Wirtschaft

Firmen bangen um Mitarbeiter aus Ungarn

Pendler aus Ungarn dürfen ab Dienstag nur nach Österreich, wenn der Arbeitsplatz 30 Kilometer von der ungarischen Staatsgrenze entfernt liegt. Die Wirtschaftskammer befürchtet schwerwiegende Folgen und fordert eine Ausnahme für Berufspendler.

Per Auto liegen etwa 55 Kilometer zwischen der Firma „Paletten Winter“ in Hof am Leithaberge (Bezirk Bruck an der Leitha) und der ungarischen Grenze. Täglich passieren 65 Mitarbeiter von Geschäftsführer Franz Winter den Grenzübergang. Weil die Firma nicht in der 30-Kilometer-Zone liegt, gilt für sie die Ausnahme in der Einreiseverordnung derzeit (Stand Montagabend) nicht. Wenn die ungarischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht über die Grenze gelassen werden, würde sich die Produktion um ein Drittel reduzieren, schätzt Winter.

„Die Auswirkungen für unseren Betrieb sind fatal. Wenn in der Früh auf einer Produktionslinie 30 bis 35 Leute fehlen und die ganze Schicht sind 80 Leute, das ist fast nicht möglich“, so Winter gegenüber noe.ORF.at. Für Dienstag habe das Unternehmen den Pendlern Arbeitsbestätigungen mitgegeben. „Bei der ersten Grenzschließung hatten wir das auch. Wir sind guter Hoffnung, dass das damit funktioniert, aber es ist eben nur eine Hoffnung.“

Am Autobahn-Grenzübergang Nickelsdorf (Bezirk Neusiedl am See) ist es am Dienstag nach der durch Ungarn erfolgten Grenzschließung für den Personenverkehr zu Problemen auf österreichischer Seite gekommen: Nach Angaben der Polizei hatte sich am Vormittag ein Lkw-Rückstau von 17 Kilometern gebildet, die Pkw stauten sich fünf Kilometer lang.
APA/HERBERT P. OCZERET
Mitte März schloss Ungarn wegen der CoV-Pandemie alle Grenzübergänge zu Österreich. Am 17. März kam es etwa in Nickelsdorf zu Staus.

Die ungarische Regierung beschloss am Wochenende, mit 1. September alle Grenzen zu schließen, da es Sonntagfrüh den höchsten Anstieg an Neuinfizierten gab. In den Bezirk Bruck an der Leitha pendeln täglich etwa 500 Ungarinnen und Ungarn zur Arbeit. Auch von Unternehmen aus den Bezirken Baden und Wiener Neustadt habe es viele Fragen gegeben, heißt es von der Wirtschaftskammer Niederösterreich (WKNÖ).

Während Transitverkehr wie auch bei der Grenzschließung im März eine Ausnahme darstellt, ist es für Berufspendlerinnen und -pendler dieses Mal komplizierter. Im Frühling galt für sie eine allgemeine Ausnahme, jetzt gilt sie nur für jene, die in einem Umkreis von 30 Kilometer um die ungarische Staatsgrenze leben und arbeiten. Ob mit 30 Kilometer die Luftlinie oder der Straßenweg gemeint ist, ist nicht geklärt. Zudem dürfen sich Arbeitskräfte nur 24 Stunden in anderen Ländern aufhalten, dann müssen sie zurück nach Ungarn. Wenn diese Zeit überschritten wird, müssen die Betroffenen in Quarantäne.

Wettbewerbsnachteile befürchtet

Wöchentlich pendeln werde dadurch unmöglich, so Benedikt Svoboda von der Abteilung Außenwirtschaft der WKNÖ. Vor allem im Tourismus würden das aber viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen. Die Arbeitsplätze in dieser Branche würden in Niederösterreich beinahe vollständig in Regionen liegen, die weiter als 30 Kilometer von der Grenze entfernt sind. „Es betrifft aber eigentlich alle Branchen quer durch“, so Svoboda.

Die Wirtschaftskammer fordert, dass die 30-Kilometer-Regelung wie auch die 24-Stunden-Vorgabe aus der Verordnung gestrichen werden. Diese Regeln würden sowohl für Pendlerinnen und Pendler von Ungarn nach Österreich, als auch von Österreich nach Ungarn gelten. Am Montagnachmittag habe es in diese Richtung noch Gespräche gegeben, so Svoboda, ob es bis Dienstagfrüh noch zu einer Änderung kommt, war am Montagabend nicht bekannt.

Mit Sonntag 0.00 Uhr sind unter anderem die Grenzübergänge zwischen Österreich und Ungarn wieder geöffnet. Im Bild: Situation beim Grenzübergang zwischen Österreich und Ungarn bei Nickelsdorf am Sonntag, 17. Mai 2020
APA/GEORG HOCHMUTH
Seit 17. Mai waren die Grenzen wieder geöffnet

Offene Fragen bei Kontrolle an Grenzübergängen

Ausnahmen gibt es hingegen für österreichische Firmen mit einer Niederlassung in Ungarn. Hier seien Geschäftsreisen uneingeschränkt möglich, wie es in einem Video heißt, das die Budapester Außenstelle der Wirtschaftskammer am Montagnachmittag online stellte. Bei der Grenze sei eine entsprechende Bestätigung des Arbeitgebers vorzuweisen.

Es sei aber noch abzuwarten, wie streng die ungarischen Behörden Pendlerinnen und Pendler an den Grenzen kontrollieren. Zu möglichen Auswirkungen der Reisebeschränkungen lasse sich noch nichts sagen, hieß es von der Landespolizeidirektion Burgenland auf APA-Anfrage. Daher ergehe „der Appell an die Leute, es nicht zu versuchen, wenn man nicht einen triftigen Grund hat oder zu den Ausnahmen zählt“. Korridore, wie sie zuletzt im Frühjahr eingerichtet worden waren, seien derzeit „noch kein Thema“.