Frau stützt eine alte Frau in Mank
APA/HELMUT FOHRINGER
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Coronavirus

Große Herausforderungen für 24h-Betreuung

Die aktuelle Situation stellt die 24-Stunden-Betreuung vor Herausforderungen. Viele Betreuungskräfte aus Osteuropa können aufgrund der Grenzschließungen nicht mehr nach Österreich einreisen. Die Branche sucht nach Lösungen.

Trotz der derzeit herrschenden Ausnahmesituation soll die Hilfe im Alltag für rund 9.000 ältere und pflegebedürftige Menschen in Niederösterreich weitergehen. Knapp 18.000 Betreuungskräfte, die vorwiegend aus Rumänien, der Slowakei und Ungarn kommen, kümmern sich in Niederösterreich um Bedürftige. In einem meist mehrwöchigen Turnus sind sie einer betreuungsbedürftigen Person zugeteilt und in dieser Zeit rund um die Uhr für sie da.

Derzeit sei die Betreuung noch gewährleistet, sagt Robert Pozdena, Obmann der Fachgruppe Personenbetreuung in der Wirtschaftskammer Niederösterreich, gegenüber noe.ORF.at. „Vielleicht nicht lückenlos, aber wir haben sicherlich noch eine 99-prozentige Abdeckung der Personenbetreuung. Das ist auch deshalb der Fall, weil die Ausreise für die Betreuungspersonen derzeit sehr erschwert ist“, sagt Pozdena: „Gott sei Dank bleiben sie hier und betreuen die älteren Personen.“

Bei einem Rundruf bei den niederösterreichischen Hilfsorganisationen wird diese Situation von allen Seiten gegenüber noe.ORF.at bestätigt. Bei der Caritas würden noch keine Betreuungspersonen fehlen, viele hätten eben ihren Aufenthalt verlängert. Bei der Volkshilfe könne die Betreuung zum Teil noch gewährleistet werden – ein bis zwei der rund 200 betreuten Personen können derzeit nicht versorgt werden, für sie werde intern gerade eine Lösung gesucht. In einigen Fällen seien auch Verwandte eingesprungen, heißt es. Ähnlich ist die Lage beim Hilfswerk, es sei aber kein Modell für Monate.

Vorbereitungen für den Notfall

„Den Peak befürchte ich in zwei bis drei Wochen, weil irgendwann einmal wollen die Betreuungspersonen ihren Aufenthalt nicht mehr verlängern und wollen zu ihren Familien nach Hause. Dann wird es sicherlich zu einer Herausforderung kommen“, meint der Obmann. „Deswegen versuchen wir jetzt schon Vorbereitungen zu treffen, falls es zu einer Betreuungslücke kommen sollte“.

Die Wirtschaftskammer Niederösterreich mietet etwa für Betreuungspersonal, das in Österreich bleibt, Quartiere an, um im Notfall aus einem Pool an Kräften schöpfen zu können. Auch Lebens- und Sozialberater werden aktiviert, „damit diese zumindest am Tag die Betreuung übernehmen können“, sagt Pozdena: „Sie sind oft im Umgang mit älteren Personen ausgebildet.“ Ebenso setzt man auf die Hilfe von Zivildienern. Das bekräftigte auch die zuständige Ministerin Elisabeth Köstinger bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Außenminister Alexander Schallenberg (alle ÖVP) am Dienstagnachmittag im Bundeskanzleramt.

Regierung arbeitet an Ausnahmeregelung

Generell ist aber die Hoffnung, dass die Bundesregierung die Ausnahmeregelungen bei den Verhandlungen mit den Nachbarländern durchbringt, damit die 24-Stunden-Betreuung mit Gewissheit sichergestellt werden kann. „Ziel ist eine Ausnahmeregelung aus der Grenzschließung für 24h-Betreuer, damit die Betreuung pflegebedürftiger Menschen in Österreich gesichert bleibt“, teilte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bereits am Wochenende mit. Er hält eine Lösung für möglich – „wie etwa auch bei anderen Grenzschließungen, wo der Berufspendlerverkehr weiter ermöglicht wurde“, sagte Anschober.

Diesbezüglich ist auch Soziallandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) zuversichtlich: „Ich bin überzeugt, dass das zumindest zwischendurch immer wieder zu Erfolgen führen wird.“ Als Beispiel nennt Teschl-Hofmeister im „NÖ heute“-Interview humanitäre Korridore. Der Bedarf an Zivildienern werde derzeit erhoben, „in welchen Bereichen wir sie nehmen dürfen bzw. auch gebraucht werden.“

NÖ heute Interview Chrstiane Teschl Hofmeister
ORF
Soziallandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister im Gespräch mit Nadja Mader

noe.ORF.at: Die 24-Stunden-Betreuung betrifft in Niederösterreich tausende Menschen. Jetzt sehen wir, dass ausländische Kräfte nicht mehr nach Österreich einreisen können bzw. die in ihre Heimatländer zurückkehren werden. Inwiefern verschärft das die Situation in Niederösterreich?

