Kultur

Hans Raimund: Ein Poet wird 75

Der Lyriker, Essayist und Übersetzer Hans Raimund wird am Sonntag 75 Jahre alt. Der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Autor wurde in Petzelsdorf bei Purgstall an der Erlauf (Bezirk Scheibbs) geboren und lebt heute in Hochstraß (Burgenland).

Hans Raimund wird von dem APA-Kulturjournalisten Ewald Baringer beschrieben als „ein feinsinniger poeta doctus, bisweilen streitbarer Homme de lettres und ‚stets auf der Hut‘, so ein bezeichnend doppeldeutiger Satz aus dem bereits 1998 erschienenen Gedichtband ‚Porträt mit Hut‘“.

Geboren in Petzelsdorf bei Purgstall an der Erlauf, aufgewachsen in Wien, studierte Raimund Musik, Anglistik und Germanistik und unterrichtete u.a. am Wiener Theresianum. Von 1982 bis Ende 1985 war er im Redaktionsteam der niederösterreichischen Literaturzeitschrift „das pult“. Von 1984 bis 1997 verbrachte er für sein Schaffen wesentliche Jahre in Duino bei Triest, seither lebt er als freier Schriftsteller in Hochstraß bei Lockenhaus im Mittelburgenland und zeitweise in Wien.

Feinsinniger Lyriker und aufmerksamer Leser

Seine Lyrikbände und auch seine Übersetzungstätigkeit (aus dem Italienischen, Französischen und Englischen) wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Georg-Trakl-Preis, dem Anton-Wildgans-Preis, dem Wystan-Hugh-Auden-Übersetzerpreis und dem Kulturpreis des Landes Niederösterreich (Anerkennungspreis 1982, Förderungspreis 1984 und Würdigungspreis 1998). Zahlreiche seiner Buchveröffentlichungen wurden in andere Sprachen übersetzt.

Schriftsteller Hans Raimund auf einem undatierten Archivbild
APA/Edition Lex Liszt
Hans Raimund, feinsinniger poeta doctus und streitbarer Homme de lettres

„Ich bin also ein Dichter, der auch übersetzt, vor allem aber bin ich ein Leser“, charakterisierte sich Raimund in dem 2001 erschienenen Essayband „Das Raue in mir“. Das Bild des Autors als Leser vermittelt auch der zuletzt erschienene Band „Neigungen“, in dem sich abermals ein weites Panorama literarischer Begegnung und Auseinandersetzung mit dem Werk insbesondere italienischer und englischsprachiger Autoren eröffnet.

Streitbarer Essayist und engagierter Übersetzer

Seinen Ruf des schwierigen Außenseiters sieht Raimund als Klischee: „Es stimmt insofern, als ich nirgendwo dazugehöre. Auch wenn ich als bösartig verschrien bin: Es ist mir unerhört wichtig, Kontakte zu haben. Nur: Ich lasse mir nicht alles gefallen“, so Raimund einst in einem APA-Interview.

Schriftsteller Hans Raimund auf einem undatierten Archivbild
APA/Hans Wetzelsdorfer
„Es ist ein gewisses wollüstiges masochistisches Vergnügen, wenn einem zehn Zeilen, die man schön findet, gelungen sind“

Das Grundgefühl des Fremdseins prägt seine Lyrik – nachzulesen in Gedichtbänden wie „Kaputte Mythen“, „Strophen einer Ehe“ oder im Sammelband „Auf einem Teppich aus Luft“ – und auch manche biografisch gefärbte Prosa („Trugschlüsse“). „Ein Faszinosum der Lyrik besteht für mich darin, dass sie nutzlos ist“, meinte Raimund in besagtem Interview. „Es ist ein gewisses wollüstiges masochistisches Vergnügen, wenn einem zehn Zeilen, die man schön findet, gelungen sind.“

Und das möglichst ohne unangebrachte Larmoyanz: „Kein apokalyptisches Gejammer! So wie das Leben ist auch die Kunst, als Spiegelung dieses Lebens, in einer dauernden Krise“ – ein Satz aus den „Neigungen“, nicht wirklich tröstlich, aber nüchtern. Das Leben als permanente Krise – und als Strategie mag vielleicht „der lange geduldige Blick“ (so der Titel eines weiteren Gedichtbands) taugen, der Raimunds literarische Arbeit auszeichnet.

Schriftsteller Hans Raimund in seinem Haus 2015
ORF
Hans Raimund an seinem Arbeitsplatz in seinem Haus in Hochstraß

„Stocktaub für jeden Rat“

Hans Raimund brachte unter dem Titel „Neigungen“ im Löcker-Verlag einen Sammelband heraus, in dem Texte aus vier Jahrzehnten ein „Porträt des Autors als Leser“ zeichnen – Erregungen und Abrechnungen inklusive.

„Reden, Aufsätze, Polemiken – und auch Rezensionen. Es sind aufschlussreiche Texte, deren Lektüre in jedem Fall lohnend ist, nicht zuletzt durch anregende Begegnungen mit Autoren, die hierzulande kaum bekannt sind, wie John Rodolfo Wilcock, Henri Cole, Jude Stefan oder Antonio Moresco“, so Ewald Baringer.

Die Aura des Schwierigen scheint Raimund zu kultivieren, meint der Kulturpublizist, den Autor zitierend: „‚Es gibt ein Muster der Selbstschädigung in meinem Leben.‘ Oder, nachzulesen in den ‚Choral-Variationen‘: ‚Hat selber sich zu oft das Bein gestellt / ist immer wieder gegen sich selber eingeschritten / stocktaub für jeden Rat‘.“