Musiklehrer und -schülerin beim Onlineunterricht
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Coronavirus

Musikunterricht als digitale Herausforderung

Die Musikschüler müssen noch warten. Bis zur Öffnung der Musikschulen wird der Unterricht weiterhin digital über Computer oder Telefon abgewickelt, eine Herausforderung für Schüler, Eltern und vor allem die Lehrkräfte.

Die 60.000 Musikschülerinnen und Musikschüler Niederösterreichs befinden sich seit einigen Wochen in regem Telefonkontakt mit ihren 2.300 Lehrkräften. Seit der Schließung der Schulen wurde die Lehrtätigkeit schrittweise auf Unterrichtseinheiten ohne persönlichen Kontakt umgestellt. Weder Ensembleproben noch solistisches Üben auf einem Instrument war noch in den Räumen erlaubt. Die Lehrer und Lehrerinnen zogen mit Packen an Noten unter dem Arm aus, das Direktionspersonal ins Homeoffice verabschiedet.

„Ganz zu Beginn war es so, dass sich niemand ausgekannt hat, ob wir unterrichten sollen, und wenn ja, wann und wie“, erzählte die Harfenistin Eva Maria Wallisch, Lehrerin an den Musikschulen Alpenvorland und Wienerwald. „Und ich habe dann, wie viele meiner Kollegen und Kolleginnen, beschlossen, mit meinen Schülern irgendwie zumindest über das Telefon so eine Art Unterricht aufzubauen.“ Sie baute sich ein notdüftiges Studio, um ihre Schüler und Schülerinnen mit Kurzvideos zu versorgen, weil bei den meisten ein Unterricht über Computer aus Kosten- oder Empfangsgründen nicht möglich ist. Die Clips können auf das Handy geladen werden.

Musiklehrer beim Onlineunterricht
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Schlagzeuger Siegfried Meier erklärt die Stockhaltung über Videotelefonie

Mehr als 150 Videos produzierte sie bisher, maßgeschneidert für jeden Schüler. Aus einer halben Lehrverpflichtung wurde ein Fulltime-Job. Ähnliches wusste der Schlagzeuger Siegfried Meier, Lehrer an der Joe-Zawinul-Musikschule in Gumpoldskirchen gegenüber noe.ORF.at zu berichten: „Gerade wenn man keinen direkten Kontakt zu den Schülern hat, braucht die Vorbereitung extrem viel Zeit. Ich habe oft bis zwei Uhr in der Nacht Noten für meine Schüler geschrieben, weil es gerade für das Drumset keine Notenschreibprogramme gibt“.

Kein Empfang im Proberaum, Geige klingt nach Trompete

Für Siegfried Meier kommt erschwerend hinzu, dass er gerne online-Unterricht über den Computer anbieten würde, doch im Keller, wo die allermeisten seiner Schüler ihre Drumkids stehen haben, gibt es oft nicht einmal einen brauchbaren Telefonempfang.

Ein Musizieren im Duett mit den Schülerinnen und Schülern ist für die Geigerin Gertrud Stecher, Lehrerin an der Musik- und Kunstschule St. Pölten, derzeit überhaupt kein Thema, die Zeitverzögerung über die Internet- und Telefonleitung macht alles zunichte. Dazu kommt, und darüber klagen alle Pädagogen, der schlechte Klang: „Die Geige, wie ich sie durch die Datenleitung höre, klingt eher blechern wie eine Trompete. Dazu kommt, dass ich beim Unterricht über das Telefon nicht erkennen kann, ob das Kind einen Auf- oder Abstrich spielt.“

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Gitarrist Lukas Schönsgibl hat für die Musikschule St.Pölten eine Lernplattform mit hoher Datenschutzsicherheit aufgebaut.

Digitales Lernen im sozialen Ungleichgewicht

Gerade der Einzelunterricht, wie es eben jener unter Musikern ist, verlangt in der digitalen Transformation den Lehrern, Eltern und Schülern sehr viel an Konzentration und Geduld ab. Auch der Umgang mit den sozialen Medien und ihren Möglichkeiten musste oftmals erst mühsam erlernt werden, dessen ist man sich beim Musikschulmanagement des Landes durchaus bewusst. In vielen Haushalten gibt es keinen Laptop, den man vor dem Keyboard platzieren könnte oder er wird gerade fürs Homeoffice beziehungsweise von Geschwistern für die Hausübung oder das Streamen gebraucht.

„Natürlich sind die Ausgangsbedingungen unterschiedlich. Das betrifft nicht nur Eltern und Schüler, das betrifft Lehrende genauso“, erklärte Michaela Hahn, die Geschäftsführerin des Musik- und Kunstschulmanagements. „Bei den Lehrern im Popularmusikbereich gibt es oftmals hervorragendes Equipment. Da war es überhaupt kein Problem, auf den digitalen Unterricht umzusteigen. Andere Lehrende habe sich noch nie so stark mit digitalen Medien auseinandergesetzt, haben bisher nicht die neuesten Computer gebraucht. Und diese ungleiche Situation gibt es auch auf der Eltern-Schüler-Seite.“ Dazu kommt in der Diskussion um digitales Lernen noch die Frage des Datenschutzes. Lehrer, die ihr Equipment in der Coronvirus-Pandemie aufrüsten wollten, konnten nicht, weil keine Geräte lieferbar waren.

Konzept für schrittweise Öffnung der Musikschulen

Während der Fahrplan für die Pflichtschulen und Gymnasien nun klar auf dem Tisch liegt, ist die Marschrichtung für die Musikschulen noch offen. Der Musikunterricht ist Sache der Städte und Länder. Sie bestimmen, jedes Bundesland für sich, wie die Rückkehr in die Musikschulen aussehen soll. Für Niederösterreich könnte ein erster Unterricht Mitte Mai möglich sein. An den Umsetzungskonzepten werde seit längerem gearbeitet.

„Derzeit sind viele Experten mit diesem Thema befasst. Wir tauschen uns da auch österreichweit aus, wir sprechen uns diesbezüglich auch mit den Musikuniversäten und den Schulen ab. Es gibt mehrere Modelle, wie eine stufenweise Rückkehr zum Regelbetrieb anlaufen kann“, erklärte Michaela Hahn.

Während der Coronavirus-Krise wurden neue Formen des Musikunterrichts ausprobiert. Viele wären ohne diese Ausnahmesituation nie entstanden, die eine oder andere wird wahrscheinlich im Unterrichtsalltag Aufnahme finden. Die Geigenpädagogin Gertrud Stecher formulierte es so: „Die Kinder und Jugendlichen werden selbstständiger, lernen eine neue Art des Übens, und das tut ihnen gut.“