Susanne Rabady im Gespräch mit Eva Steinkellner
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„Ganz persönlich“

CoV-Maßnahmen „watscheneinfach“

Es ist eigentlich „watscheneinfach“, sagt Allgemeinmedizinerin Susanne Rabady über die Coronavirus-Maßnahmen. Die Waldviertler Ärztin ist im Expertenstab des Ministeriums. Im Interview spricht sie über ihre Arbeit, Maskenpflicht und Ärztemangel.

noe.ORF.at: Die Infektionszahlen steigen zum Teil wieder deutlich an. Sollten wir uns wieder fürchten?

Susanne Rabady: Das glaube ich nicht. Wir sollten uns aber vorsehen. Die steigenden Zahlen entstehen überwiegend aus Clustern, die wir kennen und gut eingrenzen können. Damit können wir sie gut isolieren. Es ist nun mal Reisezeit und da werden immer wieder Cluster auftreten. Aber ich denke, dass wir mit unserer Strategie gut durchkommen.

noe.ORF.at: Erleben wir gerade die zweite Welle?

Rabady: (überlegt) Ich glaube nicht, denn das würde bedeuten, dass die Infektionen diffus verteilt auftreten und das ist nicht der Fall. Wir müssen uns nur fürchten, wenn wir es nicht mehr unter Kontrolle haben. Das ist ja derzeit nicht der Fall. Aber es kann schnell kippen.

noe.ORF.at: Kaum eine Coronavirus-Maßnahme ist so umstritten wie das Tragen der Maske. Viele empfinden sie als Plage und als Bevormundung. Sie sind ein ausgesprochener Maskenfan. Wie wichtig ist die Maske?

Rabady: Ich verstehe ja das Problem nicht. Ich finde die Maske auch nervig. Dabei muss ich sie in meiner Ordination den ganzen Tag tragen. Die Maske ist ein super einfaches Mittel, sich und andere zu schützen. Die Maske hat nur einen Haken: Sie funktioniert nur, wenn sie alle tragen. Deshalb ist es so notwendig, auch jenen, die das nicht so gern verstehen möchten, klar zu machen, dass wir in einer Gemeinschaft leben. Seuchen sind ja dadurch gekennzeichnet, dass sie Krankheiten einer Gemeinschaft sind. Da muss man eben zusammenstehen.

noe.ORF.at: Viele verstehen nicht, dass die Maskenpflicht zwar aktuell für Supermärkte, Postämter und Banken gilt, aber zum Beispiel nicht für den Baumarkt. Dort ist ja ähnlich viel los, wie im Supermarkt.

Rabady: Ich denke, das liegt daran, dass man in den Supermarkt gehen MUSS, aber nicht in den Baumarkt. Ich trage sie auch dort. Ich weiß, dass das schwierig ist. Der Gruppendruck ist groß. Ich weiß von vielen Patienten, die mir erzählen, sie würden die Maske aufsetzen, aber sie kämen sich so blöd vor. Wie gesagt, das Gefühl kenne ich auch. Daher: Je mehr es tun, desto leichter fällt es auch den anderen.

noe.ORF.at: Sie beraten auch das Gesundheitsministerium in Coronavirus-Fragen. Wie kann man sich ihre Arbeit in diesem Expertenstab vorstellen?

Rabady: Wir sind eine Gruppe von Experten, die dort versammelt sind. Ich bin zuständig für den Bereich der Primärversorgung. Wir tauschen dort unser Wissen aus. Es sammeln sich ja wirklich viele, viele Kenntnisse und Erfahrungen an. Man lernt auch sehr viel voneinander, dadurch dass so viel Spezialwissen zusammengetragen wird. Ich denke, das ist ein geniales Instrument, denn es kann nicht jeder alle Studien lesen und der Minister schon gar nicht. Wir halten regelmäßig Videokonferenzen ab, aber es wird auch viele zwischendurch per E-Mail kommuniziert.

noe.ORF.at: Was ist aktuell die größte Herausforderung für Ihre Arbeit im Expertenbeirat im Ministerium?

Rabady: Naja, im Grunde ist die größte Herausforderung, die Leute bei der Stange zu halten. Gerade jetzt, wenn immer jüngere krank werden und die Spitalsbetten nicht mehr füllen, muss man das Bewusstsein aufrecht halten, dass wir eine Seuche haben. Eigentlich ist es ja watscheneinfach: Abstand halten, Maske tragen, Massen meiden und im Idealfall auch noch die Corona-App. Die ersten drei Punkte sind leicht umzusetzen und unglaublich hilfreich. Wenn wir das wirklich alle tun, dann ist es einfach. Aber es gibt natürlich komplexe Fragen, wie die Reisetätigkeit und wie man sie am besten im Griff behält, wie man mögliche Infizierte sinnvoll rausfiltert, ohne ein Chaos zu veranstalten, das ist eine sehr komplexe logistische Frage.

noe.ORF.at: Immer öfter erkranken junge Menschen. Sie haben oft milde Verläufe. Viele fragen sich, etwas pointiert formuliert, wo das Problem ist, wenn junge Menschen krank werden, die milde Verläufe haben.

