Franz Viehböck 1991 bei seiner letzten Pressekonferrenz vor dem Start der Austromir
APA/Robert Jäger
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Wissenschaft

„Austronaut“ Franz Viehböck wird 60

Im Oktober 1991 ist Franz Viehböck als bisher einziger Österreicher ins All geflogen. Nach seinem Ausflug zur Raumstation Mir legte der „Austronaut“ eine steile Wirtschaftskarriere hin. Seit Juli ist er CEO der Berndorf AG. Am Montag feiert er seinen 60. Geburtstag.

Der gebürtige Wiener verbrachte seine Kindheit und Jugend im Süden der Bundeshauptstadt in Perchtoldsdorf (Bezirk Mödling) und Mödling. Nach der Matura und dem Elektrotechnik-Studium an der Technischen Universität Wien und einer Assistentenstelle ebenda war er ab 1988 in den Bann der Raumfahrt geraten. Einen Hang zur weiten Welt hatte er immer: Schon vor seiner Ausbildung am „Sternenstädtchen“ bei Moskau zum Kosmonauten hatte der mittlerweile vierfache Familienvater Englisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch gesprochen. Russisch kam im Zuge der „Austromir“-Vorbereitungen noch dazu.

Um den Platz in der Sojus-Rakete ritterten nach einer öffentlichen Ausschreibung 1988 mehr als 180 Österreicher. Nach Vortests begann dann im März 1989 für 28 Männer und drei Frauen das Training in Österreich. Schließlich fiel am 6. Oktober 1989 in Moskau die Entscheidung, dass der Techniker Viehböck und der 1963 geborene Arzt Clemens Lothaller die Kosmonauten-Ausbildung machen können.

2. Oktober 1991: „Keine Angst“

Im Sommer 1991 galt dann Viehböck als Favorit, Lothaller fungierte als wahrscheinlicher Ersatzmann. Endgültig fixiert wurde die Entscheidung für den damals 30-Jährigen dann schließlich am 30. September. Er habe „keine Angst“, gab Viehböck kurz vor dem Start zu Protokoll (Bild oben). Am 2. Oktober 1991 um 6.59 Uhr MEZ hob die Sojus-TM-13-Rakete mit ihm an Bord vom russischen Weltraumbahnhof in Baikonur in Kasachstan ab. Mit Viehböck flogen als Kommandant der Russe Alexander Wolkow und als dritter Mann der Kasache Tachtar Aubakirow ins All. Achteinhalb Stunden nach dem Abheben brachte Viehböcks Frau Versna im Krankenhaus Wiener Neustadt ein gesundes Mädchen – Carina Marie – zur Welt.

Franz Viehböck kurz nach der Landung am 10. Oktober 1991
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Franz Viehböck (r., links der österreichische Raumfahrtmediziner Joachim Huber) nach der Landung am 10. Oktober 1991 in der Steppe von Kasachstan

Das Andockmanöver an die Raumstation Mir erfolgte am 4. Oktober. Viehböck führte in den folgenden Tagen 15 wissenschaftliche Experimente aus Österreich durch, um am 10. Oktober um 5.12 Uhr MEZ an Bord einer Sojus-Landekapsel in Kasachstan zu landen. Das harte Training habe sich spätestens zu diesem Zeitpunkt ausgezahlt, denn die harte Landung habe ihm vieles abverlangt, erklärte Viehböck einmal.

Spätestens nach seiner Rückkehr nach Österreich sollte ihn auch seine Popularität nachhaltig beschäftigen: „Es bedeutete für mich schon einen Lernprozess, damit umzugehen, dass man plötzlich im Mittelpunkt der Öffentlichkeit steht und einen jeder kennt“, sagte Viehböck im Vorfeld seines 60. Geburtstages zur APA. Die Bekanntheit brachte ihm u.a. Werbeverträge und zahlreiche Autogrammwünsche ein.

