Teststäbchen von Coronavirus-Abstrich wird eingetütet
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Gesundheit

Virologin: „Flächentests enorm wichtig“

Mehr als 96.000 Niederösterreicher wurden bis dato auf das Coronavirus getestet. Mittlerweile werden viele Flächen-Screenings durchgeführt. Das sei wichtig und zielführend, sagt Virologin Monika Redlberger-Fritz im „NÖ heute“-Interview.

Fest steht: Nicht jeder und jede Erkrankte hat Symptome. Um herauszufinden, wie viele Menschen mit dem Coronavirus infiziert waren, ohne es zu wissen, werden derzeit verstärkt Flächentests durchgeführt. In der Wachau und in Reichenau an der Rax starteten am Wochenende außerdem groß angelegte Antikörperstudien – mehr dazu in Großer Andrang bei Antikörperstudien (noe.ORF.at; 20.6.2020). Als „wichtig und zielführend“ bezeichnet das Virologin Monika Redlberger-Fritz vom Zentrum für Virologie an der Medizinischen Universität Wien. Was man von derartigen Tests erwarten kann, berichtete sie im „NÖ heute“-Interview.

Monika Redlberger-Fritz, Virologin
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Virologin Monika Redlberger-Fritz im Gespräch mit „Nö heute“-Moderatorin Nadja Mader

noe.ORF.at: 76 Beherbergungsbetriebe nehmen derzeit in der Wachau an PCR-Tests in der Gastronomie teil. Nicht dabei sind aber Wirtshäuser, Heurige oder zum Beispiel Fahrradverleih-Betriebe. Sind diese Tests Ihrer Meinung nach ausreichend?

Monika Redlberger-Fritz: Diese Tests haben den Vorteil, dass man schlicht und einfach sieht, wenn es irgendwo sporadisch Fälle gibt, dass man diese erkennt und Infektionsketten frühzeitig verhindern kann. Aus großflächigen Antikörpertests kann man immer herauslesen, wie groß die Durchseuchung der Bevölkerung ist. Das bedeutet, man kann feststellen, wie viele Menschen bereits das Virus in einer bestimmten Region durchgemacht haben.

noe.ORF.at: In Reichenau an der Rax und Weißenkirchen hat man nun mit Antikörpertests begonnen. Welche Erkenntnisse kann die Wissenschaft durch diese Testreihen erlangen?

Redlberger-Fritz: Durch diese Tests sieht man, wie stark die Aktivität des Virus in dieser Region war. Besonders viel Sinn machen diese Tests, wenn man sie nach einem bestimmten Zeitraum noch einmal durchführt – um einen „Tag 0“ zu sehen, und dann, nach einem bestimmten Zeitraum, einen „Tag 1“. Damit kann man sehen, wie groß die Virusaktivität in dem Zeitraum dazwischen war.

noe.ORF.at: Derzeit ist ein leichter Anstieg der Infektionszahlen zu bemerken. Erwarten Sie eine weitere deutliche Steigerung, nachdem die Grenzen nun offen sind und die Reisezeit beginnt?

Redlberger-Fritz: Ein Anstieg ist möglich, ich kann es leider nicht vorhersagen. Ganz wichtig ist jedoch, dass man einen Anstieg frühzeitig erkennt, indem eben sehr viel getestet wird, damit man, sobald man sieht, dass ein Anstieg stattfindet, wieder Maßnahmen setzen und dagegen vorgehen kann.

noe.ORF.at: Derzeit sprechen wir von etwa 30 neuen Infektionen an einem Tag in Österreich. Das ist so viel wie Anfang März. Damals hat sich das Virus extrem schnell ausgebreitet, derzeit interessanterweise jedoch nicht, obwohl es regelmäßig weitere Lockerungen gibt. Wie ist das zu erklären?

Redlberger-Fritz: Die Dunkelziffer war im März wesentlich größer als heute. Die Bevölkerung weiß, dass immer noch das Social Distancing und die Maskenpflicht in bestimmten Regionen gelten. Diese Maßnahmen sind ja immer noch am Laufen und verhindern die weitere Infektionsausbreitung. Dementsprechend ist es auch weiterhin wichtig, zu testen, um frühzeitig Infektionen zu erkennen und die Infektionsketten zu unterbinden. Das ist im März nicht geschehen. Dieses Unterbinden der Infektionsketten hat damals nicht stattgefunden und dadurch ist man in diese exponentielle Wachstumsphase hinein gekommen.

noe.ORF.at: Wenn die Ansteckungszahlen wieder steigen, dann müsste man die Notbremse ziehen, sagt der Gesundheitsminister. Ab wann würde man denn von einer zweiten Welle sprechen und gehen Sie von einer aus?

Redlberger-Fritz: Ganz wichtig ist zu wissen, dass die Gefahr besteht, dass eine zweite Welle kommt. Dem muss man entgegenwirken, indem man viel testet und frühzeitig erkennt, wenn Infektionsketten stattfinden. Man muss sich die Dynamik, mit der die Erkrankungszahlen in die Höhe gehen, ganz genau anschauen – ob es ein ganz leichter Anstieg ist, der sukzessive vorangeht und bei dem wir nicht so schnell reagieren müssen, oder ob wir eine Situation haben, bei der die Zunahme der Erkrankungszahlen sehr massiv und rasch ist und vor allem in ganz Österreich verteilt. Dann muss man natürlich frühzeitig reagieren und dementsprechend härtere Maßnahmen ergreifen – sprich die Handbremse ziehen.