Hinweisschild mit Bestell- und Lieferservice
ORF/Thomas Koppensteiner
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Wirtschaft

Händler gehen in der Krise neue Wege

Die Krise stellt kleine, regionale Betriebe vor eine harte Probe. Sie müssen ihre Verkaufsläden geschlossen halten, liefern ist aber erlaubt. So mancher Betrieb hat nun neue, kreative Wege gefunden, um Waren zu verkaufen.

Das Mode- und Schuhgeschäft Leopoldinger am Kirchenplatz in Melk hat schon viele Krisen mitgemacht. Der Urgroßvater, der das Geschäft als reinen Schuhmacherbetrieb vor 90 Jahren eröffnet hatte, überlebte zwei Weltkriege, die Großeltern und Eltern mussten die Ölkrise in den Siebzigerjahren oder die Finanzkrise 2008 meistern, 2002 und 2013 wurde das Geschäft vom Donau-Hochwasser überflutet.

Jede Krise brachte aber auch wieder etwas Neues hervor. Die Seniorchefin nutzte etwa das Hochwasser 2013, um ihre kreative Phase auszuleben und begann damit, Röcke zu nähen. Es war der Beginn der Rockmanufaktur, die seit knapp 15 Jahren Röcke in und aus Österreich produziert.

Kreativ und online durch die Krise

Auch dieses Mal, während der Coronavirus-Krise, wurde die Zeit für Neues genutzt. Der ohnehin längst geplante Onlineshop wurde vorgezogen und ging vor wenigen Tagen online, die Aktivitäten auf den Social-Media-Kanälen wurden verstärkt.

„Wir sind intensiver auf Facebook gegangen, haben viele Fotos von der Frühjahrs- und Sommerkollektion gepostet. Wir haben auf Instagram teilweise eine eigene Modeschau gemacht, wo wir unsere Mode mit den passenden Schuhen und Handtaschen präsentieren. Gleichzeitig haben wir geschaut, dass unsere Website den neuesten Standards entspricht“, sagte Laura Tremmel, Juniorchefin bei Leopoldinger.

Interview im Modegeschäft Leopoldinger
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Im Mode- und Schuhgeschäft Leopoldinger hat Juniorchefin Laura Tremmel den Online-Auftritt verstärkt

Die Online-Aktivitäten können die massiven Umsatzeinbußen von „fast 90 Prozent“ freilich nicht wettmachen. Neun der zehn Mitarbeiterinnen bei Leopoldinger sind in Kurzarbeit. „Wir versuchen, Umsatz über die Onlinekanäle zu lukrieren. Man merkt, es tut sich was, es geht weiter, aber es sind trotzdem sehr starke Einschnitte“, sagte Tremmel.

Spielwarengeschäft liefert vor die Haustür

Schauplatzwechsel nach Purgstall an der Erlauf (Bezirk Scheibbs). Bei Anna’s Spielewelt sind die Rollläden ebenfalls unten. Kunden dürfen den Verkaufsraum nicht betreten, ausliefern ist aber erlaubt. Daher stellte Geschäftsführerin Anna Brandstetter ihren Betrieb auf einen Bestell- und Lieferservice für Spielsachen um.

„Wir haben mittlerweile viele Telefonanrufe, ständig kommen Anfragen rein. Wir gehen dann von Regal zu Regal und suchen die Ware zusammen“, erklärte Brandstetter. Nach erfolgter Bezahlung werden die Spielsachen – derzeit hauptsächlich Ostergeschenke – direkt an die Kunden geliefert. Anfangs nur im Umkreis von 15 Kilometern, mittlerweile weit darüber hinaus. Zusätzliche Lieferkosten fallen nicht an. „Zum Glück hat man eine Familie, mein Sohn und mein Mann fahren rund um die Uhr“, so Brandstetter. Am zweiten Standort in Wieselburg (Bezirk Scheibbs) wird man außerdem von der Stadtgemeinde beim Ausliefern unterstützt.

geschlossenes Spielwarengeschäft
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Verkaufsraum geschlossen, geliefert wird aber: Anna’s Spielewelt versucht einen Teil des Ostergeschäfts zu retten

Die für ein Spielwarengeschäft zweitwichtigste Zeit des Jahres wird aber nicht zu retten sein. Das Bestell- und Lieferservice werde zwar gut angenommen, sei aber nicht mehr als „ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte Brandstetter. Das Spielwarengeschäft macht derzeit nur zehn Prozent des durchschnittlichen Umsatzes, von den neun Mitarbeiterinnen sind einige in Kurzarbeit, andere wurden arbeitslos gemeldet.

„Aus jeder Krise kann man Positives mitnehmen“

Trotz Umsatzeinbußen, trotz Kurzarbeit, trotz der Unsicherheit, wann sie wieder aufsperren dürfen: Die beiden Unternehmerinnen aus Melk und Purgstall hatten im Gespräch mit noe.ORF.at den Blick bereits wieder nach vorne gerichtet und hoffen darauf, bald wieder aufsperren zu dürfen – wenn auch mit Auflagen.

„In jeder Krise gibt es immer etwas Positives“, sagte Tremmel. „Was unser Unternehmen betrifft, merkt man, dass wir alle näher zusammenrücken, auch wenn die Mitarbeiterinnen in Kurzarbeit sind. Wir haben eine WhatsApp-Gruppe gegründet, wo wir uns täglich austauschen. Man merkt auch, dass die Zahlen der Klicks und der Abonnenten nach oben gehen, somit bekommen wir eine neue Reichweite, die hoffentlich auch nach der Krise beibehalten wird.“

„Die Solidarität ist sehr groß. Wir haben von überall die Anfragen, die uns unterstützen wollen“, sagte Brandstetter. „Meine Mitarbeiter, meine Kinder – ich kann auf jeden zählen. Es ist schön, welche Dankbarkeit es gibt. Das baut mich immer wieder auf, wenn ich in der Verzweiflung schwanke“, so Brandstetter. Sie hofft auch weiterhin auf Unterstützung – etwa vom Osterhasen.