Politik

Erstmals grüner Kandidat in der Industrie

Die Grüne Wirtschaft stellt bei den Wirtschaftskammerwahlen erstmals einen Kandidaten in der Sparte Industrie. Damit kommt es in der Fachgruppe Lebensmittelindustrie erstmals zu einer Wahl. Bislang war jeweils nur die Industriellenvereinigung mit einer Liste angetreten und galt somit als gewählt.

„Meine Kandidatur ist eine Solidaritätsstimme gegenüber der Grünen Wirtschaft“, sagte Lucas Kluger, Inhaber einer kleinen Brauerei in Schwechat (Bezirk Bruck an der Leitha) bei einem Pressegespräch am Freitag in St. Pölten. Er ist der Grund dafür, dass bei der dreitägigen Wahl Anfang März erstmals in der Sparte Industrie gewählt wird – dort allerdings nur in „seiner“ Fachgruppe, der Lebensmittelindustrie.

„Ich finde es wichtig, ein Zeichen zu setzen. Es ist verlockend, Produkte einzukaufen, die nicht biologisch angebaut wurden, weil sie – noch – billiger sind, aber es ist eine Frage, was ich meinen Kindern weitergeben möchte, wo meine Ehrlichkeit zu meinem Produkt und zu den Menschen ist“, so Kluger.

„25 Prozent der Mitglieder können nicht wählen“

Die Wirtschaftskammer besteht aus 94 Fachgruppen, gewählt wird von 2. bis 4. März aber nur in 71. In 23 Fachgruppen finden nämlich sogenannte „Friedenswahlen“ statt. Das bedeutet, dass es nur einen Wahlvorschlag gibt, der automatisch als gewählt gilt. „25 Prozent aller Pflichtmitglieder können somit keine Stimme abgeben“, kritisierte der Spitzenkandidat bzw. Regionalsprecher der Grünen Wirtschaft, August Lechner. „So kann Demokratie nicht funktionieren, so kann sich der Unternehmer oder die Unternehmerin nicht vertreten fühlen.“

Elisabeth Götze, August Lechner, Lucas Kluger
Grüne NÖ/Michael Pinnow
Präsentierten ihr Programm zur Wirtschaftskammerwahl (v.l.): Elisabeth Götze (Nationalratsabgeordnete der Grünen), August Lechner (Regionalsprecher der Grünen Wirtschaft) und Lucas Kluger (Kandidat der Grünen Wirtschaft in der Sparte Lebensmittelindustrie)

Als Beispiel verwies Lechner auf die Sparte Industrie, eine von sieben Sparten, in denen gewählt wird. Dort tritt seit jeher nur die Industriellenvereinigung (IV) mit einer Liste an. „Sie (die IV; Anm.) ist nicht gewillt, dass hier Wahlen abgehalten werden, sie ist der Meinung, das müsste überparteilich gehandhabt werden und ignoriert dabei komplett, dass sich das Ganze ins Wirtschaftsparlament hineinzieht“, so Lechner.

Daher wolle man nun einen Systemwechsel vorantreiben. „Wir sind auf die Suche gegangen, wo das Thema der Zukunft in der Industrie ist, und sind fündig geworden. Lucas Kluger ist ein Brauer, der regional arbeitet und beliefert. Er ist ein Paradebeispiel dafür, wie Industrie ganz anders funktionieren kann.“

Wahlziel: „Bundesweit zweitstärkste Kraft werden“

Die Grüne Wirtschaft tritt bei den Wirtschaftskammerwahlen mit 112 Kandidatinnen und Kandidaten in 41 Fachgruppen an, vor fünf Jahren waren es noch rund 90 Kandidatinnen und Kandidaten in 38 Fachgruppen. „Unser Wahlziel ist, bundesweit die zweitstärkste Kraft zu werden“, so Lechner.

Er setzt sich zudem für eine neue Wahlordnung ein. Unternehmerinnen und Unternehmen sollten künftig nicht nur ihre eigenen Fachgruppenvertreter, sondern auch die Vertreter im Wirtschaftsparlament direkt wählen können, forderte der Regionalsprecher der Grünen Wirtschaft.

Nachhaltiges Wirtschaften als zentrales Thema

Inhaltlich verschrieb man sich dem Thema Nachhaltigkeit. Konkret soll Unternehmen ermöglicht werden, nachhaltig produzieren zu können. Laut der Wirtschaftsprecherin der Grünen im Nationalrat, Elisabeth Götze, soll das etwa mit einer „Entlastung für jene, die nachhaltig wirtschaften, und einer Belastung für jene, die nicht nachhaltig wirtschaften“ gelingen. Darüber hinaus sollen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen neben dem Bestbieter-Prinzip auch ökologische Kritierien berücksichtigt werden, forderte Götze.

Die Grüne Wirtschaft erreichte bei der Wahl vor fünf Jahren 6,8 Prozent der Stimmen und lag damit hinter dem Wirtschaftsbund (72,9 Prozent), dem Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband (11,2 Prozent) und der Freiheitlichen Wirtschaft (7,4 Prozent) auf dem vierten Platz. Die Grünen stellen derzeit vier von 120 Vertretern im Wirtschaftsparlament.

Wirtschaftskammer: „Das ist falsch“

Nach der Behauptung der Grünen Wirtschaft, wonach 25 Prozent der Mitglieder der Wirtschaftskammer Niederösterreich (WKNÖ) keine Stimme abgeben könnten, hieß es am Freitagnachmittag in einer Aussendung der WKNÖ: „Das ist falsch“. In Summe gebe es bei der Wahl in Niederösterreich „145.863 Stimmrechte der 94 unterschiedlich großen Fachorganisationen. Davon entfallen lediglich 1.324 Stimmrechte auf Fachorganisationen, wo es eine sogenannte Friedenswahl gibt und daher nicht gewählt wird. Das sind 0,9 Prozent der Stimmrechte und nicht 25 Prozent.“

IV: „Kein Sinn, als Einzelperson Parteipolitik zu betreiben“

Die überparteiliche und unabhängige „Liste der NÖ Industrie“ habe in den letzten Jahren viele wichtige Brancheninitiativen gesetzt und politische Verhandlungserfolge erzielt, schrieb am Freitagnachmittag die Industriellenvereinigung Niederösterreich (IV NÖ). „Es macht keinen Sinn, hier als Einzelperson Parteipolitik zu betreiben. Als überparteiliche Liste vertreten wir die Interessen der Industrie kompetent und nicht parteipolitisch motiviert“, so Thomas Salzer, der Präsident der IV NÖ.

Die Fachvertretung der Nahrungs- und Genussmittelindustrie bilde einen sehr vielfältigen Branchenquerschnitt ab. „Gemeinsam können wir mehr erreichen. Dafür ist es aber auch wichtig, dass möglichst viele Unternehmen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen", sagte Salzer.