Sujet Collect Cast NÖ
Landessammlungen Niederösterreich/Foto: Christoph Fuchs
Landessammlungen Niederösterreich/Foto: Christoph Fuchs
Kultur

Chancen für Museen, die in Quarantäne sind

Mehr als 370 Interessierte haben an dem internationalen Online-Symposium der Donau-Universität Krems „Museen in Quarantäne“ teilgenommen. Es wurde versucht, in Covid-19-Zeiten Herausforderungen und neue Chancen für Museen und Sammlungen herauszuarbeiten.

Elf Expertinnen und Experten stellten bei der ersten Video-Konferenz des Departments für Kunst- und Kulturwissenschaften ihre Untersuchungen zu virtuellen Museumsbesuchen und digitalen Vermittlungsangeboten vor und diskutierten darüber mit Kolleginnen und Kollegen sowie mit Studierenden. Aufgrund des großen internationalen Interesses wird das von Anja Grebe, Professorin für Kulturgeschichte und Museale Sammlungswissenschaften an der Donau-Universität Krems, initiierte Symposium am 18. Juni fortgesetzt.

Die Krise wurde für Innovationen genutzt

Die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie brachte große Einschnitte und Veränderungen für das kulturelle Leben. Museen, Archive und Bibliotheken waren seit Mitte März von den angeordneten Schließungen betroffen, Kulturvermittlungsprogramme und Ausstellungen mussten abgesagt und Projekte verschoben werden. „Selbst ohne akute Existenzbedrohung für einzelne Einrichtungen verändert die aktuelle Situation den Blick auf Museen und Sammlungen langfristig“, so Anja Grebe. Gleichzeitig sei festzustellen, dass Museen gerade während ihrer Nicht-Besuchbarkeit enormes kreatives Potenzial entfalten und „die Krise vielerorts als Chance genutzt wird, sich den Sammlungen und Objekten auf innovative Weise zu nähern“, sagte die Kulturwissenschafterin.

Beim Symposium wurde diskutiert, wie Ausstellungsbetriebe und Museen gerade in Zeiten, in denen keine physischen Besuche erlaubt sind, neue Besucherinnen und Besucher gewinnen können. Man wollte wissen, wie Museen auf die Coronavirus-Maßnahmen reagieren, welche Angebote und Projekte konkret entwickelt und wie sie technisch umgesetzt werden können und wie diese vom Publikum angenommen werden.

Egon Schiele, Wally, 1912
Landessammlungen Niederösterreich
Die Landessammlungen Niederösterreich haben in ihrer Online-Datenbank derzeit 30.000 digitalisierte Objekte aus den Beständen aller Sammlungsbereiche, so auch Egon Schieles „Wally“, entstanden 1912 (Ausschnitt)

Marion Maria Ruisinger, Direktorin des Deutschen Medizinhistorischen Museums Ingolstadt (Deutschland), berichtete, dass das Museum die Bevölkerung in einer Sammelaktion aufrief, Coronavirus-Schutzmasken einzuschicken und somit für die Nachwelt den Alltag in der Krise zu erhalten. Dass medizinische Objekte gerade in dieser Zeit besonderes Interesse wecken, zeigen die wesentlich stärkere Medienpräsenz und ein Anstieg der Besuchsfrequenz auf der Website sowie die „ermutigenden Rückmeldungen der NutzerInnen, die sich auf immer neue vorgestellte Objekte freuen“, so Ruisinger.

Videos liefern Kultur „frei Haus“

Sebastian Baden und Antonella B. Meloni von der Kunsthalle Mannheim (Deutschland) machten auf die Vorteile einer bereits bestehenden Online- und Medienstruktur aufmerksam, auf die bei einer Verlegung des physischen Museumsbetriebs ins Digitale rasch aufgebaut werden könne. So wurde in Mannheim die Studio-Ausstellung #ONTHEQUIET kurzfristig komplett ins Digitale verlegt und wird als Wanderausstellung auch an anderen Standorten präsentiert werden.

Mit „CollectCastNÖ“ entstand ein digitales Vermittlungsangebot in Form eines Video-Podcasts über den Youtube-Kanal „Kultur Niederösterreich FREI HAUS“. Hier werden mit Kurzvideos Einblicke in die Sammlungen gewährt, was die Sichtbarkeit erhöhe, wie die Initiatorin, Alexandra Schantl von den Landessammlungen Niederösterreich, die Motivation dieser Initiative beschreibt. Derartige Angebote reagieren nicht nur auf die Krise, sondern bieten längerfristige Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit den Objekten.

Onlinesymposium der Donau Universität Krems über Museen in Quarantäne
Martina Kalser-Gruber
Das nächste Online-Symposium über „Museen in Quarantäne“ der Donau-Universität Krems, das in Kooperation mit dem Masterlehrgang „Collection Studies and Management“ des Departments für Kunst- und Kulturwissenschaften durchgeführt wird, findet am 18. Juni 2020 statt

Wie man es schaffen kann, durch partizipative Vermittlungsprojekte lokale Museen zu unterstützen, zeigte Hanna Sauer von den Jungen Kulturfreunden Freiburg, einem Freundeskreis des Augustinermuseums, auf. Über Social-Media-Kanäle wird mit der Initiative #Lieblingsstück dazu angeregt, ein solches aus der Sammlung zu nominieren, womit auch museumsfernere Gruppen angesprochen werden sollen.

Die unterschiedliche digitale Präsentation von Objekten präsentierte Isabella Frick von der Donau-Universität Krems. Die Landessammlungen Niederösterreich bieten seit wenigen Wochen eine Online-Datenbank, die derzeit 30.000 digitalisierte Objekte aus den Beständen aller Sammlungsbereiche besuchbar macht. „Dass dieses Projekt so schnell realisiert werden konnte, liegt auch an den coronavirusbedingten Schließungen, denn so konnte das Projekt bereits im April vorgezogen werden“, so Frick.

Strategisch vorgehen und emotionale Themen vermitteln

Uta Birkemeyer und Florian Pauls vom AlliiertenMuseum Berlin (Deutschland) gaben mit Videos bereits vor der Coronavirus-Pandemie Einblick in die Sammlungen, doch jetzt erreichen sie wesentlich mehr Menschen mit ihrem Content. Sie betonten, wie wichtig es gerade jetzt sei, strategisch vorzugehen und inhaltlich relevante sowie emotional ansprechende Themen zu erschließen und zu vermitteln.

„Museen in Quarantäne – Neue Chancen für Sammlungen II“

Online-Symposium am 18. Juni 2020 (14.00 bis 17.00 Uhr). Anmeldung erforderlich (siehe unten), kostenlose Teilnahme.

Christoph Hatschek, Vizedirektor des Heeresgeschichtlichen Museums Wien, sagte, dass manche in der Museumsszene befürchten, dass Digitales den physischen Museumsbesuch „kannibalisieren“ könnte. Er gehe aber davon aus, dass die Aura des realen Objekts auch digital umsetzbar sein könne, sieht in der digitalen Welt aber keinen Feind.

Für einen nachhaltigen Erfolg – auch über die Zeit der aktuellen Einschränkungen hinaus – empfahl Matthias Henkel vom International Committee for Marketing and Public Relations des International Council of Museums neben einer umfassenden digitalen Strategie die aktive Einbindung der Besucherinnen und Besucher sowie eine konstante Kommunikation mit diesen zur Schaffung neuer Kontexte und Zugänge.