Soziales

„Sozialhilfe neu“: VfGH entscheidet

Mit Anfang des Jahres hat in Niederösterreich die „Sozialhilfe neu“ die Mindestsicherung abgelöst. Bei der evangelischen Diakonie haben sich mehr als 70 Menschen gemeldet, die dadurch kein Geld mehr bekommen. Ein Fall liegt nun beim Verfassungsgerichtshof.

Betroffen sind ehemalige Flüchtlinge, die seit Jahren in Österreich leben und Humanitäres Bleiberecht haben, wie etwa Tanjelam Urguchiev und seine Frau Tanzila Leijmoeva. Sie sind vor 15 Jahren aus der russischen Republik Inguschetien nach Österreich geflüchtet. Ihr dreizehnjähriger Sohn Mohamad ist im Waldviertel geboren, geht dort ins Gymnasium und hat große Pläne: „Vielleicht werde ich Fußballer, ich gehe ja ins Lateinische, vielleicht werde ich auch einmal Arzt.“

Nach jahrelangem Asylverfahren hat die Familie Humanitäres Bleiberecht bekommen, berichtet das Ö1-Journal. Heute wohnen sie in einer 50 Quadratmeter großen Wohnung in Gmünd. Bis Anfang dieses Jahres haben sie mit rund 1.700 Euro von der Mindestsicherung und der Familienbeihilfe gelebt. Vor einigen Monaten fand Leijmoeva eine geringfügige Arbeitsstelle als Zahnarztassistentin. Seit Jänner ist die Familie deshalb auf Spenden angewiesen, sagt Vera Holzer, Sozialarbeiterin bei der Diakonie.

Diakonie kritisiert: „Keine Existenzsicherung“

Niederösterreich habe das neue Sozialhilfegesetz umgesetzt. Nun würden sich die „katastrophalen Konsequenzen“ zeigen, sagt die Direktorin der Diakonie Maria Moser. „Menschen bleiben ohne Existenzsicherung, ohne Krankenversicherung und wir befürchten oder müssen eigentlich davon ausgehen, je mehr das neue Sozialhilfegesetz jetzt Bundesland für Bundesland weit umgesetzt wird, dass sich diese Situation auch in anderen Bundesländern zeigen wird.“

Menschen mit Humanitärem Bleiberecht waren auch in der bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht anspruchsberechtigt, haben sie aber bekommen, denn „da gab es die Möglichkeit ‚Hilfe in besonderen Lebenslagen auf privatrechtlicher Basis‘ zu beantragen. Diese Möglichkeit ist mit dem neuen Sozialhilfegesetz nicht mehr gegeben“, sagt Moser.

Entscheidung liegt nun beim Verfassungsgerichtshof

Der Fall der Familie liegt nach einer Abweisung durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nun beim Verfassungsgerichtshof. „Wir hoffen dringend, dass sich der Verfassungsgerichtshof bald dieser Frage zuwenden wird, denn diese Menschen stehen jetzt eben ohne Existenzsicherung dar“, so die Direktorin der Diakonie. Insgesamt mache die Mindestsicherung beziehungsweise nunmher Sozialhilfe 0,9 Prozent des Sozialbudgets für alle Anspruchsberechtigten aus, so Moser. Budgetär gehe es also um eine kleine Summe, für die Betroffnenen aber um die Existenz.

Waldhäusl: „Bestehendes Gesetz wird umgesetzt“

Auf diese Kritik angesprochen verteidigt der für Integration zuständige Landesrat von Niederösterreich, Gottfried Walshäusl (FPÖ) das Vorgehen. Man setze in Niederösterreich das bestehende Sozialhilfe-Grundsatzgesetz um. Das habe die schwarz-blaue Bundesregierung beschlossen, weil man mehr Gerechtigkeit wollte, vor allem für Inländer, so Waldhäusl.

„Jetzt gibt es Härtefälle bei jenen, die Humanitäres Bleiberecht haben. Das heißt, die sind aus humanitären Gründen hier in Österreich, haben aber kein Recht auf Asyl gehabt und das wird jetzt sowieso, anhängig beim Höchsten Gericht, geklärt, wie man hier weiter damit umgeht“, so Waldhäusl. Sollte die neue Regierung hier eine neue gesetzliche Basis schaffen, „werde ich in Niederösterreich, diese neue Regelung auch dementsprechend vollziehen“, so der Landesrat im Ö1-Journal.

Königsberger-Ludwig: Auch Frauen und Kinder sind Opfer

„Es sind nicht nur Menschen mit humanitärem Bleiberecht, die nun schlechter gestellt sind. Es sind auch Frauen in Frauenhäusern, denen wegen der neuen Richtsätze statt 516 Euro im Monat nur mehr 385 Euro bleiben", reagierte Soziallandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) in einer Aussendung dazu, Ähnliches gelte auch für Menschen in anderen Einrichtungen – etwa in Übergangswohnungen. Das Grundsatzgesetz sei derzeit „eine soziale und bürokratische Baustelle mit zahlreichen ungeklärten Fragen.“

NEOS: Gesetz schafft soziale Härtefälle

NEOS-Landessprecherin Indra Collini sieht sich in ihrer Kritik am Sozialhilfegesetz bestätigt. „Das ist Ergebnis einer Politik, die Gesetze erlässt, ohne über die Konsequenzen nachzudenken", so Collini in einer Aussendung, "dabei wären solche Fälle, in denen Menschen in die Obdachlosigkeit und Illegalität gedrängt werden, vermeidbar, wenn man im Zuge des Begutachtungsverfahrens auf die Einwände der Expertinnen und Experten hören würde.“ Soziale Hilfe müsste Härtefälle abfedern, anstatt sie zu befeuern, kritisiert Collini.