Eingangsbereich des Pflege- und Betreuungszentrums Melk
ORF/Thomas Koppensteiner
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Soziales

Strenge Regeln in Pflegeheimen greifen

Für Angehörige gilt ein Betretungsverbot, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen Masken: Die strengen Regeln in den Pflegezentren des Landes zeigen Wirkung. Nur 35 der knapp 6.000 Bewohnerinnen und Bewohner haben sich bisher mit dem Virus infiziert.

Die 35 bestätigten Covid-19-Fälle verteilen sich auf acht Pflegezentren des Landes Niederösterreich. Aufsehen gab es rund um das Heim in Zwettl, wo 17 Bewohnerinnen und Bewohner sowie fünf Mitarbeiter erkrankt waren. „Das kann man sich insofern erklären, weil das Coronavirus ein sehr aggressives Virus ist. Wenn es einmal in einem Heim oder Klinikum ist, kann es sich sehr rasch verbreiten“, sagte Filip Deimel, Leiter der Gruppe Gesundheit und Soziales des Landes Niederösterreich, am Sonntag gegenüber noe.ORF.at.

„Man fällt zuerst natürlich ins Bodenlose“

Im Pflege- und Betreuungszentrum (PBZ) Zwettl leben 103 Menschen. Sie sind nicht nur wegen ihres Alters besonders gefährdet, viele von ihnen haben auch Grunderkrankungen. Vor zwei Tagen erreichte den Direktor Andreas Glaser die Hiobsbotschaft: „Zuerst fällt man natürlich ins Bodenlose. Wir hatten aber tolle Unterstützung vom Krisenstab der Landesgesundheitsagentur, der uns begleitet hat.“

Gemeinsam wurde ein Krisenplan erarbeitet: „Die Maßnahmen haben so ausgesehen, dass wir die Bewohner, die negativ getestet worden sind, in das PBZ Tulln gebracht haben. Alle Bewohner, die positiv sind, sind in Zwettl geblieben“, sagt Glaser. Mit Hilfe von Experten aus dem benachbarten Landesklinikums Zwettl soll es gelingen, „dass nach einer gewissen Zeit auch diese Bewohner wieder negativ sind“.

Betroffen ist der psychosoziale Betreuungsbereich. „Die Symptome der Infizierten – sie sind im Schnitt 60 Jahre alt – sind vergleichsweise mild, oder sie haben keine Symptome“, erzählte Glaser. Nur wenige Bewohner müssen im Krankenhaus behandelt werden. In den zwei Abteilungen für Langzeitpflege ist kein CoV-Fall bekannt. Dort sind die Bewohner durchschnittlich 85 Jahre alt. Glück im Unglück, sagte der Direktor.

Wie das Virus ins Pflegeheim gekommen ist, ist unklar. „Wir sind seit 14.3. abgeriegelt. Zu uns darf niemand ins Haus – keine Angehörigen, keine Besucher. Auch Ärzte lassen wir nur sporadisch herein, wenn wir sie benötigen. Möglicherweise ist es durch einen Mitarbeiter passiert, der keine Symptome hatte, aber die Infektion schon in sich getragen hat“, sagte Glaser bei einem Lokalaugenschein von noe.ORF.at.

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Pflege- und Betreuungszentrum Zwettl
ORF/Gernot Rohrhofer
Im Pflege- und Betreuungszentrum in Zwettl wurden 22 Personen mit dem Virus infiziert
Pflege- und Betreuungszentrum Zwettl
ORF/Gernot Rohrhofer
Die Betroffenen wurden in einem isolierten Bereich untergebracht
Pflege- und Betreuungszentrum Melk
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Strenge Regeln gelten auch in den anderen Pflegeheimen des Landes wie hier in Melk, wo 146 Menschen leben
Hinweisschild zu den Maßnahmen zum Coronavirus an der Eingangstür zum Pflegeheim in Melk
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Besuche von Angehörigen sind derzeit nicht erlaubt
Eingangsbereich des Pflege- und Betreuungszentrums Melk
ORF/Thomas Koppensteiner
Kontakt zur Außenwelt gibt es für die Bewohnerinnen und Bewohner zum eigenen Schutz derzeit nur durch die Glasscheibe, per Telefon bzw. Videotelefonie

Schwerpunktheime in Mödling und St. Pölten

Für einen weiteren Anstieg an Erkrankungen zeigt man sich seitens des Landes gerüstet. Ähnlich wie bei den Krankenhäusern wurden auch für Pflegeheime Schwerpunkthäuser festgelegt. „Insgesamt wird es nach einem Stufenplan acht geben. Je nach Zuwachs der Erkranktenrate, die wir aber sehr gut im Griff haben, werden wir bei Bedarf sukzessive nächste Pflegeheime hochschalten, die die Betreuung übernehmen. Derzeit gibt es eines in Mödling, nach Ostern wird auch eines in St. Pölten eröffnet“, so Deimel.

Tritt bei einem Heimbewohner eine Infektion auf, wird er zunächst in einem der aktuell zehn Schwerpunktkrankenhäuser behandelt und anschließend isoliert von den anderen Bewohnern im Schwerpunktpflegezentrum betreut.

Kontakt nach außen als „große Herausforderung“

Als „große Herausforderung“ bezeichnete Deimel gegenüber noe.ORF.at, den Grat zwischen größtmöglichem Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner und dem Kontakt zur Außenwelt zu schaffen. „Es gibt große Aktivitäten der Zentren, um den Kontakt zur Außenwelt aufrechtzuerhalten“, so der Leiter der Gruppe Gesundheit und Soziales des Landes. „Gerade zu Ostern gibt es viele Aktionen. Firmlinge schickten Ostergrüße an die Bewohner, eine Kontaktaufnahme ist über Telefonie und Glassichtwand bzw. über Videotelefonie möglich.“

Mit 48 Pflege- und Betreuungszentren ist das Land Niederösterreich der größte Pflegeheimbetreiber im Bundesland, darüber hinaus gibt es 58 private Pflegeeinrichtungen. Für sie alle gelten seit rund einem Monat verschärfte Maßnahmen, die von der Bundesregierung vorgeschrieben wurden. Diese würden von der Landesgesundheitsagentur genau kontrolliert, so Deimel. Eine Verschärfung der Maßnahmen hält er für nicht notwendig. Man habe die Situation in den Pflegeheimen derzeit im Griff. Die Namen der anderen betroffenen Einrichtungen wollte Deimel mit Ausnahme des Pflege- und Betreuungszentrums Tulln nicht nennen.