Sepp Gruber im Gespräch
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„Menschen im Blickpunkt“

Betriebsseelsorger aus Leidenschaft

Er bringt die Menschen zusammen, ganz gleich welchen kulturellen Hintergrund sie haben und welcher Religion sie angehören – Sepp Gruber ist in Niederösterreich Betriebsseelsorger aus Leidenschaft. Begonnen hat er seine Arbeit mit interkulturellen Festen.

Seit 1990 ist der gebürtige Mostviertler als Seelsorger der Diözese St. Pölten tätig. Der Anfang war allerdings wie ein Sprung ins kalte Wasser, erzählt Gruber. „Betriebsseelsorger Franz Sieder aus Amstetten hat mich damals angesprochen. Er hat mir gesagt, dass er unbedingt jemanden in St. Pölten braucht, der hier die Betriebsseelsorge aufbauen kann. Ich hatte damals allerdings keine Ahnung, wie das geht.“

Um das herauszufinden und die Arbeitswelten der Klienten kennenzulernen, ging der studierte Theologe zuerst einmal als Hilfsarbeiter in eine Fabrik. „Es gab dort diese Kluft innerhalb der Arbeitswelt, zwischen Arbeitern und Angestellten, unten und oben, aber auch zwischen Ausländern und Inländern. Das habe ich dort sehr stark wahrgenommen und auch erkannt, wo die sozialen Probleme sind.“

Wenn Gruber heute mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in einem Betrieb ins Gespräch kommt, dann geht es ihm vor allem darum, offen zu sein und zuzuhören. „Es sind oft finanzielle Probleme oder Probleme mit der Wohnung, die man sich nicht mehr leisten kann, aber auch mit der Arbeitsplatzsuche, vor allem bei Menschen, die nur die Chance haben, in Leiharbeit zu kommen“, erzählt der Betriebsseelsorger.

Fest der Begegnung
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Das „Fest der Begegnung“ ist mittlerweile ein Fixpunkt im St. Pöltner Veranstaltungskalender. Hier ein Archivbild aus dem Jahr 2010

Interkultureller Dialog soll weiter wachsen

Gruber suchte auch immer den Dialog zwischen den Kulturen. „Ich war immer offen, wenn jemand ein Anliegen hatte, und so ähnlich war es auch mit den ‚Multi-Kulti-Festen‘“. Begonnen hat die interkulturelle Arbeit schon vor 30 Jahren. „Da waren zunächst die ‚Multikulti Camps‘ Anfang der Neunziger Jahre. Bei einem Fest über Entwicklungspolitik am St. Pöltner Rathausplatz haben uns junge Kurden angesprochen und uns erzählt, dass sie auch in einem Ghetto leben. Sie haben uns gefragt, ob wir nicht einmal etwas gemeinsam machen können.“

Es folgten kleinere interkulturelle Feste in St. Pölten, bis Gruber schließlich 2004 am Rathausplatz das erste „Fest der Begegnung“ organisierte. „Es ist inzwischen schon so eine Institution, dass manche Migranten glauben, es sei ein Stadtfest.“

Sepp Gruber
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Sepp Gruber versucht seit 30 Jahren, den interkulturellen Dialog in St. Pölten zu fördern

Heute wünscht sich Sepp Gruber, dass der interkulturelle Dialog auch auf anderen Ebenen weiterlebt. „Mein größter Wunsch in St. Pölten ist, dass dieses große Fest, das wir einmal im Jahr machen, auch im Kleineren stattfindet. Dass es diese Feste und Gespräche auch in Wohnanlagen gibt, wo es viele Konflikte gibt.“ Ob das ‚Fest der Begegnung‘ heuer wie geplant am 12. September am St. Pöltner Rathausplatz stattfinden kann, steht wegen der aktuellen Beschränkungen aufgrund der Coronavirus-Pandemie noch nicht fest.