Rettungsdienst in Coronavirus-Krise
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Soziales

Rettungsdienst: Ruf nach Schutz und Zivis

Während die meisten Menschen derzeit aufgefordert sind, zu Hause zu bleiben, sind viele Berufsgruppen besonders im Einsatz. Die Rettungsorganisationen übernehmen durch die Coronakrise neben Krankentransport- und Rettungsfahrten auch zahlreiche weitere Aufgaben. Zur Bewältigung brauchen sie mehr Schutzausrüstung und Personal.

Notfälle und Ausnahmesituationen sind für den Rettungsdienst Alltag. Die Helferinnen und Helfer findet man in Situationen, denen andere gerne aus dem Weg gehen. Seit Ausbruch des Coronavirus gehören auch die unzähligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den unterschiedlichen Einsatzbereichen der Rettungsorganisationen zu jenen, die derzeit besonders gefordert sind. Wenn man sich unter ihnen umhört, ist die Stimmung trotz der zusätzlichen Belastung erstaunlich positiv. Die aktuelle Situation scheint, viele zusätzlich zu motivieren.

Clemens Gebath ist Notfallsanitäter am Stützpunkt des Arbeiter-Samariterbundes in St. Pölten und Teil eines etwa 170 Menschen zählenden Teams aus hauptberuflichen und ehrenamtlichen Sanitäterinnen und Sanitätern sowie Zivildienern. Laut Gebath und vielen weiteren Helferinnen und Helfern herrsche eine antreibende Stimmung. An Tagen wie diesen frage sich niemand, wofür man zur Dienststelle komme, erzählt er: „Jetzt braucht es uns erst recht.“ Dass er und seine Kolleginnen und Kollegen in gesundheitlichen Notsituationen in der ersten Reihe stehen, „das ist in diesem Beruf unser tägliches Brot. Ob bei schweren Verkehrsunfällen oder Infektionskrankheiten – wo andere zurückschrecken, gehen wir an vorderster Front voran.“

Rettungswesen vor nie dagewesenen Herausforderungen

Auch das Rote Kreuz ist erprobt in Krisenfällen. Dennoch habe es eine Situation wie diese laut Josef Schmoll noch nie gegeben. Dem Präsidenten des Roten Kreuzes Niederösterreich zufolge würden die Auswirkungen des Coronavirus die Rettungskräfte vor nie dagewesene Herausforderungen stellen. „Ich habe bisher fünf internationale Katastropheneinsätze geleitet. Dieser Einsatz ist mit keinem vergleichbar, weil die Gefahr nicht sichtbar ist, weil man die Gefahr nicht angreifen und die Dauer nicht abschätzen kann. Das macht den Einsatz umso schwieriger. Deshalb ist ein gemeinsames Vorgehen aller so wichtig, damit wir ein langes Durchhaltevermögen haben – etwa mit entsprechenden Planungen im Landesführungsstab“, so Schmoll gegenüber noe.ORF.at.

Rettungsdienst in Coronavirus-Krise
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Die Mitglieder der eigens eingerichteten Krisenstäbe behalten den Überblick über Personal und Material der Rettungsorganisationen

Personell sei man in Niederösterreich derzeit zwar gut aufgestellt, heißt es sowohl beim Arbeiter-Samariterbund als auch beim Roten Kreuz, „wir stellen uns aber auf eine Situation mit mehr Bedarf ein“, so Werner Kraut, Landesrettungskommandant des Roten Kreuzes. Weil die Wirtschaft in vielen Bereichen derzeit nur eingeschränkt funktionstüchtig ist, ermöglicht das einigen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern zwar ein höheres Maß an Diensteinsätzen als bei normaler Berufstätigkeit, aber mit ihrer Unterstützung alleine wird die nächste Zeit schwer zu bewerkstelligen sein.

Zuteilung ehemaliger Zivildiener steht bevor

Der Schlüssel in vielen Bereichen der Rettungsorganisationen werden Zivildiener sein müssen. Aus diesem Grund hatte die Bundesregierung ehemalige Zivildiener dazu aufgerufen, sich für die nächsten Monate freiwillig für Sozialdienste zu melden sowie jetzt tätigen Zivildienern angekündigt, ihren Dienst auf weitere drei Monate zu verlängern. Österreichweit hatten sich bis Samstag etwa 1.400 junge Männer gemeldet. Die Zuteilung erfolgt demnächst über die Länder sowie das Rote Kreuz.

Bei den Rettungsorganisationen sorgt das bisherige Interesse der ehemaligen Zivildiener für Zuversicht. „Wir wissen, dass sich viele gemeldet haben und wir werden mit Sicherheit auf die ehemaligen Zivildiener zurückgreifen, um sie bei uns einzusetzen“, kündigte Kraut an. Ähnliches hört man auch beim Arbeiter-Samariterbund. Zwar sei eine Personalnot derzeit nicht gegeben, aber auch dort werde man die jungen Männer demnächst brauchen, heißt es. „Man muss sich hier aber wirklich bedanken bei allen Helferinnen und Helfern. Sich in einer schwierigen Situation wie der jetzigen Pandemie – womöglich unter persönlichen Nachteilen – zum Dienst zu melden für die Hilfe von Mensch zu Mensch, das ist keine Selbstverständlichkeit“, betont Otto Pendl, Präsident des Arbeiter-Samariterbundes Niederösterreich.

Dringender Bedarf an neuen Schutzmasken

Während sich beim Personal speziell durch die Zivildiener und Freiwilligen Unterstützung abzeichnet, bleibt ein zweiter Punkt angespannt. Wie in vielen weiteren Bereichen – wie Krankenhäusern oder bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten – schwinden auch bei den Rettungsorganisationen die Bestände der derzeit dringend benötigten Schutzausrüstung. In erster Linie betrifft das Mundschutzmasken und Desinfektionsmittel. „Unsere größte Herausforderung zur Stunde ist, dass wir Schutzausrüstung und vor allem Masken bekommen. Damit wir einsatzfähig bleiben, müssen wir den Schutz unseres eigenen Personals gewährleisten können“, so Pendl.

Derzeit sind sowohl die Rettungsorganisationen als auch die Behörden und die Politik gefordert, ausreichend Nachschub zu organisieren. Dass dieses Unterfangen nicht leicht ist, zeigt ein Blick in andere europäische Länder, deren Lagerbestände ebenfalls kontinuierlich schwinden. Hergestellt werden beispielsweise die Schutzmasken zu einem Großteil in Asien. Sowohl die Produktion als auch der Transport sind durch die Auswirkungen des Coronavirus derzeit aber global stark eingeschränkt.

Eine baldige Lösung ist weder laut Rotem Kreuz noch Arbeiter-Samariterbund in Sicht. „Wir evaluieren den Verbrauch täglich und wissen, dass wir schon noch über einen gewissen Zeitraum kommen. Aber dass jetzt auch Lieferungen kommen, um die Lagerbestände auffüllen zu können, ist bei Schutzanzügen und Masken wichtig“, so Rot-Kreuz-Präsident Schmoll. Einstweilen sind die Einsatzkräfte dazu angehalten, sorgsam und keinesfalls verschwenderisch mit der Schutzausrüstung umzugehen. „Selbstschutz geht aber vor Fremdschutz – wie immer im Rettungsdienst“, bestätigt auch Notfallsanitäter Gebath. Einsätze ohne entsprechende Schutzausrüstung seien undenkbar.