Post-Chef Pölzl
APA/ROBERT JAEGER
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Chronik

Post: „Netz nicht zu 100 Prozent gespannt“

Die Post ist rund um den Coronavirus-Ausbruch im Verteilzentrum Hagenbrunn (Bezirk Korneuburg) unter Druck geraten. Post-Chef Georg Pölzl sprach nun von einer Vorsichtsmaßnahme, man habe „das Netz aber nicht zu 100 Prozent gespannt“. Im Logistikzentrum Inzersdorf dürfte es bald den nächsten Bundesheer-Einsatz geben.

Kritik an den bisherigen Sicherheitsmaßnahmen des Unternehmens wies Georg Pölzl, Generaldirektor der Post AG, am Montag zurück. Man habe in der Coronavirus-Krise viel gemacht, „aber offensichtlich haben wir das Netz nicht zu 100 Prozent gespannt“. Es habe etliche Hygienemaßnahmen im Arbeitsalltag des Logistikzentrums gegeben. Er wisse aber auch im Rückblick nicht, was man anders hätte machen können.

„Wir sind hier nicht in einem disziplinierten Umfeld wie beim Bundesheer, wo es Anordnungen gibt, die dann lupenrein befolgt werden. Ich kann für das Sozialverhalten unserer Mitarbeiter nicht die 100-prozentige Sicherheit geben“, sagte Pölzl. Man hätte den Mitarbeitern im Transportbereich demnach „vielleicht eine Bewachungstruppe zur Verfügung stellen“ müssen. Den grundsätzlichen Einsatz von Leiharbeitern und insbesondere Asylberechtigten stellte der Chef der Post AG aber nicht in Frage. Das sei in Österreich Teil der Realität am Arbeitsmarkt.

„Seit acht Wochen Weihnachten“

Generell erlebe die Post „seit acht Wochen Weihnachten“, weil das Paketvolumen wie sonst nur einmal pro Jahr in der Hochsaison angestiegen sei. Der Zuwachs betrage etwa 50 Prozent, die Hälfte davon stamme aus der Übernahme des Geschäfts von Post-Konkurrent DHL.

Bei den Details der Virus-Ausbreitung in den Logistikzentren Hagenbrunn und Inzersdorf verwies Pölzl auf die Gesundheitsbehörden. Die Mitarbeiter hätten aber großteils keine Symptome gezeigt. Als man von dem „explosionsartigen Anstieg“ erfahren habe, habe man schnell reagiert. Es habe eine Empfehlung, aber keine Anordnung der Behörden gegeben, die gesamte Mannschaft der Standorte zwei Wochen lang in Quarantäne zu schicken.

Georg Pölzl und Klaudia Tanner bei einem Besuch im Postverteilzentrum Hagenbrunn
ORF / Rohrhofer
Post-Chef Georg Pölzl (gelbe Maske) beim Treffen mit Verteidungsministerin Klaudia Tanner

Die Post habe sich dann um kurzfristigen Ersatz umgesehen „und die einzige Organisation, die das in Österreich kann, ist das österreichische Bundesheer“, sagte Pölzl. „Sehr schnell und in einer unglaublichen Art und Weise“ habe das Heer der Bitte des Unternehmens Folge geleistet. Es handle sich um eine Vorsichtsmaßnahme und einen Befreiungsschlag, in zwei Wochen soll es zurück zum Normabetrieb gehen.

Unterstützung auch für Inzersdorf angefordert

Derzeit seien 397 Bedienstete des Bundesheeres – sowohl Soldaten als auch Zivilisten – im Schichtbetrieb, sagte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) bei dem Besuch in Hagenbrunn. „Der erste notwendige Schritt war, dass Spezialisten des ABC-Abwehrzentrums Korneuburg desinfiziert haben.“ Diese Teams seien auch weiterhin in den zwei Wochen der Aktion im Einsatz. Zusätzliche Maßnahmen sind etwa gleiche Schichten und Kleingruppen.

