Cornelia Travnicek
ORF
ORF
Kultur

Cornelia Travniceks poetischer „Feenstaub“

Vor einigen Jahren begeisterte die in St. Pölten aufgewachsene Autorin Cornelia Travnicek mit dem Roman „Chucks“, der auch verfilmt wurde. Nun hat die mehrfach Ausgezeichnete die märchenhaft-poetische Erzählung „Feenstaub“ veröffentlicht.

Cornelia Travniceks dritter Roman „Feenstaub“ ist eine Anlehnung an die Geschichte von Peter Pan. Die Autorin verwebt dabei Märchenhaftes mit realen gegenwärtigen Ereignissen. Der zentrale Handlungsort bleibt das Nimmerland inmitten einer Großstadt. „Die Insel und der Nebel stehen dafür, dass es eben Welten gibt in einer Stadt, die sich nicht berühren. Menschen, die einander gar nicht treffen können in ihren Lebenswelten und die auf ihren eigenen Inseln sind, obwohl sie sich Raum teilen“, erklärt die Autorin.

Es ist eine Geschichte über die Schwierigkeit, unter den widrigsten Bedingungen erwachsen zu werden: Drei Burschen geraten in die Fänge eines Kinderhändlers. Von diesem werden sie misshandelt und als Taschendiebe ausgebeutet. „Grundsätzlich war es so, dass mich diese Ambivalenz in den Kindern interessiert hat. Gleichzeitig nicht erwachsen werden dürfen, können, und gleichzeitig aber auch gar nicht erwachsen werden wollen – weil im Erwachsensein eine ganz große Unsicherheit wartet“, so die 33-Jährige.

Cornelia Travnicek
ORF
Nach „Chucks“ (2012) und „Junge Hunde“ (2015) ist „Feenstaub“ der dritte Roman, den Cornelia Travnicek veröffentlichte

Dieser Unsicherheit begegnen die Romanfiguren mit Feenstaub, der gegenteilig zu jenem von Peter Pan wirkt. „Der Feenstaub wird verwendet, um in der Stadt zu verschwinden, das heißt, vom Niemandsland an das andere Ufer zu kommen. Und er wird auch als Droge missbraucht.“ Brutal, mit Witz und poetisch erzählt „Feenstaub“ über das Heranwachsen und die kulturellen und sozialen Unterschiede in unserer Gesellschaft.

Eine Prise Fairy Dust und alles verschwindet hinter goldigem Glitter. Angeblich kann man mit Feenstaub fliegen, wenn man genug davon einatmet. Beweise dafür gibt es keine. Am Ende von Cornelia Travniceks neuem Roman „Feenstaub“ fliegt Protagonist Petru tatsächlich. „Nämlich mit einem Flugzeug dorthin, wo er hergekommen ist. Ein Abschiebe-Flug“, schreibt Wolfgang Huber-Lang von der Austria Presse Agentur.

Fliegen, abfliegen, abschieben

"Petru, der sich von seiner Freundin lieber Pierre nennen lässt, ist einer von drei jungen Burschen, die auf einer Insel in einem durch eine Großstadt fließenden Fluss leben – als Randexistenzen, die vom Rest der Gesellschaft ignoriert werden. Nicht aufzufallen, bis nahe der Unsichtbarkeit zu schrumpfen und von einem undurchdringlichen Nebel eingehüllt zu werden, um dem täglichen Broterwerb, dem Taschendiebstahl, nachzugehen – auch dabei hilft Feenstaub. Wie diese Metapher hält Travnicek ihr ganzes Buch in Schwebe. Mal ist es Märchen, mal eher Sozialreportage, manchmal liest man es wie ein Kinderbuch, manchmal als Versuch, knallharte Realität mit poetischen Mitteln zu beschreiben.

Buchcover Feenstaub von Cornelia Travnicek
Picus Verlag

In kurzen Schlaglichtern treibt Travnicek ihre Peter-Pan-Neuinterpretation weiter – mal lässt sie eine echte Nixe auftauchen und Pierres Schatten gegen ein kleines, silbernes Muschelhorn als Nixen-Notruftelefon tauschen, mal widmet sie sich dem harten Überlebensalltag auf der Insel oder dem schwierigen Zusammenleben der Gruppe, in das durch zwei Entwicklungen Dynamik kommt: Krakadzil bringt einen Neuzugang und verlangt, dass er als Dieb angelernt wird, und Petru lernt die Schülerin Marja kennen und findet durch sie so etwas wie Familienanschluss.

Buchhinweis

Cornelia Travnicek: Feenstaub. Picus Verlag, 278 Seiten, 22,00 Euro.

Und wieder prallen die beiden Seiten hart aufeinander, die Perspektive der träumerischen Möglichkeiten und die ernüchternde, scheinbar ausweglose Realität. Cornelia Travnicek hat mit ungewöhnlichen Mitteln versucht, beidem gerecht zu werden, und dabei das Augenmerk dorthin zu lenken, wo wir gerne bewusst vorbeischauen. ‚Die Stadt hat zwei Ufer an einem großen Fluss, und was dazwischen liegt, interessiert niemanden.‘ Dass man bei der Lektüre dabei auch selber den Abflug schafft, ist nicht garantiert, aber möglich. Eine Prise Feenstaub könnte dabei helfen", so APA-Kulturchef Wolfgang Huber-Lang in seiner Rezension.