Bundesheer-Soldaten einer Gebirgsjäger-Kompanie während einer Übung
APA/ROBERT JAEGER
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Chronik

Toter Rekrut: Anwalt erhebt Vorwürfe

Im August 2017 ist in Horn ein Grundwehrdiener nach einem Marsch bei 36 Grad gestorben. Nachdem die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen im Februar einstellte, kündigte der Anwalt der Familie nun einen Fortführungsantrag an und erhob schwere Vorwürfe.

Die Vorgesetzten des Rekruten haben alle Vorschriften eingehalten, zu diesem Schluss kam die Staatsanwaltschaft Krems nach monatelangen Ermittlungen gegen vier Soldaten, die an der Durchführung des Marsches beteiligt waren – mehr dazu in Toter Rekrut: Ermittlungen eingestellt (noe.ORF.at; 10.2.20). Die Vorgeschichte: Der 3. August 2017 war mit 36 Grad einer der heißesten Tage des Jahres. Nach einem Marsch brach der 19-jährige Rekrut Toni P. zusammen und starb wenig später. Ein Gutachten stellte danach einen Keim bei dem jungen Mann fest, der zum Tod geführt haben soll. Ein Gegengutachten widerspricht dieser Darstellung, wie ORF-Redakteur Peter Babutzky am Dienstagabend in der ZIB2 berichtete.

Bundesheer habe sich nicht an Hitzeerlass gehalten

Die Eltern und ihr Anwalt wollen die Einstellung des Verfahrens nicht akzeptieren, sie stellen nun einen Fortführungsantrag bei Gericht und wollen damit doch noch eine Anklage erreichen. Anwalt Helmut Graupner skizzierte gegenüber dem Ö1-Journal, dass Toni P. nach dem Zusammenbruch mit 43,5 Grad Fieber auf dem heißen Asphalt gelegen habe, als der Notarzt in der Kaserne eintraf. Toni P. könnte noch leben, wenn sich die Vorgesetzten an den eigenen Hitzeerlass des Bundesheeres gehalten hätten, sagen Familie und Anwalt.

Der Marsch hätte laut einem internen Bundesheererlass, der ab 28 Grad gilt, nicht stattfinden dürfen. „Da sagt der Hitzeerlass, wenn Kopfschmerzen geäußert werden, wenn Schwindel geäußert wird, wenn Mattigkeit geäußert wird oder großer Durst, also nur so kleine Beschwerden, und sogar ‚oder‘, nicht ‚und‘ alle vier gemeinsam, sofort Rettung rufen, sofort ins Spital, weil das könnte ein Hitzeschlag oder ein Sonnenstich sein, und dann zählt jede Minute“, so Graupner im Interview mit der ZIB2.

Helmut Graupner, Anwalt der Familie des toten Rekruten
ORF
Helmut Graupner, Anwalt der Hinterbliebenen des 19-Jährigen

Zeugen: „Er sagte: Ich brenne! Ich kann nicht mehr!“

Bei Toni P. habe es aber gedauert, bis ein Arzt alarmiert wurde. Man habe ihn offenbar nicht ernst genommen, wie Zeugenaussagen von anderen Rekruten zeigen, die nun in der Wochenzeitung „Falter“ veröffentlicht wurden. So soll einer der Zeugen die Situation mit diesen Worten geschildert haben:

Zeuge T: „Gefreiter W. schrie ihn an: ‚Was machen Sie da, stehen Sie auf!‘, Toni P. antwortete mehrmals: ‚Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr!‘ Wieder brüllte ihn der Vorgesetzte W. an: ‚Stehen Sie auf!‘“

Der junge Mann, Toni P. , soll da bereits in einem sehr schlechten Zustand gewesen sein, beschreiben weitere Zeugen.

Zeuge M.: „Ich möchte anführen, dass Toni P. mehrmals sagte, dass der Arzt angerufen werden soll. Befragt gebe ich an, dass ich mich an folgende Aussage des Toni P. genau erinnern kann. Er sagte: ‚Ich brenne! Ich kann nicht mehr! Ich habe 120 Prozent gegeben! Rufen Sie den Arzt! Warum glauben Sie mir nicht, rufen Sie den Doktor!‘“

Rekrut bei Hitze verstorben: Eltern fordern Fortsetzung des Verfahrens

Die Eltern jenes Rekruten, der im Sommer 2017 bei einem 15-Kilometer-Marsch bei 36 Grad zusammengebrochen ist, fordern nun eine Fortsetzung des Verfahrens gegen die Vorgesetzten des Verstorbenen. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung vor einigen Wochen eingestellt.

Anwalt kritisiert: „Zu spät ins Krankenhaus“

Erst 20 Minuten später sei er von einem Wagen des Bundesheeres abgeholt worden. Der Anwalt übt daran heftige Kritik. „Er ist insgesamt dreimal zusammengebrochen, zweimal hat ihn der Gruppenkommandant mit den anderen Rekruten niedergeschrien, dass er unbedingt weitergehen muss.“ Der Rekrut sei eine Stunde zu spät ins Krankenhaus gebracht worden, kritisiert Graupner gegenüber Bernt Koschuh im Ö1-Journal. Sogar eine Bundesheerkommission und ein Gericht hätten die Durchführung des Marsches bei 35 Grad als „problematische Führungsentscheidung“ bezeichnet. Aktenteile, die die Familie des Verstorbenen nun öffentlich macht, liegen Ö1 und dem „Falter“ vor.

Das Bundesheer wollte laut dem Bericht der ZIB2 aktuell nichts mehr zu dem Fall sagen. Jetzt muss ein Richtersenat in Krems entscheiden, ob dem Fortführungsantrag stattgegeben wird.