In einem nächsten Schritt forderte die Post laut Generaldirektor Pölzl auch eine Unterstützungsleistung für den Wiener Standort Inzersdorf an. Eine offizielle Zusage des Ministeriums dürfte es hier noch nicht geben, doch Verteidigungsministerin Tanner verkündete, dass man vorbereitet sei und auch am zweiten Standort so schnell wie möglich aktiv werden könne.

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Soldaten bei der Arbeit im Postverteilzentrum Hagenbrunn
Bundesheer
Soldaten bei der Einschulung für die neue Tätigkeit
Soldaten bei der Arbeit im Postverteilzentrum Hagenbrunn
Bundesheer
Soldaten mit Logistikerfahrung bedienen die Gabelstapler
Soldaten bei der Arbeit im Postverteilzentrum Hagenbrunn
Bundesheer
In regelmäßigen Abständen desinfizieren Soldaten der ABC-Abwehr das Areal
Hagenbrunn Postzentrum Bundesheereinsatz
ORF
Das Bundesheer hat auf dem Postareal einen temporären Stützpunkt errichtet

Cluster: Mehrere hundert Personen in Quarantäne

Dutzende positive Coronavirus-Tests waren am Standort Hagenbrunn der Auslöser für die Maßnahmen gewesen. Wie viele Infizierte es genau gibt, konnte Pölzl am Montag nicht sagen. „Das ändert sich laufend“, erklärte er. 63 positiv getestete Mitarbeiter würden jedenfalls in Wien wohnen, erläuterte Andreas Huber, Sprecher des medizinischen Krisenstabs der Stadt. Insgesamt befanden sich rund um den Cluster mehrere hundert Personen in Quarantäne. Bisher wurden „mehr als 400 Absonderungsbescheide“ ausgestellt, sagte Huber – mehr dazu in Rund um CoV-Cluster mehr als 400 in Quarantäne (wien.ORF.at; 18.5.2020).

Die Containment-Maßnahmen waren jedoch noch nicht abgeschlossen. Im Postzentrum in Wien-Inzersdorf gab es bisher 500 Tests, 70 Mitarbeiter waren positiv. Bestätigt wurden der APA auch Medienberichte, wonach in der Logistikzentrale eines großen Möbelhauses in Wien-Floridsdorf ebenfalls sechs Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt sind. Diese Fälle dürften ebenfalls auf Leiharbeiter zurückzuführen sein.

Grafik zeigt die Coronavirus-Cluster im Großraum Wien
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA
Der Coronavirus-Cluster rund um WIen

In einem vorübergehend geschlossenen Kindergarten in Wien-Liesing, wo eine mit einem Leiharbeiter zusammenlebende Mitarbeiterin und ein Kind infiziert sind, wurden inzwischen alle Kinder und Betreuer untersucht. Es gab keine weiteren Erkrankten. In Kindergärten wird in Wien weiterhin bei Verdachtsfällen getestet. Im Bereich von Pflege-, Obdachlosen- und Flüchtlingseinrichtungen kündigte die Stadt dagegen weitere großflächige Tests an. Diese Strategie ist „aus unserer Sicht erfolgreich, dass wir genau hinschauen und in die Tiefe schauen“, hieß es auf APA-Nachfrage aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Bei dem Cluster hätten rund 90 Prozent symptomlos Erkrankte identifiziert werden können. „Die haben wir auf diesem Weg ausfindig gemacht“, sagte der Sprecher.

Knapp über 1.000 Testungen seien bisher im Flüchtlingsbereich durchgeführt worden. Rund 40 Infizierte sind laut Stadt Wien ebenfalls auf diesen Cluster in Verbindung mit Leiharbeiten zurückzuführen. Allein in einer Unterkunft in Erdberg waren 24 Bewohner infiziert. Ebenfalls knapp 1.000 Testungen gab es in Betreuungseinrichtungen für Obdachlose, dabei wurde ein Infizierter ausfindig gemacht. Eine Unterkunft in Hietzing wurde unter Quarantäne gestellt und die Bewohner teilweise in anderen Einrichtungen untergebracht.

