Unterkunft der Erntearbeiter in Mannsdorf/Donau
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Chronik

Erntehelfer-Quartier behördlich gesperrt

Nach den Berichten einer rumänischen Erntehelferin über Missstände in einem Marchfelder Spargelbetrieb ist ein Erntehelfer-Quartier am Freitag behördlich gesperrt worden. Die Arbeitskräfte seien zudem in ihre Heimat zurückgereist.

Von der Rumänin wurden am Mittwoch „unhaltbare Zustände“ aufgedeckt. Sie und ihre Landsleute, die seit Ende April als Erntearbeiter auf dem Spargelfeld gearbeitet hatten, hätten für vier Euro Stundenlohn 14 Stunden am Tag an sechs bis sieben Tagen die Woche schuften müssen und seien teils zu acht in einem schimmligen, desolaten Zimmer untergebracht gewesen.

Die Sezonieri-Kampagne für die Rechte der Erntehelferinnen und Erntehelfer in Österreich und die Produktionsgewerkschaft PRO-GE hatten am Mittwoch mitgeteilt, die Frau zu unterstützen. Laut einer Aussendung handle es sich dabei nicht um einen Einzelfall. Der betroffene Spargelbetrieb wies die Vorwürfe vehement zurück. Laut der Geschäftsführerin seien die Erntehelfer korrekt bezahlt worden. Wie es in den Quartieren aussah, wusste man nicht.

„Schwarzes Schaf unter Spargelbauern“

Der angeprangerte Betrieb sei „ein schwarzes Schaf unter den Spargelbauern“, befand hingegen Gänserndorfs Bezirksbauernkammerobmann Manfred Zörnpfenning laut dem Online-Bericht der „Niederösterreichischen Nachrichten“: „Die Helfer werden nicht wie Mitarbeiter, sondern wie Sklaven behandelt. So etwas darf man nicht tolerieren.“

Bereits am Donnerstag reagierte die Obst- und Gemüsebranche zu den Missständen. Man habe keinerlei Verständnis für Verstöße gegen Sozialstandards, betonten die beiden Obmänner. Aber es solle auch nicht aufgrund eines „individuellen Fehlverhaltens“ die ganze Branche verunglimpft werden – mehr dazu in Erntehelfer: Verband verteidigt die Branche (noe.ORF.at; 18.6.2020).

Forderung nach konkreten Quartierstandards

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den Spargelbetrieb im Marchfeld hatte die Landarbeiterkammer Niederösterreich am Mittwoch im Interview mit noe.ORF.at gefordert, dass die gesetzlichen Standards für Unterkünfte von Erntehelfern konkretisiert werden müssten. Präsident Andreas Freistetter nannte als Beispiel, dass etwa festgelegt werden sollte, für wie viele Personen eine Unterkunft geeignet ist.

Die Marchfelder Spargelbauern, die im Verein Genuss Region Marchfeld organisiert sind, wollen in ihren Statuten „explizit erwähnen, dass diese Standards einzuhalten sind“, sagte Obmann Werner Magoschitz. Bei Verstößen gegen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststandards wird mit einem Ausschluss aus dem Verein gedroht – mehr dazu in Diskussion über Erntehelfer-Unterkünfte (noe.ORF.at, 17.6.2020).