Tschirtners berühmte Kopffüßer
NÖ Museum Betriebs GmbH, Müller
NÖ Museum Betriebs GmbH, Müller
Kultur

Oswald Tschirtner in 260 Werken

Dem Gugginger Künstler Oswald Tschirtner, dessen Geburtstag sich im Mai zum 100. Mal jährt, widmet das „museum gugging“ eine 260 Werke umfassende Retrospektive. „oswald tschirtner.! das ganze beruht auf gleichgewicht“ läuft ab sofort bis September.

Der 1920 in Perchtoldsdorf geborene Künstler wollte ursprünglich Theologie studieren und Priester werden. Im Zweiten Weltkrieg musste er zur Wehrmacht einrücken, wurde in Südfrankreich „in verwirrtem Zustand“ aufgegriffen und 1954 in der damalige Landes-Heil- und Pflegeanstalt Gugging stationär aufgenommen. 1981 kam er ins Haus der Künstler, wo ihn Primar Leo Navratil zum Zeichnen animierte.

Zum schon legendären Leitmotiv Tschirtners wurde der geschlechtslose Kopffüßler, bei dem Kopf und Füße zu einer rumpflosen Einheit verwachsen. Der Titel der Ausstellung findet sich bei zwei Zeichnungen. Feilacher über die Persönlichkeit des stets zurückhaltenden, 2007 verstorbenen Künstlers: „Auf der einen Seite war es ihm nicht wichtig, was andere Menschen über ihn und seine Kunst dachten. Auf der anderen Seite war der Frieden mit seiner Umwelt sein höchstes Ziel.“ Am 24. Mai 2020 – dem 100. Geburtstag des Künstlers – ist ein großes Fest in Maria Gugging geplant. Die Retrospektive ist mit 260 Werken die größte Ausstellung zum Wirken Oswald Tschirtners.

Bild mit Sonne, Mond und Stern
NÖ Museum Betriebs GmbH, Müller

Großer Einfluss auf Künstler anderer Sparten

Tschirtners in ihrer Reduktion ebenso konzentrierte wie ausdrucksstarke Werke haben Maler wie Peter Pongratz oder Musiker wie David Bowie und Hans-Joachim Roedelius beeindruckt und inspiriert. Auch im öffentlichen Raum ist er präsent, z.B. im Radiocafé des Wiener Funkhauses. Etwa 90 Prozent der Arbeiten sind schwarz-weiß in Tusche, nur gelegentlich und auch in den letzten Lebensjahren ließ sich Tschirtner zu Kolorierungen anregen.

Eine 468-seitige Monografie enthält neben zahlreichem Bildmaterial und einem Werkverzeichnis Beiträge zu Tschirtners Schaffen. Johann Feilacher widmet sich der Kunst des leeren Raums, Maria Höger der Rezeptionsgeschichte, Nina Ansperger dem Aspekt der Religiosität, Lisa Windischbauer dem Verhältnis von Arnulf Rainer zu den Gugginger Künstlern, Nina Katschnig schildert persönliche Begegnungen.

Auch die galerie gugging zeigt eine Schau im thematischen Kontext: „…weiblich mächtig – männlich zart…misleydis castillo pedroso & oswald tschirtner“ stellt Tschirtners Werk Arbeiten einer jungen kubanischen Art-Brut-Künstlerin gegenüber (bis 29. Mai). Außerdem weiterhin im museum gugging zu sehen ist die Ausstellung „gehirngefühl.! kunst aus gugging von 1970 bis zur gegenwart“ (bis 11. April 2021).