Regentropfen bilden Blasen und Spritzer in einer Lacke am Mittwoch
APA/BARBARA GINDL
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Mutter Erde

Starkregen als Mittel gegen Trockenheit

Starkregen hat im Sommer mehrmals zu Überschwemmungen geführt. Laut Klimaprognosen werden diese Unwetter häufiger. In Niederösterreich haben einige Orte Maßnahmen gesetzt, um Schäden zu verhindern und um Regenwasser gegen die Trockenheit zu nützen.

Der Starkregen kommt schnell, fällt in unglaublichen Massen auf nur kleinem Raum und hinterlässt große Schäden: im August etwa in den Bezirken Melk, Krems und St. Pölten. Vor zwei Jahren wurden in der Gemeinde Edlitz (Bezirk Neunkirchen) ebenfalls im Juni und im August Dutzende Keller und Häuser überflutet. Die Region wurde nach heftigen Unwetterereignissen zum Katastrophengebiet erklärt. Diesen Sommer blieben die Straßen und Häuser in der Gemeinde trotz heftigen Regens trocken. Grund dafür sind mehrere Rückhaltebecken, die in Folge der Unwetter 2018 gebaut wurden.

Einige Gemeinden der Buckligen Welt haben sich zur „Klimawandelanpassungsregion“ (KLAR) erklärt. Projekte und Ideen gegen die Folgen der Klimakrise werden in der Region getestet. Unwetter sind häufig und aufgrund der Bodenbeschaffenheit führen sie zu Verklausungen und Muren. Da Edlitz in einem Tal liegt, sammelt sich bei starkem Regen das Wasser im Ort. Die Rückhaltebecken wurden in den Wäldern gebaut, vier Sperren aus Baumstämmen halten Geröll, Äste und Erde zurück.

Ohne die Rückhaltebecken hätte das Material der heurigen Unwetter bereits die Kanäle verstopft, sagt KLAR-Manager Rainer Leitner. Das Wasser wäre dann aus der Kanalisation auf die Straße gelaufen und hätte sie überschwemmt – so wie es im Sommer 2018 der Fall war.

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Rückhaltebecken in Edlitz
ORF/Pöchhacker
Die Rückhaltebecken müssen gewartet werden. Nach Unwettern räumt ein Bagger das vom Regen mitgeschwemmte Material aus
Rückhaltebecken in Edlitz
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In einem Jahr sammelte sich Erde, Steine und Holz in der Höhe von etwa 1,5 Meter in den Becken an
Rückhaltebecken in Edlitz
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Das Regenwasser fließt über die Becken langsam in den Ort hinunter und in den Edlitzbach. Lacken werden von Wildtieren als Tränke genutzt
Rückhaltebecken in Edlitz
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Alles, was die Stämme aufhalten, hätte die Kanalisation des Ortes verstopft

Finanziert wurde das Projekt von den Grundbesitzern des Waldes. An laufenden Kosten gebe es nur die Wartung, sagt Leitner: „Wenn man es im Verhältnis zu den Kosten sieht, die die Schäden anrichten, dann sind die Wartungskosten sehr, sehr gering. Wir halten das ganze Problem oben am Berg auf und können in weiterer Folge die Schäden minimieren.“ Die Becken müssen mit einem Bagger ausgeräumt werden, wenn der Regen zu viel anschwemmt.

Auch der Eingriff in die Natur sei gering, sagt Leitner gegenüber noe.ORF.at. Es wurde nur mit natürlichen Ressourcen gearbeitet. Das stehende Regenwasser kühle zudem die unmittelbare Umgebung im Wald, was angesichts der steigenden Temperaturen ein vorteilhafter Nebeneffekt sei. Einen Nachteil haben die Becken aber: Das Wasser fließt in den Edlitzbach ab und kann nicht weiter verwendet werden.

Starkregen: Schutz vor Wasserschäden und Sachverlusten

Regen wird oft lang ersehnt, dann aber kommt er in großen Massen und in zu kurzer Zeit: Das Phänomen Starkregen wird laut Experten wegen des Klimawandels häufiger werden.

Regenwasser dringend benötigt

Denn eigentlich wäre es die beste Lösung, wenn das Regenwasser nicht einfach in der Kanalisation verloren geht, sondern zum Gießen und Kühlen genützt wird. So sehen es viele Expertinnen und Experten im Bereich, etwa Yvonne Spira vom Umweltbundesamt. Sie beschäftigt sich mit Hochwasserrisikomanagement und damit auch mit Starkregen. Dieser wird häufiger werden, der langsam fallende Landregen hingegen weniger.

Dabei können auch Private einen Beitrag leisten und Regenwasser bewahren, etwa durch einen Sickerschacht oder eine Zisterne im Garten. „In dem Moment, wo man einen Versickerungsschacht macht, kann ich die Kapazität des Bodens – auch wenn ich ihn auf einer großen Fläche durch Hausbau versiegelt habe – erhöhen. Ich kann auch die oberste Bodenschicht aus Lehm im Garten abtragen und Kies oder Sand einfüllen“, erklärt Spira gegenüber noe.ORF.at. Das Ziel müsse immer sein, das Wasser dort zu halten, wo es fällt.

