Spargelfeld Raasdorf
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Landwirtschaft

Keine Saisonarbeiter: Zittern um Spargel

Die Landwirtschaft kämpft wegen der geschlossenen Grenzen mit einem Mangel an Arbeitskräften. Akut ist die Situation bei der Spargelernte, die in wenigen Tagen beginnen soll. Laut Johannes Schmuckenschlager, Präsident der Landwirtschaftskammer, bestehen Probleme aber in allen Sektoren.

Die eine Hälfte des Spargelfeldes in Raasdorf (Bezirk Gänserndorf) ist noch mit schwarzen Folien abgedeckt, die andere schon mit weißen. Die Landwirte drehen die Plastikfolien derzeit von der dunklen auf die helle Seite, um die Ernte um ungefähr eine Woche hinauszuzögern. Denn momentan fehlen ihnen für die Ernte Mitarbeiter. „Man geht davon aus, dass alleine hier im Marchfeld, wo etwa 500 Hektar Spargel kultiviert werden, 700 bis 800 Personen fehlen werden“, sagt Gemüsebauer Johannes Edlinger.

Qualifikation als Problem

Gesucht wird aber nicht nur nach motivierten Arbeitskräften, sondern auch nach ausgebildeten. Ohne Erfahrung könne man die Arbeit kaum machen und bei weitem nicht jeder sei dafür geeignet. Im Extremfall gebe es heuer gar keine Ernte, sagt Edlinger: „Wenn ich das Personal nicht bekomme, muss man einfach konsequent sein und die Produktion stoppen.“

Landwirtschaft Mannwörth
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In Mannswörth wird auf den Feldern derzeit Kohlrabi angebaut

Fast alle landwirtschaftlichen Betriebe in Niederösterreich stehen vor ähnlichen Problemen, nur der Zeitpunkt variiert je nach angebauter Pflanzensorte. Schon bald nach dem Spargel kommt etwa die Erdbeere, später auch der Kohlrabi – etwa in Mannswörth (Bezirk Bruck an der Leitha). „Auch wir werden sukzessive Probleme bekommen“, sagt Gemüsebauer Karl Auer, „weil der Frühling das junge Gemüse in die Höhe treibt.“ Momentan gebe es noch genügend Arbeitskräfte, „aber unsere großen Arbeitsspitzen stehen noch vor der Tür.“

Längerfristige Herausforderung

Die Grundversorgung mit heimischen Lebensmitteln ist laut Landwirten gesichert, weil die Lager gefüllt sind. Problematisch ist aber die nächste Saison, denn in vielen Fällen muss jetzt gesät oder gepflanzt werden, um auch im nächsten Jahr auf Vorräte zurückgreifen zu können. „Letztendlich müssen diese Kulturen auch von Mitarbeitern betreut werden, bis hin zur Ernte am Ende der Saison“, sagt Gemüsebauer Johannes Edlinger.

Eine Online-Plattform der Landwirtschaftskammer und des Maschinenrings soll die Suche erleichtern. Darüber sollen alleine in Niederösterreich tausende offene Stellen besetzt werden, nach Möglichkeit von Menschen mit Zusatzqualifikation wie etwa einem Traktorführerschein. Wie diese Plattform genau funktioniert, erklärt Johannes Schmuckenschlager, Präsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, im „NÖ-heute“-Interview mit Nadja Mader.

noe.ORF.at: Bei den Spargelbauern ist das Problem derzeit also am drängendsten, weil die Ernte direkt bevorsteht. Heißt das, wenn es so weitergeht, dass es heuer keinen Spargel in den Regalen geben wird?

Johannes Schmuckenschlager: Nein, das heißt es natürlich nicht. Wir haben natürlich mit dieser Kultur momentan Probleme mit den Arbeitskräften, aber generell gilt es zur Sicherstellung der Lebensmittelversorgung alles zu tun, und bestmöglich die Arbeiten am Feld, aber auch bei der Ernte sicherzustellen. Beim Spargel sehen wir es jetzt, weil wir heuer extrem früh dran sind, aber wir bemühen uns hier auch Arbeitskräfte bereitzustellen.

noe.ORF.at: Wen betrifft denn der Ausfall der Arbeitskräfte – neben den Spargel- oder Erdbeerbauern – jetzt am meisten?

Schmuckenschlager: Wir haben in den vergangenen Jahren in der Landwirtschaft stark mit Saison- und Erntehelfern aus Ost- und Mitteleuropa gearbeitet. Das trifft eigentlich alle Arbeiten, von der Aussaat über die Kulturführung bis zur Ernte, aber auch im Tierbereich sind wir auf allen Bauernhöfen zum Teil auf Fremdarbeiter angewiesen. Wir können das letztlich für alle Sektoren als Problem definieren, sehen die Problematik aber momentan stark im Gemüsebaubereich, weil hier die Ernte vor der Tür steht.

noe.ORF.at: Wie viele Helfer werden in der Landwirtschaft in Niederösterreich insgesamt gebraucht?

Schmuckenschlager: Wir haben in Niederösterreich etwa einen Bedarf an 2.500 bis 4.000 Menschen, die als Saison- und Erntehilfskräfte tätig sind. Und ich glaube, gerade jetzt – in den so fordernden Zeiten, in denen die Grenzen dicht sind – sind wir dringend auf der Suche, um diese Arbeitskräfte bereitzustellen. Damit wir diese wesentliche strategische Rolle der Landwirtschaft in Niederösterreich als Rohstofflieferant und letztlich auch als Versorger mit Lebensmitteln aufrechterhalten können. Hier müssen wir auch der Arbeit der Bäuerinnen und Bauern besonders danken. Wir brauchen aber diese Hilfskräfte, um auch die Ernte entsprechend einbringen zu können. Daher haben wir uns auch als Landwirtschaftskammer Niederösterreich dazu entschlossen, hier noch stärker zu unterstützen.

noe.ORF.at: Es gibt jetzt eine eigene Onlineplattform, auf der sich Hilfskräfte melden können. Wie funktioniert die denn genau und wem bringt sie etwas?

Schmuckenschlager: Hier geht es vor allem darum, möglichst rasch jene zu vermitteln, die einerseits in der Landwirtschaft tätig werden wollen, und andererseits unseren Betrieben die Möglichkeit zu geben, unbürokratisch und rasch an Mitarbeiter zu kommen. Auf der Homepage der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer haben wir eine Plattform entwickelt, auf der Anbieter und Suchende ein Profil anlegen können. Auch in der Landwirtschaft haben wir viele Bereiche, die natürlich spezifische Kenntnisse brauchen. Auf der anderen Seite gibt es aber oft einfache Arbeiten, die vielleicht von freiwerdenden Arbeitskräften bewältigt werden können. Daher gilt für uns als oberste Priorität, hier zu vermitteln. Wir sehen nach den ersten paar Tagen, wie gut das angenommen wird und wie hoch die Bereitschaft der Bevölkerung ist, die Lebensmittelversorgung mit den niederösterreichischen Bäuerinnen und Bauern gerade in diesen schwierigen Krisenzeiten aufrecht zu erhalten.

Das Gespräch führte Nadja Mader