Ernst Krenek
Ernst Barisch
Ernst Barisch
Kultur

Vor 120 Jahren geboren: Ernst Krenek

Am Sonntag jährt sich zum 120. Mal der Geburtstag von Ernst Krenek. Der 1991 Verstorbene zählt zu den bedeutendsten österreichischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. An der Donau-Universität Krems bewahrt man sein Werk und künstlerisches Erbe.

Am 23. August 1900 als Sohn eines Offiziers tschechischer Abstammung in Wien geboren und in einem der altösterreichischen Tradition verbundenen Elternhaus aufgewachsen, nahm Ernst Krenek schon als 16-Jähriger bei Franz Schreker in Wien Kompositionsunterricht und folgte dem verehrten Lehrer an die Musikakademie nach Berlin. Bald löste er sich vom Einfluss der Spätromantik, des Impressionismus und der Esoterik Schrekers und wandte sich der neuen Musik zu, dem Expressionismus.

Shootingstar bereits mit 27 Jahren

Innerhalb kürzester Zeit galt er als „zorniger junger Mann“. 1922 wurde an der Berliner Staatsoper unter Erich Kleiber Kreneks szenische Kantate „Die Zwingburg“ (Text von Franz Werfel) uraufgeführt. 1923 vertonte er „Orpheus und Eurydike“ in der Nachdichtung von Oskar Kokoschka. Im Jahr darauf heiratete der Komponist Anna Mahler, die Tochter von Alma und Gustav Mahler.

Unter dem Eindruck der Groupe des Six wuchs Kreneks Interesse für „Gebrauchsmusik“, das in der 1927 in Leipzig uraufgeführten Jazzoper „Jonny spielt auf“ gipfelte – ein Welterfolg, der hundertfach über die Opernbühnen zog.

Ernst Krenek 1927
Ernst Krenek Institut
Ernst Krenek im Jahr 1927: Die Zukunftshoffnung der Neuen Musik schrieb in den Jahren 1921 bis 1924 etwa 30 Werke: drei Opern, drei Symphonien, vier Streichquartette, Orchester-, Kammermusik- und Chorwerke, einige Lider und kleinere Werke für Klavier

Internationaler Durchbruch mit „Johnny spielt auf“

Der Sensationserfolg von „Jonny spielt auf“ brachte dem Komponisten finanzielle Unabhängigkeit. 1928 heiratete Krenek die Schauspielerin Berta Haas und ließ sich in Wien nieder, wo der regelmäßige Besucher der Lesungen von Karl Kraus Anschluss an Anton Webern und Alban Berg fand, deren Zwölftonmusik er 1926 noch kritisiert hatte.

Sein erstes großes in dieser Technik geschriebenes Werk, die vom Wiener Staatsoperndirektor Clemens Krauss in Auftrag gegebene Oper „Karl V.“, wurde 1934 kurz vor der Premiere auf „höhere Weisung“ abgesetzt. Mit Adolf Hitlers Machtergreifung in Deutschland waren Kreneks Werke schon 1933 auf der Verbotsliste gelandet. „Karl V.“, 1938 am Deutschen Opernhaus in Prag uraufgeführt, sollte erst 1984 in einer 1954 entstandenen Neufassung in Wien zur Premiere kommen, in einer Inszenierung allerdings, die dem Komponisten wenig Freude bereitete.

1938 emigrierte Krenek in die USA, wo er am Vassar College in Poughkeepsie bei New York Musiktheorie unterrichtete und Forschungen im Bereich der mittelalterlichen Polyphonie aufnahm. 1945 wurde er amerikanischer Staatsbürger. Zwei Jahre später verlegte er seinen Wohnsitz nach Kalifornien, wo er als Gastdozent an verschiedenen Universitäten lehrte. 1950 heiratete Krenek seine dritte Frau, die Komponistin Gladys Nordenstrom (1924-2016), und nahm mit ausgedehnten Konzert- und Vortragsreisen die Verbindung mit Europa und mit seiner Vaterstadt wieder auf.

Ernst Krenek Ortlergruppe 1970
Ernst Krenek Institut
Ernst Krenek blickt auf die Ortlergruppe (1970). Berühmt wurde der Komponist schon sehr früh nicht nur durch seine Opern, sondern auch mit dem 1929 veröffentlichten Liederzyklus „Reisebuch aus den österreichischen Alpen“

Ernst Krenek war immer ein Suchender

„Ich nehme meine Kunstmittel, wo ich sie brauche“, hatte Ernst Krenek einmal bekannt. Er nutze alle möglichen musikalischen Mittel, um „tönende Ordnungen zu schaffen“. Etwa 250 musikalische Werke, darunter 20 Opern, dazu zahlreiche gewichtige literarische Texte, weiters Dramen, Libretti, Liedtexte, die gigantische Tagebuchdokumentation und über 80 Zeichnungen und Aquarelle zeigen den lebenslang suchenden Künstler.

