Linde Waber in Japan 2009
Gunter Breckner
Gunter Breckner
Kultur

Linde Waber: Eine große Malerin wird 80

Die aus Zwettl stammende Malerin und Grafikerin Linde Waber feiert am Sonntag ihren 80. Geburtstag. Ihre Werke wurden in den letzten Jahrzehnten in großen Museen, namhaften Galerien und in vielen Ländern gezeigt. Die Arbeitsbereiche der Künstlerin sind vielfältig.

„Kunst habe ich genug, Zeit habe ich keine!“ Das ist Linde Waber pur. Vor vielen Jahren wurde sie einmal von einer befreundeten Künstlerin als „Kleinkraftwerk Linde“ bezeichnet, eine Beschreibung, die bis heute Gültigkeit hat. Sie bereist die Welt, besucht Künstlerfreunde, plant Projekte, betreut Enkelkinder, bewirtet Besucher und bezeichnet sich als eine Besessene – kein Tag ohne Malen und jeden Tag ein neues Werk.

Linde Waber wurde am 24. Mai 1940 in Zwettl geboren. Sie studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien (Sergius Pauser meinte zu ihrer Mappe: „Das Mädel hat Talent!“), Maximilian Melcher war für sie eine „wichtige Künstlervaterfigur. Er hat meinen Werdegang sehr mitbestimmt", ein zweiter Künstler, der Einfluss hatte, war Oskar Kokoschka: „Er hat mich enorm beeindruckt. Auch Boeckl war charismatisch."

Linde Waber in Tibet 2007
Gunter Breckner
Linde Waber in Tibet, 2007

1961 erhielt sie den Oskar-Kokoschka-Preis. Das Studium schloss sie 1964 mit dem Diplom als akademische Malerin und Grafikerin ab. „Sie nahm dann ihr ganzes Leben hindurch die Mühen einer freischaffenden Künstlerin auf sich“, so Wolfgang Mantl, befreundet mit Linde Waber seit den 1960er Jahren, heute emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Universität Graz.

Kein Tag ohne Malen, kein Tag ohne Kunst

Ein Freund der Familie und exzellenter Kenner der künstlerischen Arbeit seit mehr als 50 Jahren ist auch Ernst Bruckmüller, der an der Universität Wien Ordinarius für Wirtschafts- und Sozialgeschichte war: „Sie arbeitet immer, zeichnet und malt buchstäblich alles und mit allem, was ihr in die Hände fällt, bis zum Grashalm. Vielleicht nimmt sie einmal auch einen Gamsbart dazu, bei einem alpinen Trachtenfest.“

Fotostrecke mit 10 Bildern

Linde Waber Holzschnitt Phantasie um eine Landschaft 1968
Linde Waber
Phantasie um eine Landschaft , Holzschnitt, 1968
Linde Waber Tusche Waldviertel 1984
Linde Waber
Waldviertel, Tusche, 1984
Linde Waber Holzschnitt Weltleben
Linde Waber
Welt-Leben, Holzschnitt
Tusche Paris
Linde Waber
Paris, Tusche
Linde Waber Zukunftsmaschine HOlzschnitt
Linde Waber
Zukunftsmaschine, Holzschnitt
Line Waber Papier ohne Titel
Linde Waber
o.T.
Linde Waber Naturgelb
Linde Waber
Naturgelb
Linde Waber Atelierzeichnung Friederike Mayröcker
Linde Waber
Atelierzeichnung Friederike Mayröcker
Linde Waber Atelierzeichnung Gottfried von Einem
Linde Waber
Atelierzeichnung Gottfried von Einem
Linde Waber Atelierzeichnung Bodo Hell
Linde Waber
Atelierzeichnung Bodo Hell

Linde Waber unternahm zahlreiche Studien- und Arbeitsreisen wie etwa nach Frankreich, Italien, England, Brasilien, Afrika, in die Karibik, nach Jemen und in den Oman. 1970 absolvierte sie ein Jahr in Japan im Atelier des Holzschneiders Tetsuo Yoneda in Kyoto („1970 war für mich der Kopfsprung in die Kunst“). 2007 arbeitete sie in China. Das Werk Wabers hat eine große Vielfalt: Linol- und Holzschnitte, Radierungen, Mischtechniken, Collagen, Zeichnungen, Ölbilder, immer wieder Feder, Pinsel, Tusche, Bühnenbilder und Buchausstattungen.

Inspiration durch Beobachtung von Natur und Mensch

Sie ist eine sensible Beobachterin – der Natur, ihrer Umgebung, ihrer Mitmenschen. „Es geht dieser Künstlerin um die Umwelt schlechthin, etwa um das Landschaftliche im eigenen Garten, um Stimmungen in fremden Ländern, und besonders interessiert sie sich für die Umgebung arbeitender Künstler in ihren ganz verschiedenen Ateliers. Dazu prägen sensible Beobachtungen menschlicher Existenz ihren Charakter und ihre künstlerische Arbeit. Sie sammelt interessante Menschen um sich, sucht besonders den Kontakt zu anderen Künstlern“, schrieb der Kunstsammler, Mäzen und Museumsgründer Rudolf Leopold, in dessen Museum im Wiener Museumsquartier im Jahr 2010 eine große Personale unter dem Titel „WABER RETROSPEKTIV und Weggefährten“ gezeigt wurde.

