FOHRINGER
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Gesundheit

Engpässe an Medikamenten steigen weiter

Bei der niederösterreichischen Patientenanwaltschaft häufen sich die Beschwerde wegen nicht verfügbarer Medikamente. Solche Engpässe gibt es seit längerer Zeit. Seit Oktober hat sich die Anzahl jener Präparate, die nicht lieferbar sind, aber weiter erhöht. Ein verpflichtendes Melderegister könnte eine Lösung sein.

Wie viele und welche Arzneimittel in Österreich nicht erhältlich sind, weiß niemand so genau. Die Schätzungen, etwa der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) oder der Apothekerkammer, liegen zwischen 230 und 800. Die Verfügbarkeit einzelner Medikamente könne sich aber stündlich ändern. Die Lieferengpässe betreffen alle Bereiche, so der St. Pöltener Apotheker Andreas Gentzsch: „Zum Beispiel Augentropfen. Wir halten Rücksprache mit dem Arzt, ob er einverstanden ist, und dann holen wir aus Deutschland, Frankreich Präparate – irgendwo aus der EU werden wir es schon bekommen.“

Das bringt Apotheken vor allem viel zusätzliche Arbeit. Etwa eine Stunde am Tag verbringen die Mitarbeiter der Apotheke zum Goldenen Löwen in St. Pölten mit der Recherche, welche Medikamente gerade nicht erhältlich sind und welche Ersatzprodukte es gibt, sagt Apotheker Gentzsch. Diese Ersatzpräparate haben zwar den gleichen Wirkstoff, sehen aber anders aus. Das verunsichert wiederum Patientinnen und Patienten: „Aber wir überzeugen dann den Patienten, dass es auf den Inhaltsstoff ankommt und wenn der der gleiche ist, dann hat der Patient keinen Nachteil“, sagt Gentzsch.

Medikamentenengpässe in Niederösterreich
ORF
Von Augentropfen über Blutdrucksenker bis hin zu Hormonpräparaten oder der Antibabypille: Vieles ist derzeit nicht lieferbar

Globales Phänomen, das sich weiter zuspitzt

Das Problem ist nicht neu – mehr dazu in Medikamente: Starker Anstieg bei Engpässen (noe.ORF.at; 8.10.2019). Seit dem Oktober habe sich die Zahl der vergriffenen Medikamente laut Apothekerkammer aber weiter erhöht. Die Gründe dafür seien vielseitig. Die Herstellung findet hauptsächlich in Indien und China statt. Die Lieferzeit nach Europa ist lang, bei Qualitätsmängeln muss die Produktion gestoppt werden. Auch der Zusammenschluss von Pharmaunternehmen bringe Probleme, erklärt die Apothekerkammer. Manche Wirkstoffe würden nur mehr von einem Unternehmen produziert. Wenn dort die Produktion ausfalle, gebe es auch keine Generika als Ausweg mehr, weil diese ja die gleichen Wirkstoffe enthalten.

Pharmafirmen müssen mögliche Lieferengpässe nicht verpflichtend melden. Expertinnen und Experten fordern aber seit längerem ein offizielles Melderegister. Die entsprechende Verordnung für dieses Register wird derzeit im Sozialministerium bearbeitet, heißt es von einem Sprecher: „Vertriebseinschränkungen sollten zukünftig verpflichtend dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) gemeldet werden, um mehr Transparenz zu schaffen und um auftretende Engpässe rechtzeitig zu erkennen.“

Medikamentenengpässe in Niederösterreich
ORF
Zulassungsinhaber können bis jetzt freiwillig melden, wenn Medikamente nicht lieferbar sind

Damit würden Pharmafirmen dazu verpflichtet werden, mögliche Lieferengpässe zeitnah zu melden. Wer diese Informationen dann einsehen soll, ist noch nicht klar. Im Grunde gibt es drei Beteiligte in der Lieferkette: Pharmaunternehmen, Großhändler und Apotheken. Peter Gonda, Präsident der Apothekerkammer Landesgeschäftsstelle Niederösterreich, glaubt, dass das Melderegister nur hilfreich ist, wenn auch Großhändler ihre Lagerbestände einmelden. Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin der AGES-Medizinmarktaufsicht, spricht sich sogar dafür aus, dass die Daten öffentlich sind – also jeder sie einsehen kann.

Kleinere Packungen werden verkauft

Auch die Patientenanwaltschaft ist zunehmend mit dem Problem konfrontiert. Die Beschwerden von Patienten, wie auch von Ärzten und Apothekern, häufen sich, sagt Patientenanwalt Gerald Bachinger: „Es kommt auch vor, dass Apotheken dann statt Monatspackungen nur mehr Zehner-Packungen hergeben, weil sie eben haushalten müssen, was ja auch verständlich ist. Aber für den Patienten bedeutet es, er muss statt einmal dreimal zur Apotheke und dreimal Rezeptgebühren bezahlen.“ Bachinger drängt darauf, dass die Verordnung für das Melderegister unterschrieben wird. Dazu zählt auch das Verbot, für Österreich vorgesehene Kontingente an Medikamenten ins Ausland zu verkaufen, wenn diese nur mehr knapp vorhanden sind.

„Es ist leider so, dass die Information zwischen den Berufsgruppen und den Gesundheitsdiensteanbietern sehr schlecht funktioniert. Hier braucht es ein besseres Informationsmanagement. Dass es eben nicht passiert, dass der Arzt ein Rezept ausstellt, der Patient in die Apotheke geht und dort erst erfährt, dass das Medikament nicht lieferbar ist.“ Ärztinnen und Ärzte sollen während des Schreibens des Rezepts sehen können, ob das Medikament erhältlich ist oder nicht. Für die nächsten Wochen und Monate sind nach Einschätzung von Patientenanwalt Bachinger aber noch keine Besserungen bei den Lieferproblemen in Sicht.