Im Bereich der seriellen Musik legte Krenek mit „Sestina“ eines der radikalsten Beispiele für total prädeterminierte Musik vor. Im Pfingstoratorium „Spiritus intelligentiae, sanctus“ (1956) nutzte er die Möglichkeiten elektronischer Musik. In seinem nach eigenem Bekunden autobiografischen Liederzyklus „Spätlese“ betonte er, dass für ihn die Dichtung integraler Bestandteil der Komposition ist.

Musiker, Denker, Literat und Pädagoge

Auch als Schriftsteller, Essayist, Librettist oder pointierter Feuilletonist, als Theoretiker und Musikhistoriker leistete Ernst Krenek bedeutende Beiträge. Über seine amerikanischen Erfahrungen berichtete er in dem Band „Musik im goldenen Westen“ (1949). Weitere Veröffentlichungen waren u.a. der Essayband „Zur Sprache gebracht“ (1958) sowie „Komponist und Hörer“ (1960). Mit Alban Berg und Willi Reich gründete Krenek die Musikzeitschrift „23“. Alle großen Libretti, Liedtexte und Erzählungen vereinigte der 1965 erschienene Sammelband „Prosa, Dramen, Verse“. Bis 1952 schrieb Krenek an seinen „Memoirs“, die 1998 unter dem Titel „Im Atem der Zeit. Erinnerungen an die Moderne“ in deutscher Sprache erschienen.

Krenek wurden zahlreiche Ehrungen in Europa und Amerika zuteil, so hatte er zum Beispiel Ehrendoktorate von fünf US-Universitäten und war Ehrenbürger von New Orleans. Österreich würdigte ihn u.a. mit dem Großen Österreichischen Staatspreis (1963) und dem Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst (1975). Seit 1980 war Krenek Ehrenbürger der Bundeshauptstadt. 1985 stiftete die Stadt Wien anlässlich des 85. Geburtstags des Komponisten den mit 100.000 Schilling dotierten Ernst-Krenek-Preis, der alle zwei Jahre vergeben wird. Bisherige Preisträger waren u.a. Rene Staar, Dieter Kaufmann, Olga Neuwirth, Gerd Kühr, Johanna Doderer, Pia Palme und Thomas Larcher.

Ernst Krenek Palm Springs 1981
Ernst Krenek Institut
Ernst Krenek in Palm Springs (USA) im Jahr 1981: Der neugierige und scharfsinnige Weltbürger war einer der wichtigsten und bedeutendsten deutschsprachigen Komponisten des 20. Jahrhunderts

Krenek starb am 22. Dezember 1991 im Alter von 91 Jahren in Palm Springs. Entsprechend seinem Wunsch wurde sein Leichnam nach Wien überführt und in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt. Viele seiner Manuskripte hatte Krenek schon zu Lebzeiten der Wiener Stadt- und Landesbibliothek geschenkt. Einen Großteil des Nachlasses überließ Kreneks Witwe Gladys der Ernst Krenek Institut Privatstiftung, die seit 2004 ihren Sitz an der Donau-Universität Krems hat.

Das Ernst Krenek Institut: Archiv und Dialogplattform

Ernst Krenek war nicht nur Komponist, überaus vielseitiger Künstler, umfassend gebildeter Humanist und Visionär, sondern auch Librettist seiner eigenen Opern, Musikschriftsteller und Essayist. „Das Ernst Krenek Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht, sein Werk und sein künstlerisches Erbe zu bewahren und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, kann man auf der Website des Instituts lesen.

Das Institut sichtet, erforscht, betreut und bewahrt Kreneks umfangreichen Nachlass und „fungiert als Anlaufstelle für Wissenschaft, VeranstalterInnen, MusikerInnen, KomponistInnen, SchriftstellerInnen und die interessierte Öffentlichkeit, sowie als Leihgeber für Krenek-Exponate.“

Das Archiv umfasst einen Großteil von Ernst Kreneks Nachlass und bietet Einblicke in das Leben und Schaffen des Komponisten. Zu den Beständen zählen nicht nur etwa 25.000 Seiten Musikautographe, literarische und musiktheoretische Schriften, sondern auch mehr als 40.000 Briefe von prominenten Korrespondenzpartnern wie Theodor W. Adorno, Oskar Kokoschka, Igor Strawinsky bis hin zu Ronald Reagan und Helmut Zilk. Es gibt außerdem eine umfangreiche Dokumentation des Schrifttums zu Ernst Krenek sowie der Aufnahmen seiner Werke und ein Aufführungs- und Pressearchiv.

Das zugehörige Ernst Krenek Forum am Minoritenplatz in Krems bietet mit seinen Veranstaltungen und Ausstellungen eine Dialogplattform für eine offene, interdisziplinäre und multimediale Begegnung mit dem vielschichtigen und umfangreichen künstlerischen Erbe von Ernst Krenek.