Auf den Flug folgte eine zweijährige Informations- und Vortragstätigkeit über die Forschungstätigkeit im All im Auftrag der österreichischen Bundesregierung. Schließlich wechselte er in die USA ins Management des US-Raumfahrtkonzerns Rockwell, der dann von der Firma Boeing aufgekauft wurde. 1999 kam er als Europa-Bereichsleiter des Weltraum- und Kommunikationstechnikbereichs von Boeing mit Sitz Wien zurück in die Heimat. Bis dahin hatte sich auch der Rummel um seine Person auf ein „absolut erträgliches“ Niveau reduziert, so Viehböck. Um die Jahrtausendwende fungierte er auch als Technologiebeauftragter des Bundeslandes Niederösterreich.

Heute: Chef eines 2.300-Mitarbeiter-Unternehmens

Im Jahr 2002 wurde Viehböck Geschäftsführer von „Berndorf Band“. Ab 2008 war er als „Chief Technology Officer“ für Technik und Personalentwicklung zuständig und fungierte seitdem auch als Mitglied des Vorstands der Berndorf AG mit Sitz in Berndorf (Bezirk Baden). Nach 18 Jahren in der Unternehmensgruppe übernahm der einstige Kosmonaut im Juli dieses Jahres als CEO die Führung. Im Zweier-Vorstand mit CFO Dietmar Müller leitet Viehböck nun die Firmengruppe mit 2.300 Mitarbeitern.

Franz Viehböck im Jahr 2012
APA/Robert Jäger
Franz Viehböck während eines APA-Interviews in Berndorf, 2012

Trotz seiner Verankerung im Wirtschaftsleben ist Viehböck weiter mit der Raumfahrtszene in Verbindung. So war er etwa 2016 Gastgeber des 29. Planetary Congress des internationalen Verbandes der Raumfahrer (Association of Space Explorers) in Wien. Privat ist Viehböck gerne auf Reisen, musiziert oder betätigt sich mit Skitouren, Kitesurfen, Wasserskifahren, Schwimmen und Tennis vielfältig sportlich. Seinen 60. Geburtstag wird Viehböck im engsten Familienkreis begehen.

„Wir haben damals Pionierarbeit geleistet“

APA: Wie würden Sie den Franz Viehböck, der sich damals gegen zahlreiche „Austromir“-Mitbewerber durchgesetzt hat, mit dem 60-jährigen Menschen vergleichen? Gibt es signifikante Unterschiede?

Franz Viehböck: Damals war ich Ende 20, hatte noch keine Kinder und war auch nicht verheiratet. Dementsprechend war ich auch viel mehr bereit für diverseste Abenteuer. Aufgrund der Erfahrung der vielen Lebensjahre macht man gewisse Dinge, die man in jungen Jahren locker macht, vielleicht nicht mehr, weil man weiß: Das zahlt sich nicht unbedingt aus. Auch wenn ich mich sehr gesund und fit fühle, macht auch vor mir die Biologie nicht halt (lacht). Dass man älter wird, lässt einen der Körper schon spüren. Sonst glaube ich nicht, dass ich gravierend anders bin – außer an Erfahrung enorm reicher.

APA: Ihre Vergangenheit als „Austronaut“ hatte sicher viele positive Effekte auf ihre Entwicklung. Gab es auch Episoden, in denen sie sich durch ihre Bekanntheit gehemmt gefühlt haben?

Viehböck: Ja, das hat es vor allem unmittelbar nach dem Flug öfters gegeben. Es bedeutete für mich schon einen Lernprozess, damit umzugehen, dass man plötzlich im Mittelpunkt der Öffentlichkeit steht und einen jeder kennt. Das ist zwar sicherlich auch schön und geil, aber man vergisst, dass man dann immer bekannt ist und nicht dann, wenn man es gerade gerne hat. Man lernt aber damit umzugehen.

