Kinderarzt Untersuchung
pixabay/Semevent
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Gesundheit

Kinderärzte dringend gesucht

In Niederösterreich gibt es ganze Regionen ohne einen einzigen Kinderarzt mit Kassenvertrag. Im Bezirk Lilienfeld ist die Situation besonders angespannt. Seit dem Vorjahr gibt es dort überhaupt keinen Kinderarzt mehr. Derzeit sind neun Kassenstellen ausgeschrieben.

Bei der zweijährigen Anna aus Rohrbach an der Gölsen (Bezirk Lilienfeld) steht eine Mutter-Kind-Pass-Untersuchung an. Statt vom Kinderarzt wird sie von Hausärztin Brigitte Groiss untersucht. „Wir fühlen uns hier sehr gut aufgehoben, aber wenn etwas Gröberes ist, müssen wir 45 Minuten bis nach Eichgraben oder ins Spital fahren, das ist doch sehr mühsam“, erzählt Mutter Julia Kerschner bei einem Besuch von noe.ORF.at.

Einen Kinderarzt in der Gegend zu haben, wünscht sich auch Hausärztin Groiss: „Es ist auch eine Sicherheit für uns, weil wir nicht alle Fragen und Probleme bewältigen, sonst bräuchte man ja das Fach nicht.“ „Kinderarzt ist Kinderarzt“, so sieht das auch Evelyn Flerin aus Wiesenfeld (Bezirk Lilienfeld): „Es gibt bei Kindern einfach ganz viele Themen, beim Schlaf oder bei der Ernährung, bei denen ich mir denke, das weiß unser Kinderarzt ganz genau.“

Praxen von Haus- oder Wahlärzten oft überfüllt

Im Bezirk Lilienfeld sind es mittlerweile viele Eltern gewohnt, ausweichen zu müssen: entweder zum Hausarzt oder zum Wahl- oder Kassenkinderarzt in den Nachbarbezirken. Dort sind die Praxen der behandelnden Ärzte – sofern sie überhaupt neue Patienten aufnehmen können – oft überfüllt. In Lilienfeld selbst ist die Kassenstelle seit Jänner 2017 unbesetzt, im Vorjahr ging dann auch der letzte Wahlarzt in Pension. Ein Nachfolger ist bisher nicht in Sicht.

Die ausgeschriebenen Kassenstellen sind für junge Ärzte nicht attraktiv, meint Dietmar Baumgartner, Vizepräsident der Ärztekammer Niederösterreich. Die Risiken der Selbständigkeit und die niedrigen Honorare seien abschreckend, sagt Baumgartner: „Zum Teil hat man 100, 120 Kinder pro Tag zu behandeln und das ist nicht unbedingt das, was die jungen Ärzte wollen, denn sie wollen mehr Zeit haben für die Patienten.“ Viele Jungmediziner würden deshalb eine Anstellung im Spital der Selbständigkeit vorziehen.

Mehr Freizeit für Kinderärzte

Laut der Österreichischen Gesundheitskasse liegt das Problem in der Ausbildung. In der Vergangenheit seien generell zu wenig Kinderärzte ausgebildet worden. Seit Jahren versuche man deshalb, Anreize für Jungmediziner zu schaffen, zuletzt wurden etwa die Honorare erhöht. Gruppenpraxen sollen Medizinern wiederum mehr Freizeit, eine bessere Work-Life-Balance und weniger unternehmerisches Risiko bringen.

Den Eltern im Bezirk Lilienfeld hilft das aktuell nur wenig. Sie sind oft besorgt, wenn es um ihren Nachwuchs geht – etwa Daniel Hickelsbeger aus St. Veit an der Gölsen: „Natürlich hat man Sorgen, weil wenn jetzt etwas ist, hat man in der Umgebung niemanden. Ich kann schon zum Hausarzt fahren, aber der schickt mich dann auch oft ins Spital, weil er für Kinder nicht ausgebildet wurde.“

Kassenstellen als Herausforderung

Nicht nur die Nachbesetzung von Kinderarztstellen, auch die von Hausärzten ist immer wieder schwierig. Von einer zunehmenden Herausforderung spricht etwa der Vorsitzende des Landesstellenausschusses der Österreichischen Gesundheitskasse, Norbert Fidler. Aktuell sind in Niederösterreich 27 Kassenarztstellen unbesetzt. In Groß-Siegharts (Bezirk Waidhofen an der Thaya) etwa gab es monatelang gar keinen Kassenarzt. Jetzt fand sich doch eine Nachfolgerin. Die Gemeinde stemmte dafür einen Großteil der Kosten – mehr dazu in Neue Kassenärztin nach monatelanger Suche (noe.ORF.at; 26.6.2020).