Rabady: Das Problem ist nicht die Krankheit, das Problem ist die Seuche. Wenn sehr viele gleichzeitig krank werden, dann brauchen wir keinen Lockdown, um die Wirtschaft in Schwierigkeiten zu bringen. Außerdem sollte man sich bei den sogenannten milden Verläufen keine Illusionen machen: Diese Menschen sind ernsthaft krank, das geht bis zu einer schweren Lungenentzündung, die gerade nicht, weil der Patient eben jung ist, im Krankenhaus behandelt wird. Das heißt noch lange nicht, dass es denen gut geht. Wir wissen inzwischen von gravierenden Folgeschäden. Wie gesagt, wir müssen uns nicht fürchten, aber wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen.

Allgemeinmedizinerin Susanne Rabady
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Susanne Rabady ist Ärztin im Waldviertel, Vizepräsidentin der Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Mitglied des Expertenstabs im Gesundheitsministerium

noe.ORF.at: Sie sind seit 27 Jahren Hausärztin in Windigsteig im Waldviertel (Bezirk Waidhofen an der Thaya). Das ein Job, der nicht mehr wahnsinnig beliebt ist. Stichwort: Ärztemangel, vor allem am Land. Warum?

Rabady: Ich denke eines der Probleme ist, dass man so wenig weiß über den Beruf. Es ist ein geliebter Beruf, nämlich von denen, die ihn ausüben. Den jungen Kollegen muss man diese Erfahrung noch vermitteln.

noe.ORF.at: Was kann man gegen den Ärztemangel machen?

Rabady: Ich glaube nicht, dass es da EINE Einzelmaßnahme gibt. Zunächst müssen die jungen Kollegen möglichst früh die Allgemeinmedizin kennenlernen, um zu verstehen, was das ist. Denn das ist nicht ein bisschen was von allem, sondern das ist der Personal Doctor, der am Menschen dran ist und das Gesamtbild hat. Das ist die eine Geschichte. Dann geht es weiter mit der Ausbildung im Krankenhaus. Wir hören immer wieder, dass sich die Abteilungen in den Spitälern nicht so um die werdenden Allgemeinmediziner kümmern wie um die eigenen Assistenzärzte. Es geht also auch um eine Aufwertung dieser Turnusärzte im Spital. Und dann geht es natürlich auch um die Arbeitsbedingungen. Es ist ja nicht so, dass man als Hausarzt bzw. Hausärztin das Gefühl hat, dass die Kassen uns unterstützen. Sie müssen uns das Berufsleben leichter machen, und nicht schwerer.

noe.ORF.at: Sie haben sich ja über Umwege für die Medizin entschieden…

Rabady: (lacht) Ja, ich habe aus Neugier zuerst Germanistik studiert und Theaterwissenschaften und dann auch noch Slawistik. Und erst dann habe ich auf meine Liebe Medizin umgeschwenkt. Es fasziniert mich noch immer, wie der Mensch funktioniert, körperlich und seelisch.

noe.ORF.at: Was war denn Ihrer Meinung nach der größte Irrtum bisher in dieser Krise?

Rabady: Dass es uns nicht erwischt. Wir sind alle aufgewachsen in einer Welt, die sicher ist. Die schlimmen Dinge passieren schon auf der Welt, aber nicht mir und meinesgleichen, sondern weit weg. Ich konnte mir das ja auch nicht vorstellen, dann war’s aber doch da. Und dann kam die Lombardei und damit die Riesenangst. Ich glaube, dass diese Angst gut war, denn wenn man in dieser Situation nicht erkennt, dass wir doch nicht so sicher sind, dann schafft man diese gewaltige Umstellung, die ja dann gekommen ist, nicht. Angst ist ein heilsames Gefühl. Mein kleiner Enkelsohn (Anm. zwei Jahre alt) hat zum Glück Angst, wenn er die Stiege runterschaut. Dann bleibt er stehen und streckt die Hand aus. Stehen bleiben und Hand ausstrecken, das ist der entscheidende Punkt.

noe.ORF.at: Seit Monaten begleitet uns der Babyelefant. Wissen Sie wer den erfunden hat?

Rabady: (lacht) Nein, ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, dass es in vielen Ländern Tiersymbole gibt. Ich habe gehört, in Australien ist es das Babykangaroo. Ich glaube, man hat ja ein ganz gutes Gefühl für den Abstand, den man jetzt einhalten muss. Viele halten sich an diese Entfernung und die meisten reden auch laut genug, um sie auch noch immer verstehen zu können.