Politik

Regierung soll „ganz klar kommunizieren“

Die Coronavirus-Ampel steht in allen Bezirken Niederösterreichs derzeit auf Grün. Landeshauptfrau Mikl-Leitner (ÖVP) warnt jedoch vor einer falschen Sicherheit. Zudem fordert sie die Bundesregierung auf, Maßnahmen künftig „ganz klar zu kommunizieren“.

Seit Freitag gibt es in Österreich die Coronavirus-Ampel. Sie zeigt das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus für Bezirke bzw. die großen Städte an. Je nach Farbe werden regional Maßnahmen ergriffen. In Niederösterreich stand sie zum Start in alle Bezirke auf Grün. Viele Niederösterreicher pendeln jedoch täglich nach Wien, wo die Ampel auf Gelb steht. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner warnt deshalb vor falschen Schlüssen aus dieser Tatsache und appelliert an die Verantwortung der Pendler.

Während der Coronavirus-Krise führte zuletzt auch das Auftreten der Bundesregierung zu Diskussionen – vor allem die Kommunikation verschiedener Maßnahmen. Mikl-Leitner fordert die Bundesregierung auf, „ganz klar zu kommunizieren“. Nur so entstehe das notwendige Vertrauen in die Maßnahmen, sagt sie im Gespräch mit ORF-NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler, in dem sie auch zum kommenden Schulbeginn und zur Lage der Wirtschaft Stellung nimmt.

noe.ORF.at: Frau Landeshauptfrau, die erste Coronavirus-Ampel zeigt, dass ganz Niederösterreich derzeit auf Grün geschalten ist. Besteht hier aber nicht auch die Gefahr, dass sich viele Menschen denken, das Coronavirus ist vorbei, es gibt kein Problem mehr?

Johanna Mikl-Leitner: Dass Niederösterreich auf Grün steht, ist eine sehr erfreuliche Nachricht. Nichtsdestotrotz müssen wir alle vorsichtig und verantwortungsvoll handeln und agieren. Darum bitte ich auch die Bevölkerung. Weiters ist es wichtig, das Contact-Tracing weiterhin professionell zu verfolgen, das heißt Infizierte und mögliche Kontaktpersonen rasch abzusondern, um die Infektionsgefahr so gering als möglich zu halten.

Sommerinterview 2020 Landeshauptfrau Mikl-Leitner
ORF/Schwarzwald-Sailer
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner im Gespräch mit ORF-NÖ-Chefredakteur Robert Ziegler

noe.ORF.at: Jetzt ist zwar Niederösterreich grün, aber Wien – inmitten von Niederösterreich – gelb, und da gibt es auch jeden Tag einen massiven Austausch an Menschen. Wie problematisch ist das aus Ihrer Sicht, wenn es da viel Bewegung zwischen einer gelben und einer grünen Zone gibt?

Mikl-Leitner: Den Pendlerinnen und Pendlern kommt hier eine ganz große Verantwortung zu. Was meine ich damit, dass sie sich rechtzeitig informieren, wo gelten welche Maßnahmen und Richtlinien und dass sie sich ganz konkret an diese Maßnahmen und Richtlinien halten. So können sich die Menschen selbst am besten schützen, aber auch ihre Mitmenschen.

noe.ORF.at: Von der Bundesregierung sind zuletzt sehr unterschiedliche Signale gekommen. Es war einmal die Rede vom „Licht am Ende des Tunnels“, auf der anderen Seite wieder von einer „sehr schwierigen Phase“, auch innerhalb der Regierung soll es geknirscht haben. Ist da Ihrer Meinung nach genügend Klarheit vorhanden?

Mikl-Leitner: Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation und in so einer Situation braucht es viel an Vertrauen. Deshalb fordere ich die Bundesregierung auf, weiterhin zusammenzustehen, zusammenzuhalten und ganz klar zu kommunizieren. Denn nur, wenn man zusammenhält und ganz klar kommuniziert, versteht auch Vertrauen, in die gesetzten Maßnahmen und Entscheidungen.

noe.ORF.at: Apropos Klarheit, wie würden Sie die aktuelle Lage in aller Kürze beschreiben? Sehen Sie schon ein Licht am Ende des Tunnels oder befinden wir uns noch in einer schwierigen Phase?

