Bad Großpertholz
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Politik

FPÖ stellt erstmals Bürgermeister

Hermann Hahn wird in Bad Großpertholz (Bezirk Gmünd) der erste freiheitliche Bürgermeister in Niederösterreich. FPÖ und SPÖ präsentierten am Sonntag ein gemeinsames Arbeitsübereinkommen. Kritik kam hingegen von ÖVP, Grünen und NEOS.

Nach „gründlichen Verhandlungen“, wie es in einer Aussendung hieß, konnte nun „eine tragbare und spannende Lösung für die kommunalpolitische Zukunft der Marktgemeinde Bad Großpertholz“ gefunden werden, teilten die SPÖ, die bei der Gemeinderatswahl auf Platz zwei gelandet war, und die Liste „Freiheitliche und Unabhängige Pertholz Aktiv“ mit, die die drittstärkste Kraft im Gemeinderat ist, mit. Die beiden Parteien fixierten ein Arbeitsübereinkommen und werden sich die Legislaturperiode teilen.

In der ersten Hälfte wird der freiheitliche Spitzenkandidat Hermann Hahn jun. den Bürgermeister stellen, den Vizebürgermeister stellt die SPÖ mit Spitzenkandidat Josef Scharinger. Nach zweieinhalb Jahren erfolgt der Wechsel. „Das Ergebnis der Verhandlungen und das heute verabschiedete Arbeitsübereinkommen kann sich durchaus sehen lassen und trägt dem Wählerwillen Rechnung", sagte Scharinger.

Bürgermeister sieht Wählerauftrag erfüllt

Auch der designierte Bürgermeister Hermann Hahn sieht mit dem Arbeitsübereinkommen den Wählerauftrag erfüllt. „Die Pertholzer Volkspartei hat sich in den anfangs durchaus konstruktiven Verhandlungen zuletzt aber selbst aus dem Rennen genommen“, sagte Hahn. Denn die Pertholzer VP hätte – trotz zuvor noch getätigter großzügiger Zugeständnisse an Pertholz Aktiv – gleichzeitig konträre Parallelverhandlungen mit der SPÖ geführt. „Diese Strategie, das Amt der Bürgermeisterin um jeden Preis zu erhalten, ist gescheitert.“

Die beiden Koalitionspartner laden die Volkspartei aber dennoch ein, „zukünftig konstruktiv für die Gemeinde mitzuarbeiten“, und würden ihnen auch nicht unwesentliche Ressorts anbieten, wurde in der Aussendung betont. FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl hatte bereits am Nachmittag in einer Aussendung angekündigt, dass Hermann Hahn der erste freiheitliche Bürgermeister Niederösterreichs werde.

Scharfe Kritik von ÖVP Niederösterreich

Auf die Aussendung Waldhäusls folgte prompt heftige Kritik der Volkspartei Niederösterreich. „Bad Großpertholz wird das Symbol für die Selbstaufgabe der Sozialdemokratie“, ließ Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner per Aussendung wissen. Für die Zukunft sei damit eines klar, so Ebner: „Die SPÖ macht für jeden den Steigbügelhalter, für eine Partei, die sich selbst aufgegeben hat, gibt es weder moralische noch ideologische Prinzipien.“

Hermann Hahn werde „perfekte Arbeit für die Menschen leisten“, zeigte sich hingegen Waldhäusl in der Aussendung überzeugt. „Ich kenne ihn schon sehr lange und auch seine Haltung: Nämlich, dass Parteipolitik in der Gemeinde nichts zu suchen hat. Hermann stand und steht zur Sachpolitik und das ist der Garant dafür, dass er mit inhaltlicher Arbeit das Beste für die Bad Großpertholzer schaffen wird“, sagte Waldhäusl.

SPÖ-Kocevar: „ÖVP kann Aufregung wieder einstellen“

Die ÖVP könne die „künstliche Aufregung" wieder einstellen, reagierte SPÖ-Landesgeschäftsführer Wolfgang Kocevar: „Sich künstlich über ein demokratisch zustande gekommenes Arbeitsübereinkommen zu echauffieren steht der ÖVP unter Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner überhaupt nicht. Sie hat es sich immerhin offensichtlich zur Lebensaufgabe gemacht als Zweiter die stärkste Partei SPÖ in zahlreichen Gemeinden auf die Oppositionsbank zu verfrachten.“ Kocevar spricht davon, dass sich die SPÖ und eine Bürgerliste zusammengefunden hätten. Dies entspreche einer Mehrheit im Gemeinderat und damit einem zutiefst demokratiepolitischen Akt.

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Kritik auch von Grünen und NEOS

Die Wahl des ersten blauen Bürgermeisters durch die SPÖ zeige „das Ende der Moral der SPÖ in der Niederösterreich", kritisierten auch die Grünen am Sonntag. „Die Sozialdemokratie wirft alle ihre Grundsätze so einfach über Bord“, sagte der Landesgeschäftsführer der Grünen, Hikmet Arslan, "Werte und Moral zählen anscheinend bei der SPÖ in unserem Bundesland nicht mehr. Die freiheitliche Partei kann sich bei so einer Sozialdemokratie bedanken.“

NEOS-Landessprecherin Indra Collini zeigt sich ob der Bürgermeisterwahl in Bad Großpertholz irritiert. „Heute ist die Frage angebracht, wofür die Sozialdemokratie eigentlich steht und für welche Werte sie in Niederösterreich eintritt. Es ist unverständlich, dass man der FPÖ den Bürgermeistersessel überlässt, obwohl man vor ihr liegt. Das ist eine freiwillige Selbstaufgabe.“

ÖVP verlor bei Gemeinderatswahl die Absolute

Die ÖVP hatte bei der Gemeinderatswahl am 26. Jänner die absolute Mehrheit in Bad Großpertholz verloren. Sie rutschte von 65,32 auf 41,43 Prozent ab. Die SPÖ verzeichnete leichte Zugewinne von 25,55 auf 29,93 Prozent. Die FPÖ, die als Liste FPÖ angetreten war, konnte stark dazugewinnen. Sie steigerte sich von 9,13 Prozent im Jahr 2015 auf 28,64 Prozent bei dieser Wahl. Damit stellt die ÖVP künftig nur noch acht der 19 Mandatare (-5). Sechs entfallen auf die SPÖ (+1), fünf auf die FPÖ (+4).

Die Hand zur Zusammenarbeit bleibe „natürlich bis zum Schluss ausgestreckt“, teilte die bisherige ÖVP-Bürgermeisterin Martina Sitz am Sonntag mit. „Leider hat die SPÖ die letzten Tage wenig Gesprächsbereitschaft gezeigt und die Winkelzüge der letzten Wochen haben bereits darauf hingedeutet, dass die SPÖ die FPÖ zum Bürgermeister macht. Wir als Volkspartei werden jetzt sofort eine Teamsitzung einberufen und uns auf die neue Situation vorbereiten.“