Mutter-Erde-Schwerpunkt

Der Mutter-Erde-Schwerpunkt, vom 12.-20. September in allen ORF-Medien, widmet sich dem Thema der menschengemachten globalen Erwärmung. Im Fokus stehen neben dem Status quo die Lösungen und Chancen des Klimaschutzes sowie die Learnings aus der Coronavirus-Krise für die Klimakrise.

Versiegelte Böden als Problem

Es sind nicht nur die Trockenphasen, sondern ebenso die versiegelten und verdichteten Flächen, die das Regenwasser nicht mehr in den Boden sickern lassen. Zwei Hektar werden laut Erhebungen des Umweltbundesamtes täglich in Niederösterreich versiegelt. Verdichtet sind Böden vor allem in der Landwirtschaft durch die schweren Maschinen. Auswirkungen hat das auch auf den Grundwasserspiegel. „Wenn das Regenwasser versickert, hilft es mit, das Grundwasserniveau zu halten und neu zu bilden“, sagt Spira.

Ein Aspekt, der bei einer geplanten Wohnsiedlung am Eisberg in St. Pölten mitgedacht wird. Hier soll das Regenwasser aufgehoben und verwendet werden. Die Firma Zenebio ist beim Bauprojekt für das Regenwassermanagement zuständig. Sie setzt spezielle Substrate ein, wodurch der Boden mehr Wasser in kürzerer Zeit aufnehmen kann. Auf den natürlichen Flächen am Eisberg gehen nach einem starken Regen 750 Liter Wasser verloren. Wenn die Siedlung fertig gebaut ist, soll es nur mehr ein Viertel davon sein. Jetzt fließt das Wasser ab und landet im städtischen Kanalsystem, später soll es in angelegten Beeten und im Substrat-Boden gespeichert werden.

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Substrate, die Regenwasser speichern und an Pflanzen abgeben
ORF/Pöchhacker
Für jeden Boden wird ein spezifisches Substrat hergestellt. Entwickelt wird das anhand der bisherigen Niederschläge und der Bodenbeschaffenheit
Unterwagramerstraße in St. Pölten mit regenspeichernden Pflanzbeeten
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Die Randsteine haben Lücken, damit das Regenwasser über die seitlich etwas abgesenkte Straße in die Beete fließen kann
Unterwagramerstraße in St. Pölten mit regenspeichernden Pflanzbeeten
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Die Unterwagramer Straße in St. Pölten hat alle paar Meter solche regenspeichernden Pflanzbeete. Nach starken Regenfällen müssten sie etwa drei bis vier Wochen nicht gegossen werden, heißt es von Zenebio

„Das Substrat hat die Eigenschaft, Wasser zu speichern und es langsam an die Pflanzen abzugeben, wenn es längere Zeit nicht regnet. Die Bäume wachsen auch besser als andere Bäume in der Stadt, weil sie immer genügend Wasser haben und nicht austrocknen“, so Martin Henninger, Geschäftsführer des gleichnamigen Ingenieurbüros für Wasserwirtschaft in Langenlois (Bezirk Krems). Er begleitet viele Projekte der Firma Zenebio. In der geplanten Wohnsiedlung wird es unter einigen Straßen etwa keine Regenwasserkanäle mehr geben. Die Substrate und Pflanzbeete entlang der Straße reichen aus.

Das Bild der Schwammstadt

Die Substrate bestehen aus Erde, Humus sowie Steinen und haben laut Angaben der Firma auch eine Filterwirkung. Eingesetzt wurden sie bereits bei mehreren Projekten rund um St. Pölten, etwa in der Unterwagramer Straße. Früher führte hier starker Regen schnell zu einer überfluteten Straße, durch mehrere Pflanzbeete entlang der Fahrbahn wurde dieses Problem gelöst. „Die Pflanzen verdunsten das Wasser und haben so auch einen Kühlungseffekt“, sagt Martin Henninger. Bei außergewöhnlichen, 100-jährigen Starkregenereignissen würden aber auch diese Beete überlastet sein.

Es brauche viele, kleine Maßnahmen, die auf die Umgebung spezifisch angepasst werden, sagt Expertin Yvonne Spira. Im EU-Projekt „Rainman“ erstellte das Bundesumweltamt einen Leitfaden mit Maßnahmen für Gemeinden. Einerseits sollen dadurch die Schäden, die Starkregen anrichten kann, verhindert werden, andererseits müsse das Wasser – angesichts der Klimaerwärmung – auch gespeichert und wieder verwendet werden. Vor allem im verbauten, versiegelten Bereich müsse eine Stadt sozusagen zu einem Schwamm werden.