Mikl-Leitner: Wir müssen uns vor Augen führen, dass die Urlaubszeit vorbei ist und vor allem der kalte Winter vor der Türe steht, und dass hier vor allem die Infektionszahlen steigen können. Daher sind wir hier alle angehalten, sehr rücksichtsvoll und verantwortungsvoll zu handeln. Das heißt, Hygiene-Vorschriften einhalten, Abstand halten und, wenn notwendig, auch Maske tragen.

noe.ORF.at: Am Montag ist Schulbeginn und da gibt es im Bundesgebiet, aber auch in Niederösterreich viele Regelungen und Empfehlungen, trotzdem sind viele Eltern verunsichert. Denken Sie, dass ein sicherer Schulstart möglich sein wird?

Mikl-Leitner: Unser aller Ziel ist es, dass der Schul- und Kindergartenstart so normal und vor allem so sicher als möglich stattfindet. Dafür haben wir in Niederösterreich – als einziges Bundesland – auch Vorkehrungen getroffen. Wir haben allen Pädagoginnen und Pädagogen angeboten, sich freiwillig testen zu lassen, und über 11.000 Pädagoginnen und Pädagogen haben dieses Angebot angenommen. Dieses Angebot war mir wichtig, damit die Pädagogen selbst Klarheit über ihren Gesundheitszustand haben und damit sie dadurch auch Kinder und ihre Eltern schützen können. Gott sei Dank können wir sagen, dass alle negativ sind.

noe.ORF.at: Besonders betroffen von dieser Krise ist die Wirtschaft. Im Frühjahr haben Sie dazu mehrmals gesagt, Sie warten jetzt einmal ab, wie die Konjunkturpakete des Bundes in Niederösterreich wirken, bevor Niederösterreich selbst Maßnahmen trifft. Wirken diese Pakete des Bundes?

Mikl-Leitner: Im ersten Halbjahr dieses Jahres ist die Wirtschaft massiv eingebrochen, österreichweit bei 7,3 Prozent, in Niederösterreich etwas geringer bei 6,6 Prozent. Wir sehen, wir haben die Talsohle durchschritten und die Wirtschaft beginnt zu wachsen. Deswegen kann man sagen, die Pakete des Bundes aber auch des Landes greifen. Jetzt geht es mir darum, eine genaue Analyse vorzunehmen und auf Basis dieser Evaluierung ein punktgenaues Konjunkturprogramm festzulegen, wo wir vor allem die Klein- und Mittelbetriebe in ihrer Wirtschafts- und Innovationskraft unterstützen wollen. Dieses Konjunkturprogramm werden wir zeitnah vorstellen.

noe.ORF.at: Wirtschaft heißt auch Arbeitsmarkt und da ist die Lage besonders schwierig. Es gibt ein Viertel mehr Arbeitslose als vor einem Jahr und besonders schwer haben es ganz junge Menschen, aber auch Ältere, Arbeitslose über 50 Jahre. Wird es da von Seiten des Landes Maßnahmen geben?

Mikl-Leitner: Was die Arbeitslosigkeit betrifft, sind wir in Niederösterreich weniger betroffen, als der österreichweite Durchschnitt. Wir sehen aber, dass vor allem die Jungen, aber auch die Älteren davon betroffen sind. Daher werden wir bei unserem Paket den Fokus auf diese beiden Gruppen legen. Das heißt, wir werden unsere Lehrlingsoffensive fortsetzen, wo wir 46 Millionen Euro in die Hand nehmen und mehr als 3.000 junge Menschen begleitet werden können, Perspektiven bekommen, wo wir sie unterstützen einen fixen Lehrplatz zu bekommen. 400 haben bereits einen fixen Lehrplatz, das heißt, wir sind hier auf einem sehr guten Weg.

Auch wir seitens des Landes Niederösterreich haben hier eine Initiative gestartet und nehmen mehr Lehrlinge auf. Das heißt, in den nächsten beiden Jahren werden wir die Zahl der Lehrlinge verdoppeln, von derzeit 250 auf 500 Lehrplätze. Zum anderen unterstützen wir auch die Älteren mit der „Jobchance 50+“, wo wir 600 Plätze zur Verfügung haben, um eben die älteren Arbeitslosen rasch und vor allem punktgenau in den Arbeitsmarkt zu bringen.

noe.ORF.at: Zum Abschluss eine persönliche Einschätzung, wann werden wir denn wieder normal leben?

Mikl-Leitner: Wenn man den Experten Glauben schenken darf, dürfen wir mit Anfang nächsten Jahres mit einer Impfung rechnen. Wenn diese Impfung tatsächlich kommt, dann dürfen wir uns vielleicht auch auf einen schönen Sommer 2021 freuen und das wünsche ich uns allen.