Geschlossenes Wirtshaus
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Wirtschaft

Jeden Monat schließen vier Gasthäuser

Früher waren Gasthäuser fixer Bestandteil in fast allen Gemeinden. Seit den 1980er-Jahren geht die Zahl der Wirtshäuser in Niederösterreich jedoch konstant zurück. In den vergangenen 20 Jahren schlossen im Durchschnitt pro Monat etwa vier Gasthäuser.

In den vergangenen Jahren sorgte vor allem das Rauchverbot für Diskussionen um Schließungen von Wirtshäusern. Daran allein kann das grassierende Gasthaussterben in Niederösterreich mit Blick auf die Statistik aber nicht liegen. Bereits in den 1980er-Jahren begann die Zahl der Wirtshäuser stetig zurückzugehen. Allein in den letzten 20 Jahren sperrten 30 Prozent aller Gasthäuser zu. Waren es nach Angaben der Wirtschaftskammer Niederösterreich im Jahr 2001 noch 2.773 Betriebe, sind es heute nur noch 1.922. Damit gehen den Gemeinden nicht nur Wirte verloren, sondern auch Treffpunkte fürs Gemeindeleben.

Auch unter den nicht einmal mehr 2.000 Wirtshäusern kann man nur noch in 1.385 essen gehen, die restlichen 537 Standorte besitzen zwar noch ihre Lizenzen, legten aber zumindest vorübergehend ihren Betrieb still und sind bei der Wirtschaftskammer als ruhend gemeldet. Diese Möglichkeit nutzen Wirte etwa dann, wenn sie ihr Gewerbe nicht aufgeben möchten, aber beispielsweise Zeit bis zu einer Neueröffnung oder Übernahme überbrücken wollen.

Schwierigkeiten auch in Tourismusregionen

Die Entwicklung der abnehmenden Anzahl an Wirtshäusern zeigt sich in ganz Niederösterreich. Selbst vor bei Touristinnen und Touristen beliebten Regionen wie Krems machte das Gasthaussterben nicht halt. In den letzten zehn Jahren ging die Zahl der Wirtshäuser dort um etwa 25 Prozent zurück. Laut Bezirksvertrauensobmann Andreas Macher, der Gastronom der Schwarzen Kuchl in Krems ist, ist der Rückgang klassischer Wirtshäuser in erster Linie auf die Personalnot zurückzuführen.

Ob bei Köchinnen und Köchen, Servicepersonal oder bei Nachfolgern: In der Gastronomie werde es immer schwieriger, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. „Das ist ein Hauptgrund für viele, sich die Gastronomie nicht mehr anzutun, sondern das Gasthaus zuzusperren und sich stattdessen ein anderes Gewerbe zu suchen“, sagt der Branchensprecher gegenüber noe.ORF.at.

Leere Gaststube
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Durchschnittlich sperrten in den letzten 20 Jahren pro Monat vier Gasthäuser zu

Große Personalnot in der Gastronomie

Branchenkenner Macher spricht von Versäumnissen in der Vergangenheit. Lange Zeit sei jungen Menschen von einer Lehre in der Gastronomie abgeraten worden. „Diese Arbeitskräfte fehlen heute und sind für die Personalnot mitverantwortlich.“

Diese Erfahrung machte auch Karl Schmölz, der den Gasthof seiner Eltern in St. Christophen (Bezirk St. Pölten) 2009 in fünfter Generation übernommen hatte. Nach dem Tod seines Vaters, der Pensionierung seiner Mutter und weiteren unbesetzten Stellen des Traditionsgasthauses entschloss er sich im Oktober, die Gaststube für immer zu schließen. Gastwirte ohne ausreichende Fachkräfte wären gezwungen, 70 Stunden oder mehr pro Woche zu arbeiten. Auf Dauer konnte er die fehlenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht kompensieren.

