Flaggen beim informellen Austerlitz-Treffen in Grafenegg
Parlamentsdirektion/Johannes Zinner
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Politik

Klares Bekenntnis zu offenen Grenzen

Die Grenzschließungen sind im Zentrum eines Treffens von Parlamentspräsidenten in Grafenegg (Bezirk Krems) gestanden. Von den Reisebeschränkungen Ungarns zeigten sich die Amtskollegen aus Österreich, Tschechien und der Slowakei unangenehm überrascht.

Ausländer dürfen ab Dienstag nur noch in Ausnahmefällen nach Ungarn einreisen, für Touristen ist ein Grenzübertritt grundsätzlich nicht mehr möglich. Das geht aus einer Verordnung der Regierung unter Viktor Orban hervor, die am Samstagabend bekannt wurde – mehr dazu in Ungarn schließt seine Grenze (news.ORF.at; 30.8.2020).

„Böse Überraschung“

Einen Tag später, am Sonntag, war diese Entscheidung auch das bestimmende Thema in Grafenegg (Bezirk Krems). Das Unverständnis über die Vorgangsweise der Ungarn war beim Treffen der Parlamentspräsidenten aus Österreich, Tschechien und der Slowakei groß.

„Genauso wie Tschechien waren auch wir nicht informiert“, sagte etwa Boris Kollar, Präsident des slowakischen Nationalrats. „Für mich war das eine böse Überraschung.“ Eine Zusammenarbeit sei zwischen unmittelbaren Nachbarn notwendig, „nicht nur im wirtschaftlichen Bereich, sondern auch in Bezug auf den Informationsaustausch“.

Nationalratspräsident Sobotka mit seinen Amtskollegen in Grafenegg
Parlamentsdirektion/Johannes Zinner
Nationalratspräsident Sobotka (Mitte) traf seine Amtskollegen aus Tschechien (3.v.l.) und der Slowakei (r.) in historischer Atmosphäre zum informellen Arbeitsgespräch

Man werde nun versuchen, mit Ungarn gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. Zur Abstimmung der Positionen sei das Treffen im sogenannten Austerlitz-Format gut geeignet, sagte Radek Vondracek, der Vorsitzende des tschechischen Abgeordnetenhauses. „Ich glaube, dass Tschechien, die Slowakei und Österreich bei diesem Thema genau dieselbe Position vertreten. Gemeinsam haben wir schon eine gewisse Kraft.“

Keine weiteren Grenzschließungen geplant

Mit Blick auf die wirtschaftliche Situation müsse man weitere Grenzschließungen jetzt unbedingt vermeiden. Österreichs Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) verwies besonders auf die Bedeutung von ausländischen Arbeitskräften, etwa im Pflegebereich oder der Autoindustrie. „Beide Länder und auch Österreich sind übereingekommen, dass wir mit weiteren Wellen leben werden müssen“, sagte Sobotka. Zwar brauche es auf der einen Seite nationale Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft, der grenzüberschreitende freie Waren- und Personenverkehr müsse aber aufrecht erhalten werden.

„Wir haben einander versichert, dass wir die Grenzen nicht schließen werden“, sagte auch der slowakische Vertreter Kollar nach dem Arbeitsgespräch gegenüber noe.ORF.at. Es gehe alleine im sozialen Dienst um etwa 80.000 Slowakinnen und Slowaken, die in Österreich arbeiten würden. „Wir wollen die Reisefreiheit für diese Gruppe auf keinen Fall beschränken.“ Die Positionen der drei Länder seien auch beim weiteren Kampf gegen die Pandemie sehr ähnlich.

Alle drei Gesundheitssysteme hätten sich in der ersten Welle bewährt, sagte der tschechische Parlamentspräsident Vondracek. „Vor der zweiten Welle wissen wir nun, was auf uns zukommt. Wir sind vorbereitet.“ Dadurch werde man auch in den nächsten Monaten keine Präventivmaßnahmen mehr benötigen.

Nationalratspräsident Sobotka mit seinen Amtskollegen in Grafenegg
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Im Anschluss an das Arbeitsgespräch diskutierten die Parlamentspräsidenten im Schloss Grafenegg mit dem Journalisten und Osteuropa-Experten Paul Lendvai

Generell seien die Beziehungen zwischen den drei Ländern so gut wie nie zuvor, wurde beim Treffen in Grafenegg immer wieder betont. Die Grenzschließungen, die es in der Pandemie zwischen März und Juni auch hier gegeben hatte, hätten dieses Verhältnis nicht beeinträchtigt, versicherte Nationalratspräsident Sobotka. „Damals war es gar nicht anders möglich. Man wusste nicht, was auf einen zukommt. Alle haben unterstrichen, dass der März der richtige Zeitpunkt war, um so zu handeln.“ Außerdem seien die drei Länder immer gut aufeinander abgestimmt gewesen. Er selbst habe im Frühjahr laufend Kontakt zu seinen Amtskollegen gehalten.

Parlamentarischer Austausch seit drei Jahren

Bei dem Termin am Sonntag handelte es sich um ein informelles Treffen, das mittlerweile jedes Jahr Ende August in Grafenegg stattfindet – rechtzeitig zum Festivalprogramm, das jeweils im Anschluss besucht wird. Das Austerlitz-Format mit den teilnehmenden Ländern Österreich, Tschechien und der Slowakei gibt es seit 2015. Damals entschied man auf Ebene der Regierungschefs, sich regelmäßig zu treffen und auszutauschen. Der erste Gipfel fand in diesem Jahr im historischen tschechischen Ort Austerlitz in der Nähe von Brünn statt, dem blutigen Schauplatz der Drei-Kaiser-Schlacht 1805.

Mehrere Wahlen haben seit dem ersten Treffen zu tiefgreifenden personellen Veränderungen geführt. Werner Faymann, Robert Fico und Bohuslav Sobotka, die drei sozialdemokratischen Gründer der länderübergreifenden Initiative, sind mittlerweile Geschichte. Das Format gibt es jedoch weiterhin, seit dem Treffen im Oktober 2018 im tschechischen Kremsier auch auf Ebene der nationalen Parlamente.