Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka spricht zu den Abgeordneten am Freitag, 20. März 2020, nach Bekanntwerden einer Coronainfektion eines ÖVP-Abgeordneten.
APA/GEORG HOCHMUTH
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Politik

Sobotka: „Parteien rücken zusammen“

Die Demokratie steht vor Herausforderungen. Erst am Freitag hat der erste Coronavirus-Fall im Nationalrat für eine Sitzungsunterbrechung gesorgt. Die Handlungsfähigkeit des Nationalrats sieht Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) aber nicht gefährdet.

In Niederösterreich hätte eigentlich am Donnerstag der Landtag tagen sollen, aber die Sitzung entfällt. Auch die österreichischen EU-Abgeordneten werden am Donnerstag bei der eintägigen Corona-Sondersitzung wohl von zu Hause aus per E-Mail abstimmen. Die Entscheidungen der Politik beeinflussen die Tagesabläufe der Menschen massiv. Dazu zählen etwa die Ausgangsbeschränkungen und die Geschäftsschließungen.

Der Niederösterreicher Wolfgang Sobotka (ÖVP) leitet als Nationalratspräsident die Geschäfte der ersten Kammer des Parlaments. In diesem Amt beruft Sobotka auch den Nationalrat – in Zeiten von „social distancing“ eine besondere Herausforderung.

noe.ORF.at: Herr Präsident, das Parlament hat vor etwas mehr als einer Woche eine Reihe von Gesetzen beschlossen, die massiv in unser aller Leben eingreifen. Wie sehen Sie die Akzeptanz in der Bevölkerung?

Wolfgang Sobotka: Nachdem man Stück für Stück die Maßnahmen eingeführt hat, sehe ich eine große Akzeptanz bei der Bevölkerung. Es ist ihnen auch bewusst geworden, durch die Bilder aus China und auch aus Italien, das ist doch viel näher, dass die Maßnahmen – die von jedem Einzelnen von uns gefordert werden – auch wirklich akzeptiert werden. Da sieht man, dass wir gut unterwegs sind. Da muss man sich auch bei der Bevölkerung bedanken.

Robert Ziegler und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka
ORF
ORF-NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler (links) im Gespräch mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka

noe.ORF.at: Wie sehr ist das eine Belastungsprobe für die demokratischen Abläufe in unserem Land, wenn Gesetze im Rekordtempo durch alle Instanzen gejagt werden?

Sobotka: Ein Krisenmodus sieht eben Möglichkeiten vor, die es sonst normal nicht gibt. Es ist auch notwendig, dass in der Krise die Staatsgewalten – sprich die Regierung, der Bundeskanzler, der Bundespräsident und vor allem das Parlament – komplett funktionieren. Damit es keinen Zweifel gibt, dass die Verfassungsmäßigkeit immer gewährleistet ist. Es ist wichtig, dass die Rechtsstaatlichkeit damit für die Menschen erlebbar ist. Natürlich braucht es dann in dieser Zeit ein schnelles Arbeiten. Man muss gut aufeinander abgestimmt sein, um dementsprechend die Maßnahmen, die von der Regierung vorgeschlagen werden, in Gesetzeskraft treten zu lassen. Natürlich braucht es eine Verkürzung von Fristen, ein Zusammenspiel mit der Opposition. Es hat sich auch gezeigt, dass hier Österreich zusammenrückt – auch in der Parteienlandschaft – und hier wirklich gemeinsam arbeitet, um das bestmögliche Ergebnis für unser Land zu ermöglichen.

noe.ORF.at: Wie handlungsfähig ist denn das Parlament derzeit? Es gibt ja schon einen Coronavirus-Fall unter den Abgeordneten.

Sobotka: Das Parlament muss zu jeder Zeit handlungsfähig sein, um die Rechtsstaatlichkeit quasi herstellen zu können. Das brauchen die Menschen, um sich zu orientieren und sich darauf verlassen zu können. Wenn andere Krankheiten auftreten, sind auch manchmal Parlamentarier nicht da. Das letzte Mal haben 42 gefehlt. Die Hälfte muss anwesend sein, das sind 93. Wir haben einen Gutteil, der im Krankheitsfall noch ausfallen könnte. Mit der Hälfte können wir jedes verfassungsmäßige Gesetz beschließen und mit einem Drittel jedes andere Gesetz.

noe.ORF.at: Wie üben Sie selbst derzeit Ihr Amt als Nationalratspräsident aus? Sie sind ja in Waidhofen an der Ybbs zu Hause. Haben Sie sich schon selbst isoliert?

Sobotka: Jeder hat den Forderungen der Gesundheitsbehörde zu folgen. So haben auch wir unsere Sozialkontakte auf das Minimum reduziert – außer an zwei, drei Tagen mal einzukaufen. Das ist es dann schon gewesen, oder frische Luft schnappen im Garten oder ein Spaziergang. Ansonsten arbeite ich über Videokonferenzen und bin zwei, drei Mal pro Woche im Büro.