Linde Waber in Japan 2009
Gunter Breckner
Die Künstlerin in Japan, 2009

Zu Wabers Freundeskreis gehören Maler, Dichter, Musiker, Architekten, Filmemacher. Nur wenige Namen sollen hier exemplarisch angeführt werden: Friederike Mayröcker, Elfriede Gerstl, Liesl Ujvary, Lotte Ingrisch, Franzobel und Bodo Hell. Im Katalog zur erwähnten Ausstellung im Leopold Museum schrieben aber auch Freunde wie Renald Deppe, Markus Kupferblum, Marie-Theres Kerschbaumer, Ernst Jandl, Hermann Gail und H.C. Artmann. Linde Waber lebt in Interaktion mit anderen Kunstformen und holt sich auch immer wieder Anregungen aus der Literatur.

„Menschenbilder“

Heinz Janisch hat Linde Waber für diese Ö1-Reihe portraitiert, am So, 24.5.2020, ab 14.05 Uhr

Viele dieser Künstlerfreunde im In- und Ausland wurden seit 1982 von Linde Waber besucht, um das für die jeweilige Person Charakteristische in deren eigenem Arbeitsumfeld festzuhalten. So entstand ihre Serie „Atelierzeichnungen“, mehr als 350 solcher Atelierbesuche absolvierte sie bereits. „Die Ordnung anderer Menschen und ihrer Räume beginnt mich zu interessieren. Ich zeichne in den Ateliers anderer Künstler und versuche zu begreifen“, erklärt Waber. Zu Gast war sie u.a. bei Gottfried von Einem und Rolf Hochhuth ebenso wie bei Gunter Damisch und Hans Staudacher, ihre Atelierbesuche machte sie aber auch in Aserbaidschan, Jemen, Oman, Pakistan, China, Japan, Südafrika und Israel.

Seit 32 Jahren täglich eine Tageszeichnung

Seit 1998 macht sie ihre „Tageszeichnungen“, eine andere Form des Tagebuchs. Ein Tagebuch in Bildern, auf Japanpapier, im Format 35 x 35 Zentimeter, ein Festhalten des an einem Tag Erlebten: „Mir gefällt das deshalb so gut, weil ich oft keine Zeit habe, ich bin ja viel unterwegs. Und ich treffe und kenne sehr viele Menschen, die kommen alle in meinen Zeichnungen vor. Diese Tageszeichnungen sind für mich eine sehr spannende Sache, die mir sehr wichtig ist und die ich auch sehr gerne mache!“

Lotte Ingrisch und Linde Waber in Raabs an der Thaya 2002
Gunter Breckner
Mit Lotte Ingrisch (l.), die sie als „meine kleine Schwester“ bezeichnet, Raabs an der Thaya, 2002

Der Autor dieses Textes durfte im Vorjahr Linde Waber begleiten, als sie in einer Restaurantküche im Waldviertel den Koch beim Karpfenbraten und Mohnnudelnmachen zeichnete. Innerhalb von zwei Stunden entstanden mit dem Tuschepinsel 80 Bilder, jeweils etwa in der Größe einer Postkarte. Wie sie dieses Tempo schaffte? „Ich habe eine bestimmte schöpferische Energie zur Verfügung, wenn die nicht mehr vorhanden ist, muss ich aufhören. Die Zeit, in der ich diese Zeichnungen mache, ist eine hochkonzentrierte künstlerische Phase. Irgendwann ist jedoch die Energie weg, und ich bin danach sehr erschöpft.“ Kann man diese Schnelligkeit lernen? „Ich habe vor vielen Jahren Bodo Hells Ziegen auf dessen Alm gezeichnet. Nachdem die Tiere sehr flink und schnell waren, habe ich noch schneller als sie sein müssen. Da habe ich bemerkt, dass mir dieses ‚Mitzeichnen‘ eigentlich sehr liegt.“

„Zwettl, mein Haus und mein Garten? Mein Paradies!“

Und immer wieder spielt die Natur für die international erfolgreiche Künstlerin eine große Rolle. „Der Garten ist eine, ist die Welt. Ein ordentlich aufgeräumter Garten ist rasch durchschaut und überblickt. Verwächst der Garten, sieht man sein Ende nicht mehr, wird er groß, ja unendlich. Lindes Bilder zeichnen einen solchen Garten, ohne Zaun, ohne Ende, voller Sträucher, Blumen, Gräser, eine ganze Welt“, so Ernst Bruckmüller.

Was bedeutet der Künstlerin eigentlich ihre Geburts- und Heimatstadt Zwettl? Das Haus in der Bahnhofstraße ist für sie ein Ruhepol: „Wenn ich nicht aus und ein weiß, dann hab‘ ich mich immer nach Zwettl geflüchtet, auch wenn ich in meiner Kunst etwas verändern wollte, ist mir das immer in Zwettl eingefallen“, erzählte sie einmal. Es klingt wie eine Liebeserklärung an diese Stadt im Waldviertel: „Zwettl, Haus und Garten, das ist wie eine abgeschottete Insel. Es ist mein Paradies.“