Der Andrang auf Führerscheinkurse in dem 34-Millionen-Einwohner-Land Saudi-Arabien ist enorm. Bis zu zwölf Monate wartet man als Frau auf einen freien Platz in einer Fahrschule. Weil noch immer streng nach Geschlechtern getrennt wird, gibt es einen großen Mangel an Fahrlehrerinnen. Deshalb werden in Teesdorf (Bezirk Baden) Fahrlehrerinnen dahingehend ausgebildet, dass sie wiederum Fahrtrainerinnen in Saudi-Arabien unterrichten können.
Erforderlich sind sehr gute Englischkenntnisse. Eine ausgebildete Fahrlehrerin muss man nicht zwingend sein. Alexandra Abaza aus Wien ist eine der zukünftigen Fahrlehrerinnen, die derzeit in Teesdorf die Ausbildung absolviert: „Ich habe auf Facebook gelesen, dass Frauen für dieses Projekt gesucht werden. Und nachdem ich die Golfregion kenne und in Dubai schon als Journalistin gearbeitet habe, passt das sehr gut zu mir.“ Elisabeth Berger aus Axams (Tirol) geht mit Respekt an die Aufgabe heran, wie sie sagt: „Diese Aufbruchstimmung, die dort unten gerade ist, finde ich sehr spannend.“
Projekt von Fahrschule und Trainingszentrum
Organisiert wird die Ausbildungskooperation zwischen Niederösterreich und Saudi-Arabien vom Fahrtrainingsunternehmen „Test & Training International“ in Teesdorf und einer Fahrschulkette. Werner Fichtinger, Besitzer einer Fahrschule in Ybbs an der Donau (Bezirk Melk) und Fahrlehrer, leitet den Kurs in Teesdorf: „Einerseits sind es bereits ausgebildete Fahrlehrerinnen, andererseits schauen wir, dass wir interessierte Frauen finden, die schon gewisse Vorkenntnisse als Instruktor oder im Bereich der Pädagogik haben.“
Fichtinger entwickelte das Programm gemeinsam mit Franz Wurz, Geschäftsführer von „Test & Training International“: „Wir haben uns abgestimmt und unsere Damen haben das perfekt umgesetzt. Das wurde in Saudi-Arabien evaluiert, da hat es auch andere Anbieter gegeben, im Endeffekt sind wir ausgesucht worden.“ Bis zu 4.500 Euro verdienen die österreichischen Fahrlehrerinnen pro Monat. Dazu kommen Flug, Hotel und Verpflegung. Bis zu 30 Frauen werden heuer aufgenommen.
Fahrlehrerin erlebt in Saudi-Arabien positive Reaktionen
Die beginnende Freiheit der Frauen komme schon langsam in den Köpfen der Männer in Saudi-Arabien an, meint Claudia Gruber-Filippits. Sie ist immer wieder im Land unterwegs, um neue Fahrschullehrerinnen auszubilden: „Ich habe auch von sehr vielen Männern, die ich im Flugzeug getroffen habe oder im Hotelaufzug, sehr positive Rückmeldungen bekommen, wenn man sagt, dass man hier Fahrlehrerinnen ausbildet. Speziell die junge Bevölkerung begrüßt das sehr.“
Und doch war Saudi-Arabien das letzte Land der Welt, in dem Frauen nicht Autofahren durften. Wenn sie es vor Juni 2018 doch taten, wurden sie von der Polizei festgenommen. Auch wenn Frauen studieren oder arbeiten wollen, brauchen sie die Zustimmung eines Mannes. Es dürfte noch ein langer Weg sein, bis Frauen in Saudi-Arabien annähernd die gleiche Unabhängigkeit haben wie Frauen in Europa. Die Freiheit, die ein Führerschein bringt, ist sicherlich ein erster Schritt in diese Richtung.