Christiane Teschl-Hofmeister: Grundsätzlich betrifft das mehrere Bereiche und da greift eines ins andere. Es gibt viele, die jetzt noch da sind, zum Glück im Moment auch nicht nach Hause wollen, die verlängert haben und sich weiter um die Menschen kümmern, die sie in den letzten Wochen betreut haben. Dafür gilt es Danke zu sagen. Dann gibt es die Verhandlungen auf diplomatischer und politischer Ebene. Die sind wichtig und ich bin davon überzeugt, dass sie zumindest zwischendurch immer wieder zu Erfolgen führen werden, wie zum Beispiel humanitäre Korridore. Der Wirtschaftskammer, die die Personenbetreuer verwalten, ist es auch gelungen, einen Springerdienst einzurichten. Das heißt, wenn es irgendwo punktuell zu Problemen kommt, wird es andere Personen geben, die einspringen können. Und man muss auch den Familien Danke sagen, denn viele die derzeit nicht zur Arbeit gehen, kümmern sich selbst um ihre Verwandten. Und von Seiten des Landes sind wir gerade dabei auszubildende Schülerinnen und Schüler, die in diesem Bereich die notwendige Ausbildung zur Betreuung schon haben, anzufragen, ob sie sich vorstellen können einzuspringen. Aber innerhalb der nächsten zwei Wochen sollte es – soweit bekannt – noch gut funktionieren.

noe.ORF.at: In den vergangenen Tagen wurden immer wieder auch Zivildiener genannt. Sind auch die ein Thema?

Teschl-Hofmeister: Der Zivildienst ist grundsätzlich ein wichtiges Thema. Wir erheben gerade in welchen Bereichen wir Zivildiener nehmen dürfen bzw. auch gebraucht werden. Wir hören aus unseren Pflege- und Betreuungszentren, dass sich jetzt schon Zivildiener melden, die ihren Dienst schon abgeschlossen haben und freiwillig zurückkommen würden, sofern wir sie brauchen. Das ist eine großartige Welle der Solidarität, die da ausgebrochen ist. Wir erheben das jetzt und melden dann an den Bund, der das zentral verwaltet, wo wir noch Zivildiener brauchen könnten. Dort gibt es viele Maßnahmen, die hoffentlich zu mehr Zivildienern führen. Wir sind für jeden Einzelnen, den wir dann einsetzen können, dankbar. Man muss nur beachten, was dürfen Zivildiener. Pflegen dürfen sie etwa nicht, aber in der 24-Stunden-Betreuung könnten sie einzelne Tätigkeiten sicher übernehmen.

noe.ORF.at: In Niederösterreich gibt es 48 Pflegeheime. Ist dort ebenfalls die Betreuung gewährleistet?

Teschl-Hofmeister: Auf jeden Fall. Wir haben dort schon rigorose Maßnahmen umgesetzt. Es gilt defacto ein Besuchsverbot. Wir haben die Tagesgäste eingeschränkt, also man darf jetzt nicht ältere Verwandte für einen Tag ins Betreuungszentrum bringen, wie bisher. Wir haben die Kurzzeitpflege sehr eingeschränkt, um möglichst wenig hausfremde Personen hineinzubringen. Da gilt es den Mitarbeitern Danke zu sagen, die eine ganz große Kommunikationsleistung jeden Tag erbringen müssen, um den Verwandten und Ehrenamtlichen zu erklären, warum die Maßnahmen notwendig sind. Aber die Betreuung in unseren Landespflegeheimen sowie bei unseren privaten Partnern, die Pflege in Niederösterreich anbieten, funktioniert zum Glück sehr gut.

noe.ORF.at: Es gibt auch mobile Dienste von Organisationen wie der Caritas, Hilfswerk, Volkshilfe oder Rotes Kreuz. Ist auch das gewährleistet?

Teschl-Hofmeister: Auch dort werden in Zukunft sicher Zivildiener aushelfen können und aushelfen müssen. Aber im Moment ist auch hier die Situation so, dass es vereinzelt Probleme gibt, wo alle, die in diesem System mitspielen, zusammenhelfen. Wir haben dort ein Triagesystem eingeführt, wo wir die Fälle, die es wirklich brauchen, weiter pflegen können und die, die vielleicht von Verwandten oder anderen gepflegt werden können, auf anderen Wegen aushelfen können.

Das Gespräch mit Christiane Teschl-Hofmeister führte Nadja Mader.