Sujet Internetbetrug
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Chronik

CoV: Kriminalität verlagert sich ins Internet

Seit zwei Wochen befindet sich Niederösterreich durch das Coronavirus im Ausnahmezustand. Das öffentliche Leben läuft auf Minimalbetrieb. Während die Zahl der Einbrüche zurückgeht, steigt die Internetkriminalität.

Bei den Betrugsversuchen im Internet geht es neuerdings vor allem um dubiose Angebote für Schutzmasken, Medikamente und Desinfektionsmittel. Kriminelle versuchen auf diese Weise mit betrügerischen Methoden an Geld zu kommen. „Personen werden aufgefordert, ihre Kontodaten bekanntzugeben, damit abgebucht werden kann. Wir raten dringend davon ab, diese Daten weiterzugeben“, betonte Johann Baumschlager, Sprecher der Landespolizeidirektion.

Einen Rückgang gebe es hingegen bei den Einbrüchen in Wohnungen und Einfamilienhäuser. Diese Delikte seien zuletzt um etwa 20 Prozent zurückgegangen. „Das ist natürlich darauf zurückzuführen, dass nun viele Menschen zu Hause sind“, erklärte Baumschlager. Ein weiterer Grund sei die verstärkte Polizeipräsenz auf den Straßen. Die Polizistinnen und Polizisten seien für ihre derzeitigen Einsätze gut ausgerüstet, in den Autos werden stets Schutzmasken und Desinfektionsmittel mitgeführt.

Noch keine sichtbare Zunahme von häuslicher Gewalt

Auch der Bereich der häuslichen Gewalt werde in der aktuellen Situation sehr genau beobachtet: Derzeit liege man bei den Vorfällen im Durchschnitt, eine signifikante Steigerung gibt es laut Baumschlager bisher nicht. Zwei Wochen nach Inkrafttreten des Anti-Corona-Maßnahmenpakets sowie der darin verankerten Ausgangsbeschränkungen ist in Niederösterreich vorerst kein Anstieg der bekannt gewordenen häuslichen Gewalt festgestellt worden. Auch in den sechs Frauenhäusern im Bundesland wurde noch keine Zunahme der Akutfälle verzeichnet. Die Exekutive geht jedoch davon aus, „dass es in den nächsten Wochen dazu kommen könnte“.

Eine Zunahme bei Akutfällen zeichne sich derzeit auch laut Auskunft des Büros von Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ), zuständig für Soziale Verwaltung und Gesundheit, nicht ab. Es gebe allerdings vermehrt telefonische Anfragen und Beratungen. Die Auslastung sei zudem hoch, was allerdings nicht im Zusammenhang mit der Situation um das Coronavirus stehe. Für den Fall, dass ein sprunghafter Anstieg der Gewalttaten eintritt, wurde laut einem Sprecher die Errichtung von Notquartieren in Planung genommen: „Damit es für Frauen und Kinder in allen Landesteilen einen sicherer Platz gibt.“

Zwei aufsehenerregende Gewalttaten an Frauen

Seit das Covid-19-Maßnahmengesetz in Kraft ist, gab es im Bundesland zwei aufsehenerregende Gewalttaten. Zu Beginn der Vorwoche soll ein 51-Jähriger in Bad Vöslau (Bezirk Baden) seine schlafende Ehefrau (49) mit einem Holzstück attackiert und verletzt haben. Am Samstagabend soll ein 61-Jähriger in Maria Taferl (Bezirk Melk) auf seine Partnerin geschossen haben. Die 50-Jährige wurde schwer verletzt, befand sich aber nicht in Lebensgefahr.

Während der erstgenannte Fall einen deutlichen Bezug zu den Corona-Maßnahmen haben dürfte – der Verdächtige bezeichnete die vorherrschende Isolation bei seiner Einvernahme laut Staatsanwaltschaft als belastend –, dürfte ein solcher direkter Zusammenhang bei der jüngsten Bluttat nicht bestehen.

Homeoffice für Kriminalisten kaum möglich

Omar Haijawi-Pichner, Leiter des Landeskriminalamtes Niederösterreich, zog am Montag in der Fernsehsendung „Niederösterreich heute“ Bilanz über die Auswirkungen auf die Kriminalität in Niederösterreich nach den ersten Wochen der Ausgangsbeschränkungen.

noe.ORF.at: Wirkt sich die Ausnahmesituation, die uns in den letzten Wochen begleitet, auf alle Gebiete der Kriminalität in Niederösterreich aus?

Omar Haijawi-Pirchner: Mit Blick auf die Gesamtkriminalität sieht man sehr deutlich, dass ein starker Rückgang zu verzeichnen ist, der auch die meisten Deliktsfelder betrifft.

noe.ORF.at: Welche sind das?

Haijawi-Pirchner: Neben dem Rückgang der Enbruchskriminalität, also Einbrüche in Wohnungen und Einfamilienhäuser, verzeichnen wir auch in der KFZ-Sparte ebenso starke Rückgänge. Zum anderen sehen wir auch in der Gewaltkriminalität sowie bei der Suchtmittelkriminalität eine Abnahme.

