Das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren ist der Anlass für die Sonderausstellung in St. Pölten. Anhand von Hitlers Jugendjahren soll die charakterliche und politische Entwicklung jenes Mannes gezeigt werden, der den Beginn des Zweiten Weltkriegs zu verantworten hat. Von Hitlers Geburt 1889 in Braunau in Oberösterreich bis zu seinem Eintritt in den Ersten Weltkrieg 1914 in der Bayerischen Armee zeigt die Schau, wie ihn zuerst sein familiäres Umfeld, später seine Schulausbildung in Linz und das Leben in Wien prägten.
Selbstüberschätzung und beginnender Größenwahnsinn ziehen sich bereits durch die frühen Jahre. Niederlagen oder Rückschläge gab es in Hitlers (1889-1945) subjektiver Wahrnehmung nicht. Laut Christian Rapp, wissenschaftlicher Leiter des Hauses der Geschichte, zeigt sich dieser Charakterzug Hitlers bereits sehr früh: „Er strebt dann immer das Nächsthöhere an, wenn ihm etwas misslingt. Er hat eine große Sorge, sich zu blamieren.“
Originalobjekte aus dem Nachlass August Kubizeks
Seinem Jugendfreund August Kubizek erzählte Adolf Hitler etwa nicht, dass er 1907 von der Akademie der bildenden Künste abgelehnt wurde. Als Hitler das zweite Mal scheiterte, tauchte er unter und verließ die gemeinsame Wohnung. In der Ausstellung wird der letzte Brief Hitlers an Kubizek gezeigt. Darin findet sich aber kein Hinweis darüber, dass Hitler ausgezogen war. Er hatte finanzielle Probleme und zog im Alter von 20 Jahren in ein Obdachlosenasyl in Wien-Meidling.
Die Schau wurde in Zusammenarbeit mit dem Historiker Hannes Leidinger erstellt. Für ihn ist Hitlers Sozialisation in Österreich ausschlaggebend für sein späteres Leben: „Er ist 56 Jahre alt geworden und hat die Hälfte seines Lebens in Österreich verbracht. Er muss doch von Österreich in dieser Zeit auch geprägt werden, wir alle werden ja in unserer Jugend geprägt.“ Bestehende Hitler-Biografien würden zudem auf seine frühen Jahre nur sehr kurz eingehen und erst mit seiner Zeit in München starten.
Dabei entwickelten sich die späteren Charakterzüge in der Jugend, so Leidinger: „Dieser Hitler, den wir von den Reden kennen, dieser teilweise lächerliche, teilweise dämonische, jedenfalls unangenehme Redner, auch ein charakterlich erstarrter Mensch – der ist sehr, sehr früh in seiner Jugend schon erkennbar.“ Christian Rapp und Hannes Leidinger fassten Hitlers Entwicklung in seinen Jugendjahren auch in einem Buch zusammen.
Berührungspunkte mit Antisemitismus
Bereits in seiner Kindheit in Oberösterreich ist Hitler in einem antisemitischen Milieu aufgewachsen, so Christian Rapp. Sein Geburtsort Braunau spielte in seinem Leben eigentlich eine untergeordnete Rolle, so Kuratorin Andrea Thuile: „Sein Vater war Zollbeamter. Als Hitler drei Jahre alt war, ist die Familie von Braunau nach Passau, dann von Passau wieder nach Österreich, gezogen. Linz hat ihn dann in seiner Schulzeit stark geprägt.“ In der Schau erzählen ehemalige Schulkollegen in Audioaufnahmen aus den 1970er-Jahren von Hitlers Verhalten in der Schule. Schon damals habe er immer der Anführer sein wollen und die Klasse in Germanen und Nicht-Germanen geteilt.
Dokumentiert ist Hitlers großes Interesse am Antisemitismus dann erstmals während seiner Zeit in Wien. Im Alter von 18 Jahren zog er dorthin. Nach Aussagen von August Kubizek trat Hitler einem antisemitischen Verein bei. Was Hitler in sein Weltbild übernahm, sei damals durchaus gesellschaftlicher Mainstream gewesen, so Kuratorin Andrea Thuile: „Er musste nichts erfinden. Er hat Bestehendes radikalisiert, massentauglich gemacht.“
Für die damalige Gesellschaft seien seine Ansätze eigentlich nichts Neues gewesen, sagt Christian Rapp: „Das war in den Tageszeitungen zu lesen. Das hat mich persönlich überrascht. Ob es der Imperialismus war, also die Vorstellung, die Europäer müssen sich ausdehnen können, die Rassenhygiene, die ernst genommen wird, oder ein Antisemitenkongress – das sind alles Dinge, die in der Öffentlichkeit waren.“
Notenblatt einer von Hitler komponierten Oper
Ein Exponat ist ein noch nie gezeigtes Notenblatt einer Oper, die Hitler gemeinsam mit Kubizek komponierte. Die beiden lernten sich auch in der Oper kennen. Sie teilten ihre Faszination für Richard Wagner und dessen Werke. Es sei eine asymetrische Bekanntschaft gewesen, so Hannes Leidinger: „Das war keine Freundschaft auf Augenhöhe. Kubizek hat sich untergeordnet. Das zeigt sich beim Schreiben dieser Oper. Hitler hat Befehle gegeben, dass Kubizek das für ihn niederschreiben soll.“
Hitler selbst konnte keine Noten schreiben, er wurde nie musikalisch ausgebildet, war aber trotzdem der Meinung, dass er innerhalb kurzer Zeit dazu in der Lage sei, eine Oper im Wagner-Stil zu komponieren. Kubizek hielt seine „Ideen“ fest. Dieses Notenblatt wird nun erstmals in St. Pölten gezeigt. In der Ausstellungsbeschreibung heißt es dazu: „Es verkörpert wie kein anderes Objekt die bereits in Jugendjahren ausgeprägte Selbstüberschätzung.“