Hacker: „Zeigt alles nach Hagenbrunn“

Laut Stadtrat Hacker deutet alles darauf hin, dass das Postzentrum in Hagenbrunn bzw. die Leiharbeitsfirmen Auslöser für den Cluster waren. Nur zehn Prozent der Wiener Betroffenen wiesen offenbar Symptome auf.

„Es zeigt alles nach Hagenbrunn“, sagte Hacker im Gespräch mit der APA. Dies habe die genaue Betrachtung der jüngsten Zahlen – viele der in Hagenbrunn tätigen Arbeiter leben in Wien – ergeben. Leiharbeit sei offenbar diesbezüglich ein großes Problem. Mit Flüchtlingen habe dies nichts zu tun. Denn die meisten Fälle etwa in der Unterkunft in Erdberg ließen sich auf die Post-Verteilzentren zurückführen – und nicht umgekehrt.

Niederösterreichische Kritik an Stadtrat

Die niederösterreichische Landessanitätsdirektorin Irmgard Lechner widersprach am Montag diesen Aussagen. Dass Hagenbrunn wohl Auslöser für den aktuellen Cluster gewesen sei, sei auf Grundlage aller bekannter Fakten „sachlich nicht nachvollziehbar“, sagte sie auf APA-Anfrage.

Die Situation sei „von uns akribisch aufgearbeitet worden“, betonte Lechner. „Es gab im Postverteilerzentrum Hagenbrunn im Vorfeld keinen einzigen positiv getesteten Corona-Fall. Der Patient Null dieses Clusters war ein Mann, der von seinem Wohnsitz in Wien nach Hagenbrunn pendelte. Die nächsten drei Fälle waren ebenso Personen, die aus Wien ins Postverteilerzentrum Hagenbrunn pendelten – und zwar im gleichen Bus wie der Patient Null“, erläuterte die Landessanitätsdirektorin.

„Es wäre daher – vorsichtig formuliert – mindestens ebenso schlüssig, davon auszugehen, dass das Virus von diesen Personen aus Wien ins Postverteilerzentrum Hagenbrunn getragen wurde“, sagte Lechner zur APA. Generell halte sie jedoch nichts davon, „wenn bei der Eindämmung des Virus mit dem Finger aufeinander gezeigt wird“. Für die erfolgreiche Bekämpfung des Virus sei es „wichtig, dass wir alle zusammenarbeiten“.

Königsberger-Ludwig: „Haben ein gemeinsames Ziel“

In dieselbe Kerbe schlug am Montag auch Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ). Es sei in der aktuellen Situation nicht angebracht, von einem Zwist zu sprechen, sagte sie im Interview mit noe.ORF.at: „Ich denke, wir haben ein gemeinsames Ziel, nämlich dieses Virus einzufangen. Das ist uns bis jetzt äußerst gut gelungen, weil viele gemeinsam gearbeitet haben.“ Auch im aktuellen Fall funktioniere die Zusammenarbeit zwischen den Behören in Niederösterreich und Wien gut – so habe man auch gemeinsam die Entscheidung getroffen, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Postverteilzentrums Hagenbrunn abgesondert werden.

Man sei einen „guten Weg gegangen“, um den Cluster „einzufangen“, so Königsberger-Ludwig. Dennoch sei sie davon überzeugt, dass man „gut hinschauen muss, ob da oder dort ein neuer Cluster auftaucht.“ Niederösterreich, Wien und das Gesundheitsministerium hätten sich deshalb auch gemeinsam darauf verständigt, dass man Leiharbeitfirmen nun verstärkt ins Visier nehmen und Leiharbeiter verstärkt testen möchte.