Omar Haijawi-Pirchner
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Omar Haijawi-Pirchner (l.) im „NÖ heute“-Interview mit Werner Fetz

noe.ORF.at: Speziell bei der Gewaltkriminalität gab es ja die Befürchtung, dass die Ausgangsbeschränkungen und die Isolation zu Hause zu einem Anstieg der häuslichen Gewalt führen. Das dürfte sich ja bisher nicht abbilden?

Haijawi-Pirchner: Das ist derzeit noch nicht abgebildet. Wir gehen davon aus, dass gerade die häusliche Gewalt aber ansteigen könnte. Hier habe ich den dringenden Aufruf an die Bevölkerung: Wenn man etwas wahrnimmt – und seien es nur geringe Anzeichen von häuslicher Gewalt im Umfeld – oder wenn man selbst Opfer von Gewalt wird, bitte verständigen Sie die Polizei. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, Hilfe zu suchen – etwa in Frauenhäusern, Gewaltschutzzentren oder bei der Frauenhelpline.

noe.ORF.at: Man hört derzeit vermehrt, dass sich die Kriminellen andere Wege suchen, etwa durch Internetkriminalität oder per Telefon. Gibt es schon neue Formen der Internetkriminalität, wie wappnet man sich da?

Haijawi-Pirchner: Internet- und Cyberkriminalität, die derzeit verzeichnet wird, klassifiziert sich auf andere Phänomene als bisher. Beispielsweise werden Desinfektionsmittel in diversen Onlineplattformen angeboten, die dann aber nach der Zahlung nicht geliefert werden bzw. es werden auch Desinfektionsarbeiten angeboten, die dann aber nicht durchgeführt werden.

noe.ORF.at: Wie arbeiten Ihre Ermittlerinnen und Ermittler momentan in Zeiten, in denen viele von zu Hause aus im Homeoffice arbeiten sollten?

Haijawi-Pirchner: Für uns ist die Arbeit ganz normal, wie sonst auch. Es ist sehr schwierig für Kriminalbeamte, im Homeoffice zu arbeiten. Es gibt schon auch Kriminalbeamte, die zu Hause arbeiten und dort Berichte verfassen. Grundsätzlich erstreckt sich aber die Arbeit der Exekutive auf den Außendienst, deshalb gibt es für uns Polizisten nicht viele Möglichkeiten, von zu Hause aus zu arbeiten.

Baden: Zwei brutale Raubüberfälle geklärt

Die Polizei konnte jetzt zwei brutale Raubüberfälle aufklären, die sich Ende des vergangenen Jahres in Baden ereignet hatten. Im Dezember des Vorjahres war die Polizei zu einem schwer verletzten Taxifahrer am Badener Josefsplatz alarmiert worden. Der Mann war von einem Fahrgast am Ende seiner Fahrt mit einem 30 Zentimeter langen Messer attackiert und lebensgefährlich verletzt worden. Durch seine Hilferufe aufmerksam gemachte Anwohner konnten damals Einsatzkräfte zur Hilfe rufen. Der Täter war ohne Beute geflohen. Nach der daraufhin eingeleiteten Alarmfahndung stellte sich ein 23-Jähriger selbst bei der Polizei. Die Beamten fanden bei ihm sowohl die Tatwaffe als auch mehrere andere Messer und Tatgegenstände sowie Blutspuren des Opfers an der Ausrüstung des mutmaßlichen Täters.

Fotostrecke mit 4 Bildern

Tatwaffe
LPD NÖ
Die Tatwaffe, ein etwa 30 Zentimeter langes Messer, fand die Polizei im Besitz des 23-Jährigen
Raub
LPD NÖ
Im Besitz des 23-jährigen mutmaßlichen Täters waren auch zahlreiche weitere Messer
Raub
LPD NÖ
Raub
LPD NÖ

Bei seinen Einvernahmen gestand der 23-jährige Mann einen weiteren sehr brutalen Überfall, der sich ebenfalls in Baden zugetragen hatte, etwa einen Monat vor dem Angriff auf den Taxilenker. Laut Omar Haijawi-Pirchner, Leiter des Landeskriminalamtes Niederösterreich, war damals ein Passant – ebenfalls mit einem 30 Zentimeter langen Messer – auf offener Straße plötzlich angegriffen und durch massive Gewalteinwirkung im Gesichts- und Halsbereich sowie an den Händen schwer verletzt worden.

Die beiden Opfer mussten laut Angaben der Polizei mehrere Wochen im Landesklinikum Baden intensivmedizinisch betreut werden und leiden gesundheitlich nach wie vor unter den Folgen der Überfalle. Der 23- jährige mutmaßliche Täter wurde ins Gefangenenhaus des Landesgerichts Wiener Neustadt eingeliefert. Bei seinen Vernehmungen gab er an, dass er die Opfer hatte ausrauben wollen. Durch akute Geldsorgen und eine prekäre private Situation hatte er laut Auskunft der Polizei keinen anderen Ausweg aus seiner Situation gesehen, als Raubüberfälle zu begehen.