APA: Sie sind auch im Raumfahrtbereich noch gut vernetzt. 2020 bietet da einige Höhepunkte – Stichwort: SpaceX und mehrere Mars-Missionen. Wie schätzen Sie die aktuellen Entwicklungen ein?

Viehböck: Generell finde ich es schön und gut, dass hier eine sehr vielfältige Aktivität in Richtung Weltraum stattfindet. Das gilt nicht nur für die USA, denn auch andere Nationen machen da einiges. Ich denke, das sind positive Themen, mit denen sich die Menschheit da befasst und das finde ich gut.

Franz Viehböck in der Wiener Urania im Jahr 2009
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Franz Viehböck bei einer Veranstaltung anlässlich des 40. Jahrestages der Mondlandung in der Wiener Urania, 2009

APA: Der Klimawandel und Corona machen uns nun allerdings unsere zutiefst irdischen Probleme noch bewusster. Wie lassen sich Investitionen in die Raumfahrt besonders in diesen Zeiten argumentieren?

Viehböck: Gerade in solchen Situationen sieht man erst, wie wichtig der Weltraum ist. Die Umweltschäden sieht man natürlich auf der Erde auch, aber durch Satelliten können Messungen vorgenommen und genaue Vergleiche mit den Jahren davor gezogen werden. Das ist eine extreme Unterstützung für Umweltaktivitäten. Auf der anderen Seite sind in Zeiten von Corona Video- und Telefonkonferenzen mehr oder weniger das einzige Kommunikationsmittel gewesen. Ohne Weltraum und Satelliten wäre das so nicht machbar.

APA: Könnten sich in Zukunft die private Raumfahrt und Weltraumtouristiker völlig von NASA, ESA und Co lösen?

Viehböck: Ich glaube sogar, dass das nur erfolgreich sein kann, wenn es von NASA und ESA emanzipiert ist. Das sind ja staatliche Organisationen, die für Forschung und Entwicklung da sind und nicht etwa für Tourismus. Ich finde aber auch hier die Initiativen gut. Schon zu Zeiten von Apollo waren es private Firmen, die die Raketen und Raumkapseln im Auftrag der NASA gebaut haben. Jetzt sind die Firmen vielleicht ein bisschen eigenständiger, werden aber auch von der NASA finanziert. So etwas ist immer gut, weil NASA und ESA über Jahre gewachsene Strukturen und große Organisationen sind. Es ist da inhärent, dass solche Strukturen sehr bürokratisch und schwerfällig werden. Deshalb beleben solche privaten Initiativen das ganze Geschehen.

APA: Wie sehen Sie die Entwicklung Österreichs im Raumfahrtsektor?

Viehböck: Wir tun etwas. Aber ich habe das Gefühl, dass vor etwa fünf Jahren mehr Dynamik da war. Irgendwie scheint das alles auf ein Nebengleis gekommen zu sein.

APA: Was könnten die Gründe dafür sein?

Viehböck: Da muss ich ehrlich sagen, dass ich dazu zu weit weg bin. Wir können aber sicher mehr machen.

APA: Der 2018 verstorbene Austromir-Leiter Willibald Riedler hat immer einer Wiederholung der Mission nachgetrauert. Ist das bei Ihnen auch so?

Viehböck: Ja, sicher! Auch wenn es vielleicht überheblich klingt, aber wir Österreicher haben damals in vielerlei Hinsicht Pionierarbeit geleistet. Speziell was die Zusammenarbeit mit den Sowjets betrifft, wie wir dort gelebt und trainiert haben. Wir waren hier durchaus Wegbereiter für andere Nationen wie Deutschland, Frankreich, die ESA oder auch die Amerikaner. Wir haben das zwar im Projekt Austromir gemacht, dann aber wenig bis kein Kapital daraus geschlagen. Wir hätten da noch viel mehr erreichen können. Das ist nicht passiert – dem braucht man auch nicht nachtrauern, weil wir selbst schuld daran sind.

Das Gespräch mit Franz Viehböck führte Nikolaus Täuber, APA