Zudem sei das Personal oft nicht mehr so flexibel wie es die Gastronomie erfordern würde. „Die Freizeit wird generell immer wichtiger. Zu arbeiten, wenn andere freihaben, und an Wochenenden, Feiertagen und Abenden Geld verdienen zu müssen – das wollen immer weniger Menschen. Viele hören spätestens auf, wenn sie eine Familie gründen.“

Erfolglose Nachfolgersuche führt zu Schließungen

Auch die Essensgewohnheiten veränderten sich in den letzten Jahren stark. Man nehme sich deutlich seltener Zeit für eine Mahlzeit, beklagen viele Wirtinnen und Wirte. Die Schnelllebigkeit belebt laut Branchenkenner Macher andere Gastronomiezweige: „Mittlerweile wird in Möbelhäusern, Tankstellen oder Vereinshäusern ausgeschenkt. Beinahe überall gibt es Möglichkeiten, zwischendurch etwas Schnelles zu essen zu bekommen. Dieses Geschäft geht auf Kosten der Gasthäuser.“

Gastwirtpaar Weber
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Seit Jahren sucht das Gastwirtehepaar Weber nach Nachfolgern für ihren Tullnerfelderhof

Neben der Personalnot würde es auch durch steigende Auflagen und Reglementierungen immer schwieriger, den Betrieb aufrechtzuerhalten. In Summe führe das dazu, dass Betriebe oft mit der Pensionierung der Wirtinnen und Wirte schließen müssten, so Macher. Eines von vielen solcher Beispiele findet man in Staasdorf (Bezirk Tulln). Josef Weber erreichte vor fünf Jahren das Pensionsantrittsalter. Gerne hätte er den Tullnerfelderhof an die nächste Generation weitergegeben.

Weil er aber seit Jahren keine Nachfolge findet, steht er mit seiner Frau nach wie vor an fünf Tagen pro Woche im Betrieb. Mit Ausnahme einer Tochter kommen die Kinder der Webers für eine Nachfolge nicht infrage. Sie haben sich für andere Berufe entschieden. „Die Tochter ist alleinstehend. Wenn man ein Gasthaus führt, braucht man Unterstützung von der Familie und viel Rückhalt. Ein Wirtshaus erfordert viel Zeit und Einsatz“, weiß Weber aus eigener Erfahrung.

Unter einer Bedingung sind die Webers auch zum Verkauf des Tullnerfelderhofes bereit: „Wenn der Käufer den Gasthof als Gasthof weiterführt, verkaufen wir gerne. Was ich nicht möchte, ist ein Abriss. Dazu habe ich mein Leben lang viel zu viel hereingesteckt.“ Kaufangebote von Investoren wurden vom Gastwirte-Ehepaar ausgeschlagen. Stattdessen arbeitet es weiter und hofft, eventuell doch noch jemanden zu finden.

Würde der Tullnerfelderhof schließen, ginge der Region nicht nur ein weiterer Wirt verloren, betonen sie: „Es gibt hier ja sonst nichts, wo man sich treffen kann. Das ganze gesellschaftliche Leben spielt sich hier ab. Die Vereine treffen sich in der Gaststube. Und bis nach Gablitz Richtung Wien gibt es über den ganzen Riederberg kein einziges Wirtshaus mehr“, so Weber.

Wirte müssen sich zunehmend spezialisieren

Macher sieht für Wirtshäuser einen immer größeren Bedarf, sich zu spezialisieren und ein Marketingkonzept zu entwickeln, das sich der heutigen Zeit anpasse. Er selbst ist für seine vielen verschiedenen Gulaschvarianten bekannt und bietet mittags Menüs an, um auch Gäste mit Zeitdruck bewirten zu können.

Ähnlich sieht das Karl Schmölz, der sich aber mittlerweile vom Gedanken der eigenen Gaststube entfernt hat. Einen Teil seines Gasthauses nutzt er für Fremdenzimmer, sein Kerngeschäft bildet mittlerweile die Verpflegung von Kindergärten und Schulen. Er beliefert montags bis freitags sieben Gemeinden in der Umgebung mit etwa 600 Mittagsmenüs für Kinder. Die Vorteile liegen für ihn in berechenbaren Dienstzeiten und einem geringeren Personalaufwand. „Der Branche bleibe ich damit zumindest erhalten. Es gibt uns noch, aber den Nahversorger und das Wirtshaus gibt es nicht mehr.“