Arzt bei einer Blutdruckmessung
APA/HELMUT FOHRINGER
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Chronik

Diskussion um Hausärzte reißt nicht ab

Die Versorgung chronischer Kranker im niedergelassenen Bereich ist „grottenschlecht“. Diese Aussage von Patientenanwalt Gerald Bachinger in einem Ö1-Interview sorgt seit Freitag für große Aufregung. Bei der Ärztekammer spricht man von einer „Entgleisung“.

Die Ärztekammer Niederösterreich forderte bereits am Montag, dass sich Bachinger entschuldigt. Verärgerte Ärzte wollen den Bereitschaftsdienst am Wochenende oder Visiten bei Patienten, die am Coronavirus erkrankt sind, aussetzen. Die Ärzekammer appellierte schließlich am Dienstag an die Ärzte, sich ihre Arbeit nicht schlecht reden zu lassen und wie bisher für ihre Patienten da zu sein.

„Noch nie so einen Aufschrei der Ärzteschaft erlebt“

Christoph Reisner, Präsident der Ärztekammer Niederösterreich, sagte gegenüber noe.ORF.at: „Ich bin mittlerweile seit über zehn Jahren Präsident der Ärztekammer. So einen Aufschrei, so eine Empörung quer durch die Ärzteschaft in Niederösterreich habe ich überhaupt noch nie erlebt.“ Patientenanwalt Gerald Bachinger kann die Aufregung rund um seine Aussage nicht nachvollziehen: „Es war keinesfalls eine Kritik an einzelnen Hausärzten, die bei schlechten Rahmenbedingungen versuchen, das Beste für ihre Patienten zu machen. Warum jetzt so eine Woge der Empörung herrscht, ist für mich vollkommen unverständlich. Es geht ja darum, diese Rahmenbedingungen zu verändern.“

Laut Reisner sei man offen, diese Rahmenbedingungen für die etwa 800 niederösterreichischen Hausärztinnen und Hausärzte zu ändern: „Wir sind grundsätzlich immer gesprächsbereit. Wir sind auch nicht – wie Doktor Bachinger sagt – Blockierer des Systems. Wir sind für Veränderungen des Systems offen, wir sind für Weiterentwicklungen offen. Aber das kann man nicht über die Medien austragen. Und was man schon gar nicht tun kann ist, falsche Behauptungen aufzustellen. Es ist definitiv falsch, dass chronisch kranke Patienten im niedergelassenen Bereich schlecht versorgt sind.“

„Nicht auf der Ebene von Beleidigtsein diskutieren“

Bachinger setzt auf Gespräche. Wenn sich ein Arzt oder eine Ärztin durch seine Aussagen persönlich beleidigt fühlt, dann nehme er dies mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück: „Ich hoffe, dass die Ärztekammer jetzt wieder sachlich diese Punkte diskutieren will und diese Themen diskutieren will und dass man auf den Verhandlungstisch zurückkommt. Denn ich denke, wir haben jetzt und in Zukunft große Herausforderungen und man kann das nicht auf der Ebene von Beleidigtsein und Empörung diskutieren, sondern man muss sich inhaltlich ansehen, was geändert werden muss.“

Max Wudy ist seit mittlerweile 34 Jahren Arzt für Allgemeinmedizin in Weissenbach an der Triesting (Bezirk Baden). Als einfacher Landarzt habe er einen offenen Brief an Bachinger geschrieben: „Ich möchte das entschieden zurückweisen. Die Versorgung ist nicht schlecht. Was wirklich schlecht ist, und da muss ich dem Herrn Hofrat Bachinger rechtgeben, das sind die Strukturen. In Zeiten, wo wir einen strukturellen Ärztemangel haben, die niedergelassenen Ärzte mit mangelnder Wertschätzung zu überschütten, halte ich nicht für diplomatisch.“

Petition der Ärzte an ihre Standesvertretung

Die Aufregung in der Ärzteschaft ist groß. Sie spricht von einem Hausärzte-Bashing und richtete eine Petition an ihre Standesvertretung. Darin heißt es wörtlich: „Vertreten Sie bitte endlich unsere Interessen und verhindern Sie die Abschaffung der Hausärzte, bevor es endgültig zu spät ist.“ Die Petition wurde von 187 niederösterreichischen Kassenärztinnen und Kassenärzten für Allgemeinmedizin unterzeichnet.