Lehrling im Hotel Schachner in Maria Taferl
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Wirtschaft

Trotz Krise: Lehrlinge im Tourismus gesucht

Wegen der wirtschaftlichen Folgen der CoV-Pandemie dürften einige Unternehmen Lehrstellen einsparen. Mit 30 Prozent weniger Lehranfängern wird im Herbst gerechnet. Am Bau und im Tourismus sind Lehrlinge aber nach wie vor gesucht.

Für Unternehmen, die Lehrlinge aufnehmen, ist die Situation in manchen Branchen besser als sonst. Sie können in den meisten Fällen aus mehreren Bewerberinnen und Bewerbern wählen. Im Hotel-Restaurant Schachner in Maria Taferl (Bezirk Melk) kommen auf eine Lehrstelle etwa drei Bewerber, in den vergangenen Jahren war man bereits über eine einzige Bewerbung froh. „Die letzten fünf Jahre mussten wir fast jede Bewerbung nehmen, obwohl wir da auch noch Glück hatten mit den Bewerbern. Aber jetzt darf man schon ein wenig wählen. Dadurch wird auch die Qualität besser“, so Hotelbetreiber Ferdinand Schachner.

Die Konkurrenz zwischen den Bewerberinnen und Bewerbern im Tourismus dürfte also größer sein als früher. In Maria Taferl waren ursprünglich fünf Lehrlinge gesucht worden, zwei davon fand man bereits. Trotz des wochenlangen Stillstands hatten Hotels und Gasthäuser in Niederösterreich im Juli 160 Lehrstellen ausgeschrieben. Die Lehranfänger im Tourismus gingen im Vergleich zum Juli 2019 aber trotzdem um etwa 15 Prozent zurück.

Rezeption Hotel Schachner in Maria Taferl
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Im Hotel-Restaurant Schachner werden derzeit zwölf Lehrlinge ausgebildet

Ende Juli 2020 waren beim AMS Niederösterreich 1.538 Lehrstellensuchende vorgemerkt, das waren um 165 mehr als im Juli 2019. Ihnen gegenüber standen 839 offene Lehrstellen, die sofort verfügbar waren. Diese Zahl stieg aber langsam an. Ende Mai waren noch 664 Lehrstellen ausgeschrieben.

Keine Lehrlinge auszubilden, das könne man sich angesichts des Fachkräftemangels gar nicht leisten, heißt es im Hotel Schachner. „Man muss Leute ausbilden, weil sonst braucht man sich nicht zu wundern, wenn man irgendwann keine Fachkräfte mehr hat“, so Schachner. Dass das Coronavirus bei der Thematik des Fachkräftemangels nichts geändert habe, findet auch Dieter Kotrnec, Geschäftsführer beim Fassadenspezialist Pasteiner in St. Pölten.

Weiter Tauziehen um Lehrlinge in der Bauwirtschaft

Vier bis fünf Spenglerlehrlinge möchte Kotrnec heuer noch aufnehmen. Denn Aufträge gebe es genug, aber zu wenige Fachkräfte, um sie umzusetzen. Die Folgen des Lockdowns würden sogar dazu führen, dass man mehr Lehrlinge einstelle als sonst, so Kotrnec: „Sämtliche Bereiche, die mit dem Eigenheim zu tun haben, mit dessen Verbesserung oder Gestaltung, haben gemerkt, dass es eine erhöhte Nachfrage gibt. Beim Schwimmbad, bei Möbeln, genauso ist es auch bei der Gebäudehülle, bei der Fassade, beim Dach.“ Mit den zusätzlichen Lehrlingen hoffe man, der Nachfrage gerecht zu werden.

Lehrling und Ausbildner bei der Firma Pasteiner in St. Pölten
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Beim Bauspengler gebe es zu wenig Bewerbungen, heißt es bei der Firma Pasteiner, beim bautechnischen Assistenten hingegen sei die Nachfrage groß

In der Bauwirtschaft sind junge Menschen nach wie vor heiß umworben. Laut AMS gibt es in Niederösterreich etwa bei den Spenglern 25 offene Stellen, aber nur zwei Lehrstellensuchende. Dass sämtliche Schnuppertage über Schulen wegen der Pandemie ausfielen, habe die Lehrlingssuche zusätzlich erschwert, so Dieter Kotrnec. Mit einer eigenen Social-Media-Kampagne und einem Schnuppertag möchte er noch Lehrlinge finden.

WKNÖ zuversichtlich, dass Firmen doch noch ausbilden

Während in manchen Bereichen weiter um Lehrlinge konkurriert wird, wird es im Herbst wahrscheinlich über alle Branchen hinweg um etwa 30 Prozent weniger Lehranfänger geben – mehr dazu in Umfrage: Im Herbst 800 Lehrstellen weniger (noe.ORF.at, 8.6.2020). Die Wirtschaftskammer Niederösterreich (WKNÖ) sei trotzdem zuversichtlich, dass manche Unternehmen doch noch Lehrstellen anbieten werden, so der Leiter der Abteilung Bildung, Stefan Gratzl.

ORF-NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler (r.) im Gespräch mit Stefan Gratzl, Lehrstellenleiter bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich
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Die Lehrlingssituation sei von Branche zu Branche und auch in jeder Region anders zu bewerten, so Stefan Gratzl in „NÖ heute“

„Wir werden sicher weniger Lehrstellen haben. Corona hat einige Unternehmen stark getroffen, die aufgrund der wirtschaftlichen Lage die Entscheidung treffen, keine Lehrlinge auszubilden und ein, zwei Jahre zu pausieren“, so Gratzl im „NÖ heute“-Interview mit ORF-NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler. Die Wirtschaft springe aber wieder an, so Gratzl, nur in jeder Branche unterschiedlich schnell. So sei der Tourismus etwa wirtschaftlich stark getroffen worden, aber Betriebe in bestimmten Regionen würden trotzdem unbedingt Lehrlinge brauchen.

Die Baubranche, die Maschinen- und Elektroindustrie seien ebenfalls Bereiche, in denen im Herbst weiterhin ein Mangel an Lehrlingen bestehen werde. Die Wirtschaftskammer habe in den vergangenen Wochen ihre Beratungen erhöht, um Unternehmen doch noch davon zu überzeugen, in die Lehrausbildung und somit in zukünftige Fachkräfte zu investieren.