König Johann in den Kasematten in Wiener Neustadt
Andrea Klem
Andrea Klem
Kultur

König Johann wütet in den Kasematten

Unter dem Motto „Bloody Crown“ steht das neue Theaterfestival „Europa in Szene“ in Wiener Neustadt. Bis 19. April werden „Die Königin ist tot“ nach dem Roman von Olga Flor und „König Johann“ von Friedrich Dürrenmatt nach William Shakespeare gezeigt.

Laut Programmheft gelangte „König Johann“ bisher erst einmal in Österreich zur Aufführung (1970 am Wiener Volkstheater mit Helmut Qualtinger in der Titelrolle). Zitiert wird auch George Orwell, den das Shakespeare-Stück 1942 beeindruckte „mit seinen Intrigen, Doppelspielen, Nichtangriffspakten, Kollaborateuren“.

Ein Königsdrama mit Ortsbezug

Wie Dürrenmatt schrieb, handle es sich bei dem 1968 verfassten „König Johann“ um „ein böses Stück, ich bestreite es nicht, doch wird es von unserer Zeit bestätigt.“ Ein Königsdrama zumal mit Ortsbezug – ermöglichte doch das Lösegeld von Richard Löwenherz, einem Bruder Johanns, die Gründung der Stadt, und taucht sein Widersacher, der Herzog von Österreich, im Stück auf.

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König Johann in den Kasematten in Wiener Neustadt
Andrea Klem
„König Johann“ von Friedrich Dürrenmatt nach William Shakespeare beim Festival „Europa in Szene“ in den Kasematten Wiener Neustadt
König Johann in den Kasematten in Wiener Neustadt
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König Johann in den Kasematten in Wiener Neustadt
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König Johann in den Kasematten in Wiener Neustadt
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König Johann in den Kasematten in Wiener Neustadt
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„In Wiener Neustadt also findet das von der Maschinerie der wüsten Machtpolitik bestimmte Geschehen in einem nüchternen Kellerschlauch statt, durch dessen Mitte ein ansteigender Laufsteg Richtung apsisartiger Bühne mit einem sich aufbäumenden Pferd führt (Bühnenbild: Andreas Lungenschmid). Das Publikum ist in zwei Sitzreihen an den Seitenwänden platziert. Mit großem dramatischen Impetus führt der blutrünstige Handlungsbogen wie in einer Endlos-TV-Serie durchaus bildstark, manchmal auch plakativ und mit unübersehbar aktuellen Bezügen von einem Machtkampf in den nächsten und von einer Katastrophe in die nächste“, schreibt Ewald Baringer in der Austria Presse Agentur über die Premiere am Donnerstagabend.

Impuls und Dialog im „Salon Royal“

Mit ihrem „wortwiege“-Theaterprojekt übersiedelte die Regisseurin Anna Maria Krassnigg vom Thalhof in Reichenau an der Rax (Bezirk Neunkirchen) in die Kasematten nach Wiener Neustadt, die nach der vorjährigen Niederösterreichischen Landesausstellung einer Nachnutzung harrten. „Wir bieten hier ein Festival aus Literatur, Theater und Wissenschaft, das europäische Geschichten einfängt und diskutiert“, so die Künstlerische Leiterin des neuen Festivals.

Das Konzept der „wortwiege“ beinhaltet auch den Aufführungen vorangehende Dialogveranstaltungen im „Salon Royal“, ebenfalls ein Kellerraum. Zum Auftakt war der Philosoph Franz Schuh zu Gast und sprach mit Krassnigg unter anderem über die Macht und die ihr „naturgemäße Verlogenheit“ sowie über das „Scheingewerbe“ des Theaters. Im Hintergrund dieses Raums ragt eine Installation aus Bildern und Rahmen empor, nach Aussage von Krassnigg ein Symbol für den „Scheiterhaufen der Kultur“.

Anna Maria Krassnigg und Wolfgang Müller Funk
Helmut Rasinger
Anna Maria Krassnigg und Wolfgang Müller-Funk, die Künstlerische Leiterin und der Wissenschaftskurator von „Europa in Szene“

Wolfgang Müller-Funk, der Leiter des Wissenschaftsprogramms von „Europa in Szene“: „Dieser Dialog könnte Ausgangspunkt für ein Projekt werden, in dem Wiener Neustadt zu einem neuen Kristallisations- und Treffpunkt europäischer Geistes- und Kulturgeschichte wird.“

Die nächste Premiere Olga Flors „Die Königin ist tot“

Der erste Zyklus von „Europa in Szene“ trägt den Titel „Bloody Crown“ und beschäftigt sich mit dem vielseitigen Genre des Königsdramas. Nach „König Johann“ hat am kommenden Donnerstag das nächste Stück Premiere: „Die Königin ist tot“, nach dem Roman von Olga Flor. „Als Beichte einer zeitgenössischen Lady Macbeth, die sich keinen Fehler in der Verwaltung ihres Körpers und ihrer Gefühle leisten kann, verführt uns Olga Flor in ein dystopisches Universum der Schönen und Reichen, die über Leichen zu gehen bereit sind, um ihre Privilegien zu verteidigen“, heißt es auf der „wortwiege“-Website.