Szenen der Buchpräsentation in Atzenbrugg
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Über die Nach-CoV-Zeit: „Zukunft ist jetzt“

Wie wird es nach der Coronavirus-Krise in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren weitergehen? Ein neues und soeben präsentiertes Buch der Kultur.Region.Niederösterreich, an dem zahlreiche prominente Autorinnen und Autoren mitgewirkt haben, widmet sich diesem Thema.

„Krisen, Klimaschutz, Freiheitsrechte versus Kontrolle, Globalisierung, Pandemie – die Diskussion über die Zukunft des Planeten zwischen regionalen und globalen Herausforderungen ist entbrannt“, heißt es im Vorwort zu dem im Kral-Verlag erschienenen Buch „Zukunft ist jetzt. Persönlichkeiten denken quer“.

Der als Lesebuch bezeichnete Band biete dazu Grundlagen, Argumente und Gedanken. 30 bekannte Personen aus den Bereichen Kunst, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft machten sich während des Lockdowns Gedanken. Erwin Pröll, Landeshauptmann a.D. und Vorsitzender des Aufsichtsrates der Kultur.Region.Niederösterreich, war der Initiator: „Ein in ein Buch gefasster Meinungsaustausch, eine Sammlung interessanter Gedanken, eine Schatztruhe der Worte und Werte, die Querdenkerinnen und Querdenker in Zeiten wie diesen bewegen.“

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Das Buch „Zukunft ist jetzt“ wurde in Anwesenheit zahlreicher Autorinnen und Autoren in Atzenbrugg präsentiert

Das „Zusammenstehen und Zusammenhalten“ habe Niederösterreich in der Krise ausgezeichnet, sagte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bei der Buchpräsentation in Atzenbrugg (Bezirk Tulln), „und das wird auch in Zukunft von ganz großer Bedeutung sein.“ Dabei sei es „wichtig, nachzudenken, vorzudenken und Visionen zu entwickeln“, denn im Blick auf die Zukunft werde man „vieles neu denken“ müssen, und sie nannte etwa Bereiche wie Wirtschaft, Beschäftigung und Bildung.

Geschwindigkeit aus dem System nehmen

In der derzeitigen Situation gebe es viele Fragezeichen und Unsicherheiten, und daher sei es wichtig, „möglichst viele Gedanken niederzuschreiben und zu ordnen, um auf diese Art und Weise neue Ideen und neue Wege zu finden und sich neu zu positionieren“, sagte Pröll über die Zielsetzung dieser Publikation.

Das Buch sei ein „Kaleidoskop an Blickwinkeln und Überlegungen, die aus einer breiten Lebenserfahrung von bekannten Persönlichkeiten stammen. Der rote Faden dieser Vielfalt lautet: ‚Die Zukunft ist jetzt‘“, so Robert Ivancich, Chef des Kral-Verlags, und Martin Lammerhuber, Geschäftsführer der Kultur.Region.Niederösterreich.

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„Braucht es zum ‚Wir‘ immer zunächst die Distanzerfahrung?“ (Heinz Nußbaumer, Autor und Herausgeber der Wochenzeitung „Die Furche“, in seinem Beitrag in dem Buch „Zukunft ist jetzt. Persönlichkeiten denken quer“)

Einige Zitate aus den 30 Beiträgen sollen die große Bandbreite der Meinungen zeigen. „Selten wurde uns bisher so klar, wie wichtig bestimmte Formen des sozialen Zusammenlebens auch für viele Bereiche des Wirtschaftens sind“, schreibt Christoph Badelt, Leiter des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung. Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung: „Die Globalisierung des Wirtschaftens ist nicht an ihrem Endpunkt angelangt, sondern wird sich fortsetzen, wenngleich in einer anderen Akzentuierung als zuvor.“ Der Waldviertler Unternehmer Christoph Kastner versucht es auf den Punkt zu bringen: „Es ist an der Zeit, Geschwindigkeit aus dem System zu nehmen.“

Wird eine neue Wir-Kultur entstehen?

Der Zukunftsforscher Tristan Horx: „Es wird eine neue Wir-Kultur entstehen, in der wir es wirklich schätzen, gemeinsam unterschiedlich zu sein. Denn unsere Unterschiede machen uns stark, resilient und produktiv.“ Der Schauspieler Miguel Herz-Kestranek ist pessimistisch: „Alle entscheidenden Entwicklungen der Menschheit waren und sind immer so angelegt, dem Menschen eine nachhaltige Änderung seiner selbst zu ersparen.“ Kurz und prägnant darauf die Antwort von Maximilian Fürnsinn, der 40 Jahre lang Propst des Stifts Herzogenburg war: „Wer in Gott eintaucht, taucht bei den Menschen auf.“ Nachdenkliches auch im Beitrag der Doppel-Olympiasiegerin Petra Kronberger: „Vielleicht sollten wir in unseren Gesprächen wieder mehr über den Tod reden, der so selbstverständlich zum Leben gehört.“

Natürlich kommen in manchen der 30 Aufsätze in diesem Buch auch gesellschafts- und demokratiepolitische Überlegungen vor. „Corona wirft ein helles Licht auf die Schwächen der Gesellschaft, die vor der Krise im Dunkeln waren“, schreibt Ernst Gelegs, Leiter des Osteuropabüros des ORF. Ähnlich der Schriftsteller Thomas Sautner: „Womöglich wurde auch noch nie zuvor aus hehrer Absicht so viel angerichtet.“ Aber: „Zweifeln bedeutet Demokratie leben“, so Friedrich Riffer, Direktor des Psychosomatischen Zentrums Waldviertel. Und: „Krisen müssen dem Glück nicht im Weg stehen“, formuliert es der Psychotherapeut Arnold Mettnitzer positiv.

Rückbesinnung auf das Regionale

Wie denken Kulturschaffende über die Zeit nach der Coronavirus-Pandemie? Erwin Wurm: „Es ist den Menschen so viel egal, was ihnen eigentlich nicht egal sein sollte, dass es einen wundert. Aber das hat auch was Anarchisch-Anziehendes.“ „‚Fremd sein‘ ist nicht die Ausnahme der Regel, es ist die Regel selbst“, meint der Schauspieler und Regisseur Michael Schottenberg. Die Autorin Eva Rossmann: „Das Nahe ist wieder nah geworden, sichtbarer. Kein Idyll, sondern einfach beruhigend real.“

Regionale und globale Identitäten werden vermutlich nach der Pandemie neu geordnet werden. „Global und regional dürfen in Zukunft keine unvereinbaren Gegensätze sein, dann birgt diese Pandemie eine Chance für eine echte Wende“, so Markus Hengstschläger, Claudia Schwarz und Michael Hauer. Köchin und Politikerin Sarah Wiener: „Ich werde als einzelner Baustein der Natur nicht gesund bleiben, wenn der Boden, die Pflanzen, die Tiere krank sind und unser Klima außer Kontrolle gerät.“ Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museums, meint dazu: „Nach der ungehemmten Globalisierung kommt nun die Rückbesinnung auf die Regionalisierung.“